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Aktuelle Rechtsprechung zur Beitragserhebung der Psychotherapeutenkammern 1 - Urteile des Schleswig-Holsteinischen OVG und des OVG Rheinland-Pfalz liegen vor ('Rosa Beilage' zur VPP 1/2006)

Von: Kerstin Burgdorf

Das von vielen Seiten mit Interesse erwartete Berufungsurteil des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts (OVG) zur Frage der Rechtmäßigkeit des von der Psychotherapeutenkammer Schleswig-Holstein in den Jahren 2002 und 2003 erhobenen Einheitsbeitrags liegt nun vor.


Der Kläger, in einem Kinderschutzzentrum angestellt tätiger Psychologischer Psychotherapeut, hatte geltend gemacht, nur zu 20 % seiner Arbeitszeit Tätigkeiten im Sinne des PsychThG auszuüben. Die Beitragssatzung müsse unterschiedliche Beiträge vorsehen, je nach dem, in welchem Umfang Einkommen aus der Psychotherapeutentätigkeit erzielt werde.
Die Entscheidungsgründe des Schleswig-Holsteinischen VG (Urt. v. 10.8.2005, 2 A 176/03) seien nochmals kurz umrissen: Eine differenzierende Beitragsregelung ist notwendig. Die Mitglieder der Psychotherapeutenkammer stellen keine derart homogene Gruppe dar, dass bei pauschalierender Betrachtung jedem ihrer Mitglieder der gleiche Vorteil, d.h. der sich aus der Mitgliedschaft ergebende Nutzen, zukommt. Eine Vielzahl der Aufgaben der Kammer ergibt sich aus den Bedürfnissen der konkreten Berufsausübung der selbstständig tätigen (niedergelassenen) Kammermitglieder. Angestellten Mitgliedern kommt ein geringerer Nutzen zu. Denjenigen, die ihren Beruf nicht ausüben, der geringste Nutzen.
Am 30.9.2005 entschied das Schleswig-Holsteinische OVG nun zu Gunsten der beklagten Psychotherapeutenkammer: der pauschalierend festgelegte Beitrag in einheitlicher Höhe für grundsätzlich alle Mitglieder während der Errichtungsphase der Kammer sei mit Blick auf den Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz) nicht zu beanstanden. Eine Beitragserhebung, die zwischen dem unterschiedlichen Nutzen der Kammer für das einzelne Pflichtmitglied differenziert, sei nicht geboten.
Das Urteil enttäuscht viele betroffene Pflichtmitglieder der Kammer, hatte das Schleswig-Holsteinische Verwaltungsgericht (VG) als Ausgangsgericht zunächst mit überzeugender Argumentation für den klagenden Psychotherapeuten entschieden.
Das Urteil muss jedoch vor dem Hintergrund gelesen werden, dass der in Frage stehende Zeitraum die Errichtungsphase der Kammer war und das Gericht die Besonderheit dieser Situation als entscheidendes Kriterium für seine Urteilsfindung bewertet hat. Aus Sicht des OVG kommt insbesondere die Errichtungsphase der Kammer allen Mitgliedern gleichermaßen zu Gute unabhängig von dem jeweiligen Maße der Berufsausübung. In der Errichtungsphase habe die Beklagte v. a. die rechtlichen und tatsächlichen Voraussetzungen für eine ordnungsgemäße Erfüllung der ihr nach dem Heilberufekammergesetz obliegenden Aufgaben geschaffen (Satzungsrecht erlassen, Einrichtung als Körperschaft des öffentlichen Rechts voranbringen, erforderliche Anfangsinvestitionen vornehmen), die sich für das einzelne Kammermitglied als Dauervorteil für die gesamte Mitgliedschaft, unabhängig von den beruflichen Umständen bzw. unabhängig vom jeweiligen Maß der Berufsausübung des Mitglieds auswirken. Für besonders gelagerte Fälle hatte die Beitragssatzung Befreiungsregelungen vorgesehen. Mit Blick auf diese Sonderregelung und die besonderen rechtlichen und tatsächlichen Gegebenheiten während der Errichtungsphase verstößt aus Sicht des OVG die Beitragssatzung nicht gegen die Anforderungen des Art. 3 Abs. 2 GG.
Ein interessantes Detail sei am Rande erwähnt: der Kläger machte im Berufungsverfahren ergänzend geltend, dass die Beitragserhebung der Kammer bereits auf einer nichtigen Haushaltssatzung beruhe. Die im Haushaltsplan vorgesehenen Aufwandsentschädigungen für die Mitglieder und Vorstände des Errichtungsausschusses seien außerordentlich hoch und würden einen Verstoß gegen das Gebot sparsamen Wirtschaftens darstellen. Das OVG weist diese Bedenken des Klägers mit der Begründung zurück, dass die im Haushaltsplan angesetzten 16.000,- Euro/Monat Aufwandsentschädigung mit 16 Treffen des zwölfköpfigen Errichtungsausschusses und mit 32 Treffen des Vorstands im Zeitraum August 2002 bis August 2003 hinreichend erklärbar seien.
Gegen das Urteil wurde die Revision nicht zugelassen. Die Nichtzulassung der Revision wurde inzwischen durch Beschwerde angefochten.
Die PTK Schleswig-Holstein hat als Reaktion auf die Verwaltungsgerichtsurteile seit 2005 eine Differenzierung in der Beitragshöhe zwischen Angestellten und Selbstständigen sowie für Mitglieder, die ihren Beruf nicht ausüben, eingeführt. Leider fehlen aus Sicht der DGVT weiterhin transparente Kriterien für eine Beitragsreduktion bei Teilzeitbeschäftigten, die nur über die Härtefallregelung eine Beitragsreduktion erwirken können.
Ein Blick auf die aktuelle Rechtsprechung zum Kammerbeitrag in Rheinland-Pfalz:
Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Rheinland-Pfalz hat mit Urteil vom 9. August 2005 der Berufung einer Psychologischen Psychotherapeutin stattgegeben, die sich als teilzeitbeschäftigte Angestellte und alleinerziehende Mutter durch den Pflichtbeitrag zur Kammer in Höhe von 400,- € für das Jahr 2002 unzumutbar belastet sah. Die Klägerin sah in dem einheitlichen einkommensunabhängigen Mitgliederbeitrag der Kammer Rheinland-Pfalz einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz sowie gegen das Äquivalenz-Prinzip, da die fehlende Differenzierung zwischen niedergelassenen und angestellten Kammermitgliedern die jeweilige berufsbezogene Vorteilssituation durch die Kammermitgliedschaft außer Acht lasse. Die Kammer müsse sich um ein stärker ausdifferenziertes Beitragssystem bemühen.
Das Gericht in erster Instanz hatte die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat nun den Beitragsbescheid der Kammer aufgehoben. Es sah in der vorliegenden Beitragsordnung zwar keinen Verstoß gegen das Äquivalenzprinzip - im Gründungsjahr 2002 der Kammer habe kein Missverhältnis zwischen den allen Kammermitgliedern dienlichen Grundlagenarbeit und der Höhe des Einheitspflichtbeitrags vorgelegen. Jedoch sieht das OVG einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz, da die Beitragshöhe mit 400,- € die Bagatellgrenze beträchtlich überschreite und die generell verminderte Leistungsfähigkeit teilzeitbeschäftigter Psychotherapeuten bei der Beitragsgestaltung unberücksichtigt geblieben sei. Gerade bei Personen, die nur die Hälfte oder sogar weniger als die Hälfte ihrer Arbeitskraft für berufliche Zwecke einsetzten, führe der Einheitsbetrag zu einem Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz (dieser besagt, dass wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches eben seiner Ungleichheit gemäß zu behandeln sei).

Das Gericht macht dann noch eine interessante Ausführung zur Frage, ob der einheitliche Kammerbeitrag auch im Verhältnis der niedergelassenen und der angestellten Kammermitglieder untereinander zu einer intensiven Ungleichbehandlung führe. Das OVG sieht hier kein Differenzierungsgebot, da die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der beiden Gruppen nicht wesentlich differiere.

Noch interessanter ist die Bemerkung des OVG zu der Tatsache, dass nach einer 2003 durchgeführten Umfrage der Kammer 36,6 % der insgesamt etwa 600 abhängig beschäftigten Kammermitglieder in Teilzeit arbeiten. Hiervon arbeiten etwa 52 % halbtags oder weniger. Nach Auffassung des OVG fällt diese reduzierte Leistungskraft zahlenmäßig durchaus ins Gewicht und kann nicht mehr übergangen werden. Diesem Umstand habe die Kammer - sofern der von ihr befürwortete Einheitsbeitrag nicht auf eine für alle Mitglieder in gleicher Weise verkraftbare Höhe abgesenkt werden kann - durch die Aufnahme eines Sondertarifs in die Beitragsordnung Rechnung zu tragen, der den beschriebenen beitragsrechtlichen Besonderheiten gerecht wird.
Ein verheißungsvolles Urteil für teilzeitbeschäftigte Kammermitglieder, die unter der Beitragslast leiden. Die rheinland-pfälzische Kammer muss sich diesem gerichtlichen Auftrag nun stellen.[2]

Kerstin Burgdorf
Schleswig-Holsteinisches OVG, Urt. v. 30.9.2005, Az.: 3 LB 14/04, 2 A 176/03
OVG Rheinland-Pfalz, Urteil v. 9.8.2005, Az.: 7 K 1427/04.NW

 


[1] Vgl. zum Thema: Jan Eichelberger, Zur Mitgliedschaft und Beitragspflicht in den Kammern für Psychologische Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten, Rosa Beilage 3/2005, S. 30 ff.

[2] Die Beitragstabelle der PTK Rheinland-Pfalz vom 12.2.2004 sieht noch keine wesentliche Differenzierung vor. Unterschieden wird nur zwischen Pflichtmitgliedern (475,- €) und freiwilligen Mitgliedern (200,- €).


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