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Gesundheitsreform passierte Bundestag (02.02.2007) und Bundesrat (16.02.2007)

Von: Waltraud Deubert

Nach einem zehn Monate dauernden Verhandlungmarathon zwischen
CDU/CSU und SPD stimmte das Parlament über das wichtigste
Reformvorhaben der Großen Koalition ab. Trotz Warnungen der
Opposition und der Kritiker in den eigenen Reihen votierte die Mehrheit
der Abgeordneten für das Gesetz. Sechs von elf SPD-Mitgliedern des Gesundheitsausschusses waren zuvor allerdings der entscheidenden Ausschusssitzung ferngeblieben. Ca. 40 Koalitionsabgeordnete stimmten anschließend im Bundestag mit Nein.

Vor der Einigung zwischen den Koalitionspartnern war der Streit über die Gesundheitsreform überwiegend über Gutachten ausgetragen worden. Hintergrund war die künftige Belastung der Krankenkassen in finanzstarken Bundesländern durch den Gesundheitsfond. Vor allen Dingen Bayern und Baden-Württemberg befürchten, dass ihre Kassen zu viel Geld in den Finanzausgleich des Gesundheitsfonds zahlen müssen.

Einige Baustellen im Gesundheitswesen bleiben der Koalition aber trotz monatelanger Verhandlungen erhalten. Das Insolvenzrecht für gesetzliche Krankenkassen muss neu geregelt werden. Zündstoff steckt auch im geplanten Risikostrukturausgleich zwischen den Krankenkassen und in der Reform des Honorarsystems für Ärzte.

Das ursprünglich wichtigste Ziel von Sozialdemokraten und Union, dass die Finanzierung der Krankenversicherung nicht länger zu steigenden Beiträgen führt und damit zur Erhöhung der Arbeitskosten, wurde nicht erreicht. Zur Jahreswende haben rund 120 gesetzliche Krankenkassen ihre Beitragssätze erhöht. Die Krankenkassen sollen einen höheren Steuerzuschuss erhalten, damit die Lohnzusatzkosten nicht zu stark steigen. Für den Bundeshaushalt führt dies allerdings zu gravierenden Mehrbelastungen. Die zusätzlichen Zuweisungen aus der Bundeskasse an die Krankenkassen steigen laut Bundestagsbeschluss von je einer Milliarde 2008 und 2009 schrittweise auf 14 Milliarden Euro im Jahre 2016. Für 2010 hat deshalb der Bundesfinanzminister bereits weitere Steuererhöhungen angekündigt, da die Verschuldung auf keinen Fall steigen soll.

Die von den Koalitionsparteien vorgesehenen Wege zu dem gemeinsamen Ziel erwiesen sich, wie von Anfang an befürchtet, als unvereinbar. Die SPD wollte die "Bürgerversicherung". Zu diesem Zweck wollte sie die Krankenkassenbeiträge nicht allein vom Lohn, sondern vom gesamten Einkommen erheben und außerdem die privaten Krankenkassen in den Risikostrukturausgleich mit einbeziehen. Die Union hatte verschiedene Prämienmodelle entwickelt, um die Beiträge vom Lohn zu entkoppeln. Der Sozialausgleich sollte über Steuertransfers stattfinden.

Erfreulicherweise waren aus der Vielzahl der Änderungsvorschläge des Bundesrates und der Fraktionen auch Forderungen, die die Bundespsychotherapeutenkammer und die Verbände des GK II eingebracht hatten, angenommen worden. Genehmigungspflichtige psychotherapeutische Leistungen werden auch weiterhin als Einzelleistungen vergütet und nicht – wie befürchtet – als Fallpauschalen. Abgewendet werden konnte für PsychotherapeutInnen auch eine Begrenzung der Leistungsmenge über Regelleistungsvolumina (RLV). Antragspflichtige psychotherapeutische Leistungen sollen außerhalb der RLV vergütet werden. Auch die Forderung der Psychotherapeutenverbände und der Bundespsychotherapeutenkammer nach Regelung einer "angemessenen Vergütung" psychotherapeutischer Leistungen wurde aufgenommen. Unerwartet ist unsere Forderung, dass der PKV-Basistarif mit dem GKV-Angebot nicht nur hinsichtlich der Art, sondern auch hinsichtlich des Umfangs vergleichbar sein muss, aufgenommen worden.
Im Gesetz heißt es: "Versicherungsunternehmen haben … einen einheitlichen Basistarif anzubieten, dessen Vertragsleistungen in Art, Umfang und Höhe der Leistungen nach dem 3. Kapitel SGB V, auf die ein Anspruch besteht, jeweils vergleichbar sind."

Änderungsbedarf am Gesetzentwurf haben die Ländervertreter auch bei der Neuorganisation des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) gesehen. Die ursprünglichen Pläne des Bundesgesundheitsministeriums, die Mitglieder im Beschlussgremium des G-BA künftig als Hauptamtliche zu berufen, wurden verändert. Der G-BA soll weiterhin unter dem Vorsitz eines unparteiischen Vorsitzenden und zweier unparteiischer Mitglieder tagen, die hauptamtlich zur Sicherung der Professionalität tätig sein werden. Die Leistungserbringer sind durch fünf ehrenamtliche Vertreter repräsentiert, darunter zwei Vertreter der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV). Die KBV-Vertreter können wiederum bis zu drei Stellvertreter haben. Daraus ergibt sich die Möglichkeit, dass die KBV im G-BA-Beschlussgremium je nach Thema durch Hausärzte, Fachärzte oder Psychotherapeuten vertreten wird. Völlige Zufriedenheit gibt es trotz des Entgegenkommens der Großen Koalition nicht. Die Koalition hat an der Entscheidung, die Arbeit des G-BA durch eine sektorübergreifende Beschlusskammer zu straffen, festgehalten. Bislang trafen die G-BA-Mitglieder Entscheidungen in sektorspezifischen Ausschüssen, d.h. sofern Beschlüsse zu vertragsärztlichen Angelegenheiten anstanden, setzte sich das Gremium aus Vertretern der Vertragsärzte oder der Psychotherapeutenschaft zusammen. Künftig werden bei allen Entscheidungen die 13 Vertreter der verschiedenen Bänke sowie jeweils zwei Stellvertreter im Beschlussgremium (3 Unparteiische, 2 KBV-Vertreter, 2 Vertreter der Deutschen Krankhausgesellschaft (DKG), 5 von den Spitzenverbänden der Krankenkassen) sitzen – unabhängig davon, ob es um Krankenhausbehandlung oder psychotherapeutische Fragen gehen wird. Unter den Stellvertretern der KBV können je nach Thema aber auch Psychotherapeuten sein.

Schon im April 2007 werden viele Änderungen für gesetzlich Versicherte wirksam. Mitte kommenden Jahres soll dann die Organisationsreform der Gesetzlichen Krankenversicherung mit der Gründung eines neuen Spitzenverbandes für alle Krankenkassen beginnen. Anfang 2009 ist schließlich die Einführung des Gesundheitsfonds sowie der Beginn des Umbaus der Privaten Krankenversicherung vorgesehen. Anfang 2009 soll auch die Honorar-Reform der Ärzte beginnen.

Informationen zur Gesundheitsreform und zu den Änderungen des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes (GKV-WSG) im zeitlichen Überblick finden Sie unter www.die-gesundheitsreform.de


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