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Gesundheitssystemmodernisierungsgesetz (GMG) ('Rosa Beilage' zur VPP 2/2003)

1. Arbeitsentwurf vom 13. März 2003


Bei den nachfolgenden Ausführungen beziehen wir uns auf den 1. Arbeitsentwurf vom 13. März 2003 (mit dem Vermerk "noch nicht mit der Leitung abgestimmt"!), da erst kurz vor Redaktionsschluss am 9. Mai ein neuer Entwurf aus dem Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung bekannt wurde, der nach den Vorgaben der Leitung erstellt worden ist.

Auf Seite 16ff finden Sie dann die Punkte zusammengefasst, die gegenüber dem Märzentwurf geändert haben.

Schwerpunkte des Gesetzes im Einzelnen:

Steigerung der Qualität der medizinischen Versorgung und Einrichtung eines "Deutschen Zentrums für Qualität in der Medizin"

Pflicht zur Fortbildung

§§ 95, 95d, 106 (4) SGB V:

Der Vertragsarzt ist verpflichtet zur Fortbildung. Fortbildungsinhalte müssen dem aktuellen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse, auf dem Gebiet der Medizin, Zahnmedizin oder Psychotherapie entsprechen.

Der Nachweis soll insbesondere durch Fortbildungszertifikate der Kammern der Ärzte, der Zahnärzte und der Psychologischen Psychotherapeuten und der Kinder- und Jugendlichenpsy­chotherapeuten erbracht werden.

Diese Zertifikate müssen den Kriterien entsprechen, die die Arbeitsgemeinschaft der Kammern auf Bundesebene aufgestellt hat.

Ein Arzt oder Psychotherapeut hat alle 5 Jahre gegenüber seinem Vertragspartner nachzu­weisen, dass er sich in dem unmittelbar zurückliegenden 5-Jahreszeitraum fortgebildet hat.

Nach Ablauf der 5-Jahresfrist ist der Vertrag zu kündigen, wenn die Fortbildung nach Satz 3 nicht nachgewiesen wird.

 

Einführung eines internen Qualitätsmanagements in den Praxen

Deutsches Zentrum für Qualität in der Medizin

§ 139a, b SGB V (neu): Das Zentrum wird als rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts errichtet.

Aufgabe:

  • Bereitstellung von Infos für Versicherte über Qualitätssicherungsmaßnahmen und wis­senschaftliche Erkenntnisse zu Diagnostik und Therapie in der Medizin
  • Erstellung evidenzbasierter Leitlinien
  • Erstellung von Gutachten und Stellungnahmen zu Fragen der Qualität
  • Empfehlungen an die Bundesausschüsse
  • Empfehlungen zur Anerkennung von Fortbildungsmaßnahmen für den Nachweis der Erfüllung der Fortbildungspflicht
  • Empfehlungen an das BMG zu chronischen Krankheiten, für die strukturierte Be­handlungsprogramme (DMPs) entwickelt werden sollen
  • Die Bundesausschüsse haben die Empfehlungen zu berücksichtigen

 

Modernisierung der Versorgungsstrukturen, Gleichstellung von Gesundheitszentren mit ambulant tätigen Ärzten und Ausbau integrierter Versorgungsformen

Sicherstellungsauftrag

Die Sicherstellungsverpflichtung in der ambulanten Versorgung wird neu geregelt. Die kol­lektivvertraglich organisierte Sicherstellungsverpflichtung der Kassenärztlichen Vereini­gungen gilt künftig grundsätzlich nur für die hausärztliche Versorgungsowie für die durch Augenärzte und Gynäkologen erbrachte fachärztliche Versorgung. Im Übrigen wird der Sicherstellungsauftrag geteilt und teilweise von den Kassenärztlichen Vereini­gungen und teilweise von Krankenkassen übernommen. Insbesondere ist es künftig Auf­gabe der Krankenkasse, Versorgungslücken zu schließen.

Für die bereits zugelassenen Fachärzte und Psychotherapeuten gilt: Sie bleiben zunächst im kollektivvertraglichen System, haben aber die Möglichkeit, aus diesem System auszuscheiden und Einzelverträge mit den Krankenkassen abzuschließen. Der Neuzugang zur fachärztlichen Versorgung - ausgenommen Gynäkologen und Augenärzte - erfolgt nicht mehr über die Er­teilung einer Zulassung, sondern durch Einzelverträge mit den Krankenkassen.

Die Landesverbände der Krankenkassen und die Verbände der Ersatzkassen haben gemein­sam sicherzustellen, dass eine bedarfsgerechte Versorgung gewährleistet ist.

  • Stichtag zur Festlegung von Rahmenbedingungen für die Sicherstellung und Durch­führung der Versorgung: 01.05.2004.
  • Ärzte und Psychotherapeuten, die zugelassen sind, können im Vertragsarztsystem bleiben oder Verträge nach § 106 abschließen.

§ 95 SGB V (neu):

  • An der vertragsärztlichen Versorgung nehmen zugelassene Ärzte und zugelassene Ge­sundheitszentren teil.
  • Gesundheitszentren sind fachübergreifende ärztlich geleitete Einrichtungen, in denen Ärzte als Angestellte tätig sind.
  • Um die Zulassung als Vertragsarzt kann sich jeder Haus-, Augen- oder Frauenarzt be­werben.
  • Um die Zulassung kann sich ein Gesundheitszentrum bewerben, dessen Ärzte in das Arztregister eingetragen und entweder Haus-, Augen- oder Frauenärzte sind.

Einzelverträge

§ 106b SGB V (neu):

  • Die Krankenkassen, die Landesverbände der Krankenkassen oder die Verbände der Ersatzkassen schließen zur Sicherstellung der ambulanten fachärztlichen Versorgung Verträge. Die Verträge können geschlossen werden,
    • mit Ärzten und Psychotherapeuten, die die Voraussetzungen für die Eintragung ins Arztregister erfüllen oder
    • mit Gesundheitszentren, deren Ärzte die Voraussetzungen für die Eintragung ins Arztregister erfüllen.

Ein Anspruch des Leistungserbringers auf Vertragsabschluss besteht nicht, die Aus­wahl durch die Kassen muss aber nach objektiven und gerichtlich überprüfbaren Krite­rien statt finden und entsprechend begründet werden, damit der Bewerber die Mög­lichkeit hat, eine ablehnende Entscheidung anzufechten.

Kurz zusammengefasst:

Nach der Umsetzung dieses Gesetzentwurfes wird es für Ärztliche und Psychologische Psy­chotherapeuten sowie Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten keine Zulassung mehr ge­ben. Wer bis zum 01.05.2004 nicht zugelassen ist, wird nach dem Erwerb der Fachkunde entweder Einzelverträge mit den Krankenkassen abschließen müssen oder sich in Gesund­heitszentren, die ihrerseits entsprechende Einzelverträge abschließen müssen, als Angestellte arbeiten. Diejenigen, die bereits eine Zulassung besitzen, werden weiterhin über ihre Kassen­ärztliche Vereinigung im Kollektivvertragssystem abrechnen. Sie können jedoch auch Einzel­verträge mit den Krankenkassen abschließen, allerdings hätte dies zur Folge, dass dann in die­sem Geltungsbereich (z.B. mit den Ersatzkassen) die Zulassung beendet wäre. Eine Teil­nahme an der vertragsärztlichen Versorgung aufgrund einer Zulassung gibt es nach dem Ge­setzentwurf nur noch für Hausärzte, Augenärzte und Frauenärzte.

 

Teilöffnung der Krankenhäuser für ambulante Behandlung

§§ 116a und 116b (neu):

§ 116a: Ambulante Behandlung durch Krankenhäuser bei Unterversorgung. Hier wird der Zulassungsaussschuss verpflichtet, bei Feststellung von Unterversorgung die Krankenhäuser auf deren Antrag hin zur vertragsärztlichen Versorgung hin zu ermächtigen, soweit und so­lange die Unterversorgung anhält.

§ 116 b: Krankenhäuser werden für hoch spezialisierte Leistungen, z.B. bei der Behandlung von Krebserkrankungen, für Einzelverträge im Rahmen der integrierten Versorgung und im Rahmen von Disease-Management-Verträgen für die ambulante Behandlung geöffnet. Hierbei sind bestimmte Qualitätsanforderungen zu erfüllen.

Hausarztsystem

§§ 62a und 67 SGB V

In der hausärztlichen Versorgung werden umfassende Basisleistungen erbracht. Behandlungs­methoden, Arznei- und Heilmittel der besonderen Therapierichtungen sind nicht ausgeschlos­sen.

  • Versicherte können sich gegenüber ihrer Krankenkasse verpflichten, vertragsärztliche Leistungen außerhalb der hausärztlichen Versorgung nur auf Überweisung des Hausarz­tes in Anspruch zu nehmen.
  • Versicherte, die an einem Hausarztsystem teilnehmen, werden von Zuzahlungen zu Arznei- und Verbandsmitteln befreit.

 

Weiterentwicklung des ärztlichen Vergütungs- und Abrechnungssystems

§ 87 SGB V

Das ärztliche Vergütungs- und Abrechnungssystem wird mit folgenden Schwerpunkten wei­terentwickelt:

  • Einführung von Komplexgebühren und Fallpauschalen für fachärztliche Leistungen sowie ambulante Operationen und von Pauschalvergütungen für die Behandlung von Versicher­ten in Hausarztsystemen.
  • Schaffung von Kalkulationssicherheit in der ärztlichen Vergütung durch Einführung eines festen Punktwertes im Rahmen von Regelleistungsvolumina.
  • Stärkere Einbeziehung der Krankenkassen in die Verantwortung für eine leistungsgerechte Honorarverteilung (vertragliche Vereinbarung der Honorarverteilungsmaßstäbe).

Gemäß § 87 Abs. 6 (neu) sind Beschlüsse des Bewertungsausschusses dem Bundesgesund­heitsministerium vorzulegen, das beanstanden kann. Wird den Beanstandungen nicht fristge­recht abgeholfen, kann das Ministerium entweder selbst tätig werden oder aber den Erweiter­ten Bewertungsausschuss anrufen.

 

§ 85 SGB V

Im Verteilungsmaßstab sind Regelungen zur Vergütung der antrags- und genehmigungs­pflichtigen psychotherapeutischen Leistungen zu treffen, die eine angemessene Höhe der Vergütung je Zeiteinheit gewährleistet.

Es sind arztgruppenspezifische Grenzwerte festzulegen, bis zu denen die von einer Arztpraxis erbrachten Leistungen mit einem festen Punktwert zu vergüten sind (Regelleistungsvolu­mina).

Dies ist eine Verbesserung der bisherigen Rechtslage für die Ärzte, die nicht mindestens 90 % G IV-Leistungen erbringen. Per Gesetz sind zwar die KVen auch heute bereits verpflichtet, zur Umsetzung der Bundessozialgerichts-Rechtssprechung bei der Honorarverteilung die be­sonderen Praxisbedingungen der Psychotherapeuten zu berücksichtigen. Bei den Ärzten gilt dies allerdings nach der bisherigen Rechtslage nur, wenn diese ausschließlich psychothera­peutisch tätig sind, d.h. mindestens 90 % dieser Leistungen erbringen.

Reform der Krankenkassen und der Kassenärztlichen Vereinigungen

Krankenkassen

§ 144 SGB V (Änderung)

Eine Vereinigung von Ortskrankenkassen ist danach auch dann möglich, wenn sich der Be­zieher der vereinigten Krankenkasse über das Gebiet eines Landes hinaus erstreckt. Das Or­ganisationsrecht der Ortskrankenkassen wird damit an das der übrigen Kassenarten angegli­chen und landesübergreifende Zusammenschlüsse von Ortskrankenkassen erleichtert.

Kassenarten übergreifende Vereinigung von Krankenkassen

§ 171a SGB V

Die Regelung hier ermöglicht eine freiwillige Vereinigung von Ortskrankenkassen, Betriebs­krankenkassen, Innungskrankenkassen und Ersatzkassen, auch über die Kassenartengrenzen hinweg. Zwar hat sich die Zahl der Krankenkassen durch die im Gesundheitsstrukturgesetz eingeführten Fusionserleichterungen von 1.209 im Jahre 1991 auf 349 bis September 2002 verringert, trotzdem gibt es immer noch eine Vielzahl von kleinen Krankenkassen. Ziel ist es, dass sich Krankenkassen zu größeren Einheiten zusammenschließen, um wettbewerbs- und leistungsfähig zu sein.

Kassenärztliche Vereinigungen

§ 77 SGB V (neu): Sind in einem Land mehr als 12.000 Ärzte zugelassen und besteht am 01.01.2004 mehr als eine KV in diesem Land, können 2 KVen errichtet werden oder fortbe­stehen.

§ 79 SGB V (neu): Bei jeder KV und der KBV werden ausschließlich eine Vertreterver­sammlung (VV) als Selbstverwaltungsorgan und ein hauptamtlicher Vorstand gebildet.

  • Hausärzte sind entsprechend ihrem Anteil in der VV vertreten. Der Vorstand der KVen und der KBV besteht aus bis zu 3 Mitgliedern (höchstens 5, wenn in der Satzung so fest­gelegt).
  • Die Vorstandsmitglieder üben die Tätigkeit hauptamtlich aus.
  • Die Amtszeit beträgt 6 Jahre.
  • Die Mitglieder der KVen wählen ihre Vertreter in unmittelbarer und geheimer Wahl (ver­bindliche Einführung des Verhältniswahlrechts). Allerdings haben nur Hausärzte einen Anspruch darauf, in der VV entsprechend ihrem Anteil an den Mitgliedern der KV ver­treten zu sein.
  • Die Psychotherapeuten wählen ihre Mitglieder mit der Maßgabe, dass sie höchstens mit einem Zehntel der Mitglieder in der VV vertreten sind. (Diese Klausel war im ursprüng­lichen "Rohentwurf" nicht enthalten.)
  • Die Mitglieder der VV wählen aus ihren Reihen die Mitglieder der VV der KBV.

Stärkung der Patientensouveränität, und Ausbau von Rechten, Wahl- und Einflussmöglichkeiten der Patientinnen und Patienten

Beteiligungs- und Anhörungsrechte von Patientenorganisationen werden weiter ausgebaut.

Die Beteiligungsrechte der/des Patientenbeauftragten werden konkret geregelt.

Verbesserung der Transparenz auf allen Ebenen und
Einführung von Patientenquittungen sowie der elektronischen Gesundheitskarte

§ 305 SGB V

Die an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte und ärztlich geleiteten Ein­richtungen haben die Versicherten auf Verlagen schriftlich in verständlicher Form, direkt im Anschluss an die Behandlung oder mindestes quartalsweise, spätestens 4 Wochen nach Ab­lauf des Quartals, in dem die Leistungen in Anspruch genommen worden sind, über die zu Lasten der Krankenkassen erbrachten Leistungen und deren vorläufigen Kosten (Patienten­quittung) zu unterrichten.

§ 291a (neu) Elektronische Gesundheitskarte

Die Krankenversichertenkarte wird bis spätestens zum 1. Januar 2006 zur Verbesserung von Wirtschaftlichkeit, Qualität und Transparenz der Behandlung .... zu einer elektronischen Ge­sundheitskarte erweitert.

Gezielte Maßnahmen zur Bekämpfung von Missbrauch und Korruption im Gesundheitswesen

Es wird die neue Funktion eines/einer Beauftragten zur Bekämpfung von Missbrauch und Korruption als Ansprechpartner für Bürgerinnen und Bürger sowie für Einrichtungen und Be­schäftigte des Gesundheitswesens eingerichtet und ausgestattet mit umfangreichen Prüfrech­ten

§ 81a (neu) Missbrauchs- und Korruptionsbekämpfungsstellen

  • Die Kassenärztlichen Vereinigungen richten organisatorische Einheiten ein, die Fällen nachzugehen haben, in denen der Verdacht besteht, dass Personen im Zusammenhang mit den Aufgaben der gesetzlichen Krankenversicherung strafbare Handlungen bege­hen oder Finanzmittel rechtswidrig oder missbräuchlich nutzen oder in sonstiger Weise auf einen zweckwidrigen Einsatz der Finanzmittel hinwirken.

Die KVen sollen sowohl untereinander als auch mit den Krankenkassen zusammenar­beiten und die Kassenärztliche Bundesvereinigung soll sie dabei unterstützen. Wenn ein Verdacht auf strafbare Handlungen mit erheblicher Bedeutung für die GKV be­steht, haben die KVen bei der zuständigen Staatsanwaltschaft Strafanzeige zu erstat­ten. Der Vorstand hat der Vertreterversammlung im Abstand von 2 Jahren über die Arbeit und Ergebnisse zu berichten.

Liberalisierung des Arzneimittelmarktes und Modernisierung der Vertriebsstrukturen durch Zulassung von Versandhandel

Die Arzneimittelpreisverordnung wird liberalisiert. Die Möglichkeiten für vertragliche Ver­einbarungen über Handelsspannen werden ausgeweitet.

Der gesetzliche Rahmen für Vereinbarungen zwischen Arzneimittelherstellern und Kranken­kassen über Rabatte auf die Listenpreise von Arzneimittel wird ausgeweitet.

Unter Wahrung der Arzneimittelsicherheit wird der Versandhandel (e-commerce) für Arz­neimittel zugelassen.

Mehrbesitz für Apotheken wird unter engen Einschränkungen zugelassen.


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