Das Psychotherapeutengesetz vom 16. Juni 19982 hat einen für viele Psychotherapeuten unhaltbaren Zustand beseitigt und eine bessere Situation geschaffen, die aber neue und andere Probleme mit sich brachte.
Mit dem Gesetz wurde eine Absicherung der beruflichen Stellung von Psychologischen Psychotherapeuten und von Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten erreicht, so dass diese nun nicht mehr, wie in den 20 Jahren vorher, die Krücke des Heilpraktikergesetzes nutzen müssen, um überhaupt als Psychotherapeuten selbstständig tätig sein zu dürfen.
Das Gesetz hat auch dazu beigetragen, dass die Definitionsmacht über Psychotherapie, über Standards und Inhalte von Ausbildungen und über Versorgungsfragen nicht mehr durch die Ärzteschaft und die teilweise wenig transparenten Strukturen der kassenärztlichen Versorgung monopolisiert wurde. Jetzt gibt es klar geregelte Strukturen von Gremien mit Vertretern aller psychotherapeutischen Berufe, die für die Definition von Psychotherapie, von Psychotherapie-Qualität, von Psychotherapie-Ausbildung und von Psychotherapie-Versorgung zuständig sind. Das sind der wissenschaftliche Beirat, der sich um die Ausbildung kümmert und der wie andere Beiräte von der Bundesregierung nach Vorschlägen entsprechender Verbände berufen wird, und das sind die Fachausschüsse der Kassenärztlichen Vereinigungen und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung sowie der Bundesausschuss Ärzte und Krankenkassen, die an der Gestaltung der Psychotherapie mitwirken. Sie werden auf Vorschlag der Verbände bzw. der Kammern paritätisch von ärztlichen und nichtärztlichen PsychotherapeutInnen besetzt.
Schließlich wurde die Ausbildung für Psychologische PsychotherapeutInnen und Kinder- und JugendlichenpsychotherapeutInnen mit dem Psychotherapeutengesetz standardisiert, einheitlich gesetzlich bzw. - durch die Ausbildungs- und Prüfungsverordnungen für die beiden Berufe - quasi-gesetzlich geregelt.
Als wichtige Vorbemerkung sei darauf hingewiesen, dass es in Deutschland nach den Vorgaben des Psychotherapeutengesetzes von 1998 nunmehr drei psychotherapeutisch tätige Berufsgruppen gibt: Ärztliche Psychotherapeuten, Psychologische Psychotherapeuten und Kinder-/Jugendlichenpsychotherapeuten. Das Psychotherapeutengesetz befasst sich unmittelbar nur mit den Ausbildungsregelungen für Psychologischen Psychotherapeuten und für Kinder-/Jugendlichenpsychotherapeuten. Die ärztlichen Weiterbildungen mit dem Abschluss Psychotherapie (die Zusatzbezeichnungen Psychotherapie und Psychoanalyse sowie die Gebietsbezeichnungen Arzt für psychotherapeutische Medizin und Arzt für Psychiatrie und Psychotherapie bzw. Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie) werden weiterhin in der Autonomie der Landesärztekammern geregelt. Diese ungleiche Regelungszuständigkeit ergibt sich aus den föderalen Strukturprinzipien der Verfassung der Bundesrepublik. Für Berufsausbildungen liegt die Zuständigkeit beim Bund, Weiterbildungen werden dagegen auf Landesebene geregelt, und sie sind bei "verkammerten" Berufen, wie den Ärzten, zumeist den Kammern übertragen worden.
Das Psychotherapeutengesetz, welches nach dem erklärten Willen des Gesetzgebers und aller beteiligten Interessengruppen - insbesondere der Psychotherapeutenverbände - endlich bundesweit gemeinsame Standards für heilkundlich tätige "nicht ärztliche" Psychotherapeuten schaffen sollte, war angesichts der Interessenvielfalt, die trotz der einheitlichen Zielsetzungen hinsichtlich der Umsetzung bestand, mit Aussicht auf Erfolg nur auf der Bundesebene erreichbar. Ein anderer Grund für die Notwendigkeit, ein Bundes-Psychotherapeutengesetz zu schaffen, lag in dem Dictum des damals verantwortlichen Bundesministers Seehofer, dass es ein Psychotherapeutengesetz nur geben solle, wenn gleichzeitig stabile Regelungen zur (begrenzten) Einbindung der betroffenen Berufe in die ambulante Krankenversorgung beschlossen werden3. Die dazu notwendige Änderung des Sozialgesetzbuches V war wiederum nur als Bundesgesetz realisierbar (der spätere Art. 2 des Psychotherapeutengesetzes). Diese Ausgangslage führte zwangsläufig zu dem (inhaltlich eigentlich kaum begründbaren) Kunstgriff, per gesetzlicher Definition aus der Psychotherapieweiterbildung für Psychologische Psychotherapeuten und Kinder-/Jugendlichenpsychotherapeuten eine "Zweit-")Ausbildung zu machen.
Das Psychotherapeutengesetz hat also keinen unmittelbaren Einfluss auf die ärztliche Psychotherapieweiterbildung, diese hätte nur im Rahmen von Landesgesetzen einbezogen werden können. Dennoch lassen sich indirekte Auswirkungen erwarten, und sie sind auch einzufordern (vgl. Kap. 5).
Der folgende Beitrag befasst sich in erster Linie mit den allgemeinen Ausbildungsvorgaben des Psychotherapeutengesetzes, die im Rahmen der Ausbildungs- und Prüfungsverordnungen durch das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) mit Zustimmung des Bundesrates differenziert wurden, und diskutiert sie vor dem Hintergrund der bisherigen Entwicklungen im Bereich der Psychotherapie und der denkbaren Perspektiven.
Die Psychotherapieaus- bzw. -weiterbildung4 in den Jahrzehnten vor dem Gesetz läßt sich - zurückhaltend ausgedrückt - als sehr heterogen kennzeichnen. Die Tatsache, dass die Berufsbezeichnung "Psychotherapeut" nicht gesetzlich geschützt war und dass dementsprechend auch keine einheitlichen Ausbildungsanforderungen verpflichtend definiert waren, begünstigte diese Vielfalt.
Wenn man zwei Ebenen unterscheidet, die schulen- oder verfahrensspezifische und die versorgungspolitische, dann läßt sich für die zuerst genannte festhalten, dass zertifizierte Weiterbildungen in den Therapieverfahren im wesentlichen durch die Vertreter der jeweiligen Verfahren definiert waren. Diese hatten jeweils ein selbstdefiniertes Monopol auf ihre Weiterbildung und legten in ihren Fachgesellschaften, denen häufig die Weiterbildungsgänge angegliedert waren, die Anforderungen an die Weiterbildung und den jeweiligen Weiterbildungsabschluss fest.
Hinsichtlich der Verhaltenstherapie war die Situation relativ übersichtlich: Hier gab es an "Komplettweiterbildungsträgern" im wesentlichen nur die Deutsche Gesellschaft für Verhaltenstherapie (DGVT), die eine traditionelle Weiterbildung nach dem sogenannten Baukastenmodell sowie seit den 90-er Jahren auch einen stärker strukturierten Weiterbildungstyp in Kooperation mit der FernUniversität Hagen anbot (Vogel, 1999a). Seit den 90-er Jahren existierten auch einige universitäre postgraduale Weiterbildungsgänge in Verhaltenstherapie (an den Universitäten Bochum, Bonn, Giessen und Frankfurt/Darmstadt/Mainz).
Ferner gab es Weiterbildungen in Gesprächspsychotherapie bei der Gesellschaft für wissenschaftliche Gesprächspsychotherapie (GwG), Weiterbildungen in Gestalttherapie, in Psychodrama, in Psychoanalyse und in verschiedenen anderen Verfahren. Der Abschluss bzw. das Zertifikat ist gelegentlich - wie bei der GwG - an die Mitgliedschaft in dem jeweiligen Verein gebunden. Die Ausbildungscurricula umfassen ca. 300 bis 600 Std. Theorie sowie in unterschiedlichem Ausmaß Praxiserfahrungen, Supervision und Selbsterfahrung. Die meisten dieser Weiterbildungsgänge existieren formal bis heute - einerseits, damit Weiterbildungen, die vor dem Gesetz begonnen wurden, abgeschlossen werden können, andererseits besteht zumeist ohne weiteres die Möglichkeit, neue Weiterbildungen zu beginnen. In beiden Fällen dürfte es jedoch nicht mehr zulässig sein zu reklamieren, dass es sich dabei um Ausbildungen zum Psychotherapeuten handelt 5 . Das Interesse an solchen Weiterbildungen hat, so ist zu vernehmen, deutlich bis drastisch nachgelassen, sofern die Träger nicht - wie zumeist im Bereich der Verhaltenstherapie erfolgt - Zulassungen nach dem Psychotherapeutengesetz erhalten haben.
Schließlich ist zu erwähnen, dass einige Psychologenverbände Ende der 70-er Jahre bei der Vorlage des damaligen Entwurfes für ein Psychotherapeutengesetz davon ausgingen, dass es eines solchen Gesetzes und einer damit verbunden psychotherapeutischen Zusatzausbildung für die Psychologen nicht bedürfe, weil die Ausbildung zum Diplompsychologen mit Schwerpunkt Klinische Psychologie bereits eine umfassende Psychotherapieausbildung beinhalte. Diese massiv vorgetragene Position, die damals u.a. zum Scheitern des Gesetzesvorhabens führte, bedeutete, dass viele DiplompsychologInnen nach dem Studium, ggf. mit einigen zusätzlichen Fortbildungen, hinreichend qualifiziert schienen, auch psychotherapeutisch zu arbeiten. Für die Psychologieabsolventen einiger Universitäten mag dies zum damaligen Zeitpunkt durchaus angemessen gewesen sein. Dementsprechend war es auch konsequent, dass der Berufsverband Deutscher Psychologen (BDP) seinen Mitgliedern gegen den Nachweis von einigen Jahren Berufstätigkeit und einer geringen Zahl von Fortbildungsstunden und Falldokumentationen das Zertifikat "Klinischer Psychologe/Psychotherapeut BDP" verliehen hat.
Für den Bereich der tiefenpsychologischen Psychotherapie, die im ärztlichen Weiterbildungsbereich definiert und nach dem Psychotherapeutengesetz nunmehr auch als anerkanntes Verfahren für Psychologische PsychotherapeutInnen und Kinder-/Jugendlichenpsychotherapie gilt, gab es eigentlich keine unmittelbaren Ausbildungen. Viele KollegInnen haben ihre Ausbildung in psychoanalytischen Instituten gemacht, in denen die Curricula sich aber zumeist an der sehr umfangreichen und kostspieligen Ausbildung in Psychoanalyse orientierten. Da die Ausübung von Psychotherapie aber nicht an einen formalen Abschluss gebunden war, haben viele Kollegen mit einer nicht vollständig abgeschlossenen Ausbildung in diesen Instituten sich dann als "tiefenpsychologisch fundiert arbeitende Psychotherapeuten" niedergelassen oder in Einrichtungen gearbeitet 6.
Auf der Versorgungsebene war die Entwicklung in den vergangenen 30 Jahren stärker strukturiert: Die Kassenärztliche Bundesvereinigung und die Spitzenverbände der gesetzlichen Krankenkassen sahen es Mitte der 70er Jahre als unumgänglich an, psychologische Verhaltenstherapeuten im Rahmen des Delegationsverfahrens an der Kassenärztlichen Versorgung zu beteiligen, weil anderenfalls der Sicherstellungsauftrag nicht mehr zu gewährleisten gewesen wäre. Vielleicht war auch die nachgewiesene Wirksamkeit der Verhaltenstherapie ein überzeugendes Argument für ihre Einbeziehung, man weiss es nicht. Da die Krankenkassen nach Standards für die notwendige Ausbildung in Verhaltenstherapie suchten, aber die Deutsche Gesellschaft für Verhaltenstherapie als damals einziger VT-Verband das Angebot ausgeschlagen hatte, die für die Zulassung notwendigen Ausbildungszertifikate zu gewährleisten, haben der Vertreter von KBV und GKV eigene Ausbildungsanforderungen für die Zulassung von psychologischen VerhaltenstherapeutInnen zum Delegationsverfahren entwickelt (für psychologische PsychoanalytikerInnen und psychoanalytische Kinder- und JugendlichenpsychotherapeutInnen, sog. PsychagogInnen, gab es solche Kriterien schon länger). Diese Kriterien wurden im Laufe der folgenden Jahrzehnte für viele PsychologInnen zu entscheidenden Vorgaben: Auf ihrer Grundlage entwickelten sich Ausbildungsinstitute, die mehr und mehr Zulauf erhielten, denn nach den sogenannten Psychotherapierichtlinien und -vereinbarungen bedeutete die Ausbildung in einem der sogenannten KBV-Institute die Gewähr zur Teilnahme am Delegationsverfahren. Ärgerlich war es dabei allein, dass die Anforderungen der Psychotherapierichtlinien, die seit ihrer ersten Formulierung mehrfach verschärft wurden, ausschließlich von Ärzten und Krankenkassenvertretern formuliert und abgestimmt wurden.
Angesicht des tatsächlich jedoch weiterhin ungedeckten Psychotherapiebedarfs und der Heterogenität des Feldes war es - trotz des nachhaltigen Einflusses der Psychotherapierichtlinien auf den Ausbildungsbereich - bis Ende der 90er Jahre möglich, auch ohne abgeschlossene Therapieausbildung oder mit anderen als den von der KBV anerkannten Ausbildungen als Psychotherapeut tätig zu sein - sowohl in Kliniken als auch im niedergelassenen Bereich (Vogel, 1996, 1999b). Im niedergelassenen Bereich erfolgte diese Mitwirkung zwar nicht innerhalb der Kassenärztlichen Versorgung, jedoch im sogenannten "Erstattungsverfahren", welches häufig ebenso gute Honorare und eine grössere Unabhängigkeit von Ärzten als im viel kritisierten Delegationsverfahren ermöglichte.
Eine wesentliche Voraussetzung für die mit dem Psychotherapeutengesetz angestrebte einheitliche Definition des Berufsbildes bestand in der Vorgabe einheitlicher Ausbildungsbedingungen für alle Berufsangehörigen. Dabei galt es, darauf Rücksicht zu nehmen, dass es im Bereich der Psychotherapie unterschiedliche Verfahren gab, die - wie erwähnt - teilweise abweichende Aus-/Weiterbildungsstandards hatten. Für die Psychoanalyse bzw. die tiefenpsychologische Psychotherapie existierte seit vielen Jahrzehnten zudem das Berufsbild des psychoanalytischen Kinder-/JugendlichenpsychotherapeutIn, der/des sogenannten PsychagogIn. Um mit dem Gesetz ein einheitliches Berufsbild zu schaffen, durften aber keine verfahrens- oder schulenspezifischen Abweichungen von den einheitlichen Vorgaben zugelassen werden. So entschied man sich im Laufe des Gesetzgebungsprozesses, zwei neue Berufe zu kreieren, den Psychologischen Psychotherapeuten und den Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten. Sie sollten hinsichtlich der formalen Ausbildungsanforderungen gleiche Bedingungen umfassen, sich jedoch bei den Inhalten der Ausbildung unterscheiden.
Während es die Kinder-/JugendlichenpsychotherapeutInnenausbildung bisher nur im Ausbildungsverfahren Psychoanalyse gab, sah das Gesetz nun vor, dass es für jedes zugelassene Ausbildungsverfahren auch Ausbildungen in Kinder-/Jugendlichenpsychotherapie geben durfte. Für den Bereich der Verhaltenstherapie wird es zukünftig - anders als früher - auch Kinder-/Jugendlichenpsychotherapeuten geben, die Patienten bis zum Alter von 21 Jahren ggf. unter Einbeziehung von Bezugspersonen behandeln dürfen. Dies wird sicher auch nachgefragt, weil hier neben den PsychologInnen auch pädagogische Grundberufe Zugang haben. Die Psychologischen PsychotherapeutInnen sollen in der Ausbildung die Kompetenz zur Behandlung von PatientInnen aller Altersgruppen erwerben, sie erhalten mit der Approbation auch eine entsprechende Berechtigung. Zugang haben hier allerdings nur DiplompsychologInnen, die das Fach Klinische Psychologie in der Abschlussprüfung hatten.
Nach § 8 Abs. 3 Ziffer 1 PsychThG müssen die Ausbildungen sich auf die Vermittlung eingehender Kenntnisse in wissenschaftlich anerkannten psychotherapeutischen Verfahren sowie auf die vertiefte Ausbildung in einem dieser Verfahren beziehen. Mit dem Gesetz wurden also keine Verfahren festgelegt, in denen die Ausbildung möglich sein soll, vielmehr wurde die sibyllinische Formulierung gewählt7 , dass die "Ausbildung nur in wissenschaftlich anerkannten Verfahren" erfolgen sollte. Dabei galten die Verfahren, die zum Zeitpunkt des Gesetzes nach den Psychotherapierichtlinien akzeptiert waren, also Psychoanalyse, tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie und Verhaltenstherapie, zunächst cum grano salis als wissenschaftlich anerkannt.
Ausbildungsstätten: Die Ausbildung muss in einer Einrichtung erfolgen, die über eine staatliche Zulassung verfügt. Diese Vorgabe soll dem Ausbildungsteilnehmer eine gewisse Sicherheit geben, dass die Ausbildung auf hohem fachlichen Niveau erfolgt und auch tatsächlich entsprechend der gesetzlichen Vorgaben durchgeführt werden kann. Um diese staatliche Zulassung zu erlangen, muss das Institut gegenüber der zuständigen Landesbehörde sehr detailliert nachweisen, dass es alle notwendigen Bestandteile der Ausbildung erfüllen kann: Das Vorhandensein von qualifizierten DozentInnen und SupervisorInnen, die differenzierte Beschreibung der vorgesehenen Ausbildungscurricula, Verträge mit kooperierenden Praxiseinrichtungen und Kliniken sowie die strukturellen, räumlichen und weiteren materiellen Voraussetzungen.
Die Grundstruktur der Ausbildungen sind in den sogenannten Ausbildungs- und Prüfungsverordnungen für Psychologische Psychotherapeuten bzw. für Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten (PsychTh-AprV bzw. KJPsychTh-AprV) festgeschrieben, die nach Verabschiedung des Psychotherapeutengesetzes vom Bundesgesundheitsministerium mit Zustimmung des Bundesrates 'verordnet' und am 18. Dezember 1998 im Bundesanzeiger veröffentlicht wurden (BGBl. I., S. 3749 ff). Beide Ausbildungen sind danach im wesentlichen gleich, unterscheiden sich allein in der Zielgruppe und dementsprechend auch in einigen Inhalten, die sich bei der Kinder-/JugendlichenpsychotherapeutInnenausbildung auf Kinder- und Jugendliche sowie deren Bezugspersonen konzentrieren.
Das Ausbildungsziel wird in § 1 Abs. 2 der Ausbildungs- und Prüfungsverordnungen beschrieben:
"Die Ausbildung hat den Ausbildungsteilnehmern insbesondere die Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten zu vermitteln, die erforderlich sind, um |
1. in Diagnostik, Therapie und Rehabilitation von Störungen mit Krankheitswert, bei denen Psychotherapie indiziert ist, und |
2. bei der Therapie psychischer Ursachen, Begleiterscheinungen und Folgen von körperlichen Erkrankungen unter Berücksichtigung der ärztlich erhobenen Befunde zum körperlichen Status und der sozialen Lage des Patienten auf den wissenschaftlichen, geistigen und ethischen Grundlagen der Psychotherapie eigenverantwortlich und selbständig handeln zu können." |
Bausteine der Ausbildung zum Psychologischen Psychotherapeuten resp. zum Kinder-/Jugendlichenpsychotherapeuten:
Die Ausbildung - die in drei oder fünf Jahren (sog. Vollzeit- vs. Teilzeitausbildung) zu absolvieren ist - umfasst insgesamt 4.200 Stunden, die sich auf die Bereiche praktische Tätigkeit (1.800 Std.), theoretische Ausbildung (600 Std.), praktische Ausbildung mit Krankenbehandlung unter Supervision (600 Std. Behandlung plus 150 Std. Supervision) sowie Selbsterfahrung (120 Std.) erstrecken. Die in dieser Aufzählung fehlenden 930 Std. werden in den Ausbildungs- und Prüfungsverordnungen nicht näher definiert. In den Curricula der meisten Ausbildungsinstitute werden sie als "freie Spitze" mit Arbeitsgruppenarbeit, Vor- und Nachbereitung der praktischen Tätigkeit, weiteren Fortbildungen und vor allem mit Selbststudium ausgefüllt. Nachfolgend werden die zentralen Ausbildungsbestandteile, wie sie in den Ausbildungs- und Prüfungsverordnungen für Psychologische Psychotherapeuten bzw. für Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten festgelegt sind, näher beschrieben (vgl. Behnsen & Bernhardt, 1998).
Praktische Tätigkeit: Psychologische Psychotherapeuten müssen (A) für die Dauer von mindestens einem Jahr in einer psychiatrischen klinischen Einrichtung8 tätig sein und (B) ein weiteres halbes Jahr in einer "von einem Sozialversicherungsträger anerkannten Einrichtung der psychotherapeutischen oder psychosomatischen Versorgung" oder in einer ärztlich psychotherapeutischen Praxis oder in der Praxis eines Psychologischen Psychotherapeuten. Bei der Ausbildung zum Kinder-/Jugendlichenpsychotherapeuten ist dieser Bereich entsprechend in Einrichtungen zu absolvieren, in denen Kinder- und Jugendliche psychiatrisch resp. psychotherapeutisch behandelt werden.
Theoretische Ausbildung: Die Inhalte der theoretischen Ausbildung umfassen Grundkenntnisse zu den wissenschaftlich anerkannten Verfahren und ihren Grundlagen , während die vertiefte Ausbildung sich auf eines der wissenschaftlich anerkannten Verfahren konzentrieren soll (Kasten 1). Da in der Vorgabe nur grob verschiedene Themen aufgezählt werden, bleibt den Ausbildungsinstituten ein gewisser Spielraum, der das Einbringen spezifischer Schwerpunkte entsprechend der Wertvorstellungen der Ausbildungsträger erlaubt (vgl. Kuhr, 2000; Borg-Laufs & Per, 1999). Die theoretische Ausbildung findet in Form von Vorlesungen, Seminaren und praktischen ÿbungen statt.
Praktische Ausbildung und Supervision: Die praktische Ausbildung umfasst 600 Behandlungsstunden unter Supervision mit mindestens sechs Patientenbehandlungen sowie mindestens 150 Stunden Supervision, von denen mindestens 50 Stunden als Einzelsupervision durchzuführen sind.
Selbsterfahrung: Die Selbsterfahrung erfolgt in dem Verfahren der vertieften Ausbildung, sie umfasst mindestens 120 Stunden.
Abschluss der Ausbildung: Die Ausbildung schließt mit einer staatlichen Prüfung ab. Bei der Anmeldung sind zwei Falldokumentationen über die in der Praktischen Ausbildung bearbeiteten Fälle vorzulegen. Der schriftliche Teil der Prüfung ist als Aufsichtsarbeit von 120 Min. Dauer durchzuführen. Der Prüfling hat dabei schriftlich gestellte Fragen, die sich insbesondere auf die in der Theoretischen Ausbildung vorgegebenen Grundkenntnisse über anerkannte psychotherapeutische Verfahren beziehen, zu beantworten. Die mündliche Prüfung (30 Min. Einzelprüfung, 120 Min. Gruppenprüfung bei 4 Teilnehmern) bezieht sich auf das Psychotherapieverfahren, das Gegenstand der vertieften Ausbildung war.
Kasten 1: Ausbildung zum/zur Psychologischen PsychotherapeutIn |
A. Grundkenntnisse (200 Stunden) 1. Entwicklungs-, sozial-, persönlichkeits- und neuropsychologische Grundlagen der Psychotherapie 2. Konzepte über die Entstehung, Aufrechterhaltung und den Verlauf psychischer und psychisch mitbedingter Erkrankungen verschiedener Altersgruppen 2.1 Allgemeine und spezielle Krankheitslehren von Störungen mit Krankheitswert, bei denen Psychotherapie indiziert ist, unter Berücksichtigung der wissenschaftlich anerkannten Verfahren 2.2 Psychosomatische Krankheitslehre 2.3 Psychiatrische Krankheitslehre 3. Methoden und Erkenntnisse der Psychotherapieforschung 4. Diagnostik und Differentialdiagnostik einschließlich Testverfahren zu Abgrenzung verschiedener Störungen mit Krankheitswert, bei denen Psychotherapie indiziert ist, psychosozial- und entwicklungsbedingter Krisen sowie körperlich begründbarer Störungen 5. Besondere entwicklungs- und geschlechtsspezifische Aspekte der Persönlichkeit, der Psychopathologie und der Methodik der Psychotherapie verschiedener Altersgruppen: Kinder, Erwachsene (mittleren Alters), Erwachsene (höheres Lebensalter) 6. Intra- und interpersonelle Aspekte psychischer und psychisch mitbedingter Störungen in Paarbeziehungen, Familien und Gruppen 8. Medizinische und pharmakologische Grundkenntnisse für Psychotherapeuten 9. Methoden und differentielle Indikationsstellung wissenschaftlich anerkannter psychotherapeutischer Verfahren 10. Dokumentation und Evaluation von psychotherapeutischen Behandlungsverläufen 11. Berufsethik und Berufsrecht, medizinische und psychosoziale Versorgungssysteme, Organisationsstrukturen des Arbeitsfeldes, Kooperation mit Ärzten und anderen Berufsgruppen 12. Geschichte der Psychotherapie |
B. Vertiefte Ausbildung (400 Stunden) 1. Theorie und Praxis der Diagnostik, insbesondere Anamnese, Indikationsstellung und Prognose, Fallkonzeptualisierung und Behandlungsplanung 2. Rahmenbedingungen der Psychotherapie, Behandlungssetting, Einleitung und Beendigung der Behandlung 3. Behandlungskonzepte und -techniken sowie deren Anwendung 4. Krisenintervention 5. Behandlungstechniken bei Kurz- und Langzeittherapie 6. Therapiemotivation des Patienten, Entscheidungsprozesse des Therapeuten, Therapeuten-Patienten-Beziehung im Psychotherapieprozeß 7. Einführung in Behandlungsverfahren bei Kindern und Jugendlichen 8. Behandlungsverfahren bei Paaren, Familien und Gruppen |
Gegenwärtig (Stand 9/2000) verfügen etwa 100 Institute bundesweit über eine staatliche Zulassung, davon über 50 im Bereich Verhaltenstherapie. Weitere Institute befinden sich noch in Gründung, über ihre Zulassungsanträge ist noch nicht entschieden9.
Bei ca. 30.000 approbierten Psychologischen PsychotherapeutInnen und Kinder-/JugendlichenpsychotherapeutInnen (Stand Mitte 2000; Deubert et al., 2000), und ca. 30 Berufsjahren pro TherapeutIn, läßt sich annehmen, dass pro Jahr 1.000 PsychotherapeutInnen aus dem Beruf scheiden werden. Nimmt man zudem - konservativ geschätzt - an, dass die Stellen bzw. Niederlassungsmöglichkeiten für PsychotherapeutInnen in den nächsten Jahren nicht ausgeweitet werden, dann ergibt sich ein Ausbildungsbedarf von ca. 1.000 TherapeutInnen. Geht man schließlich davon aus, dass jedes der zugelassenen Institute einen Ausbildungsgang mit ca. 15 Teilnehmern pro Jahr beginnt, dann gibt es bereits jetzt rein rechnerisch eine 50-prozentige Überkapazität in der PsychotherapeutInnenausbildung. Dieser Sachverhalte und vermutlich auch die teilweise beträchtlichen Kostenunterschiede zwischen den Ausbildungsinstituten erklären, dass bereits einige Institute - wie zu vernehmen ist - Nachwuchssorgen haben.
Hinzuweisen ist auch darauf, dass die Ausbildung in Psychotherapie teuer ist. Mit ca. 30.000 bis 40.000 DM ist für die drei- bis fünfjährige Ausbildung zu rechnen, ohne Fahrt- und ggf. Übernachtungskosten bei Ausbildungen, die nicht am Wohnort durchgeführt werden. Schließlich verlangt die Ausbildung ein 1- bis 1 ½-jähriges Praktikum, welches, so ist es zumindest zur Zeit zu befürchten, häufig nicht oder nur geringfügig bezahlt wird. Somit ist also der entsprechende Verdienstausfall in Rechnung zu stellen, denn Ausgaben für Miete und weitere Lebenshaltungskosten müssen trotzdem aufgebracht werden. Dies alles führt dazu, dass die Entscheidung für den Beginn einer Psychotherapieausbildung auch von finanziellen Überlegungen beeinflusst wird.
Deutlich erkennbar ist somit ein rapide schwindendes Interesse der Psychologiestudenten am Schwerpunkt Klinische Psychologie10 . Die Berufsaussichten werden in diesem Bereich allgemein als kritisch eingeschätzt. Die Klinischen Psychologen erwarten, dass sie von Psychotherapeuten verdrängt werden (z.B. in Kliniken und Beratungsstellen) und ohne eine zusätzliche, kostspielige Psychotherapieausbildung nur noch wenig Chancen am Arbeitsmarkt haben.
Dementsprechend zeigt sich bei einem Blick in die Stellenmärkte grosser Zeitungen, dass viele Stellen, die früher für DiplompsychologInnen mit klinischem Ausbildungsschwerpunkt annonciert wurden, inzwischen nur noch für Psychologische Psychotherapeutinnen zugänglich sind. Dies wiederum könnte einen Anreiz darstellen, sich trotz der Kosten der Ausbildung zu unterziehen.
Der wissenschaftliche Beirat Psychotherapie nach § 11 PsychThG hat inzwischen eine rege Aktivität entwickelt (1999a, b, 2000f). War er nach dem Gesetz in erster Linie dazu gedacht, von einzelnen Ländern in Zweifelsfragen hinsichtlich der wissenschaftlichen Qualifikation bestimmter Psychotherapieverfahren angerufen zu werden, um dann ein gezieltes Gutachten zu erstellen, so hat er selbst seine Aufgabe weiter definiert. Relativ rasch hat er nach seiner Berufung einen Satz von Kriterien entwickelt und publiziert, an die er sich bei der Beratung über die "wissenschaftliche Anerkennung" eines Verfahrens halten werde (Wissenschaftlicher Beirat, 2000a, e). Diese Kriterien, die insgesamt sehr eng an den Kriterien der sogenannten "evidence based medicine" ausgerichtet sind, verlangen einen Wirksamkeitsnachweis des jeweiligen Verfahrens bei mindestens fünf von zwölf definierten Krankheitsgruppen, oder bei vier der sogenannten "klassischen" acht Psychotherapie-relevanten Krankheitsgruppen. Inzwischen haben die Vertreter bzw. Verbände mehrerer Verfahren einen Antrag auf Prüfung der entsprechenden Voraussetzungen gestellt. Für die Systemische Psychotherapie wurde eine Anerkennung versagt (a.a.O., 2000b), für die Gesprächpsychotherapie hat der Beirat das Zutreffen des Wirksamkeitsbeleges für drei Krankheitsgruppen (a.a.O., 2000c), für die Neuropsychologie bei einer Krankheitsgruppe gesehen (2000d). In jedem Fall bedeutet dies, dass diese Verfahren nicht als "Hauptverfahren" im Rahmen der Ausbildung angesehen werden können, jedoch im Rahmen der Grundausbildung vermittelt werden müssen11.
Die Bewertung der Ergebnisse des Psychotherapeutengesetzes mag unterschiedlich ausfallen - je nach eigenen Grundannahmen und langfristigen Zielen. Ohne Frage hat das Gesetz eine Reglementierung in vielfacher Hinsicht gebracht und auch eine Art "Gleichschaltung" der verschiedenen Psychotherapierichtungen. Wenn man aber davon ausgeht, dass es auch ausserhalb der Medizin bzw. der Ärzteschaft wichtige Entwicklungen und Ansätze gibt, die in die psychotherapeutische Versorgung einzubeziehen sind, und wenn man gleichzeitig berücksichtigt, dass Heilkunde und damit auch Psychotherapie im deutschen Gesundheitswesen allein den Ärzten und den Heilpraktikern vorbehalten ist, dann gab es keine Alternative zu dem Weg einer gesetzlichen Regelung der "nicht-ärztlichen psychotherapeutischen" Berufe. Nach der vermutlich sinnvollen Vorgabe des damaligen Bundesgesundheitsministers Seehofer, den berufsrechtlichen Teil des Gesetzes (Art. 1) mit den sozialrechtlichen Teil (Art. 2) zu verknüpfen, und dem gleichzeitigen Bemühen, den Gesamtumfang der Psychotherapieausgaben der Krankenkassen nicht zu erweitern, ergab sich sodann eine implizite Logik, die zu relativ hohen Übergangsregelungen und auch zu hohen Anforderungen an den zukünftigen Ausbildungsberuf Psychologische/r PsychotherapeutIn bzw. Kinder-/JugendlichenpsychotherapeutIn führte.
Gesetze sind immer auch Kompromisse zwischen widerstreitenden Interessen. Die Vielfalt der Psychotherapeuten und der weiteren beteiligten Interessengruppen waren zu berücksichtigen, und so sind Regelungen in das Gesetz gekommen, die häufig genug nicht optimal, nicht rational begründbar, aber konsensfähig waren. Konsensfähig war es bei der Aushandlung des Gesetzes beispielsweise, dass die formalen Vorgaben des Gesetzes für die Ausbildung bei allen Psychotherapierichtungen gleich sein sollte. Jede Ausbildungseinrichtung sollte darüber hinaus verpflichtet werden, einen Grundbestandteil an Ausbildungsinhalten aller (zugelassenen) Therapierichtungen zu vermitteln. Damit ist zwar noch nicht die Möglichkeit zur einer modernen therapieschulenübergreifenden Ausbildung gegeben, aber immerhin eine Annäherung in den Ausbildungen, die aus wissenschaftlicher Perspektive wünschenswert ist.
Ob die detaillierte gesetzliche Regelung der Ausbildungsbedingungen für die Psychotherapeuten ein Fortschritt ist, darüber lässt sich diskutieren. Einerseits bedeutet diese Entwicklung eine Einschränkung von Fachverbänden und -gesellschaften in ihrer Freiheit, die Ausbildung nach eigenen Vorgaben zu definieren. Andererseits kann man zurück fragen, ob denn die bisherigen Regeln und ihre Vielfalt tatsächlich sachgerecht waren. Viele Ausbildungsbestandteile von Psychotherapieverfahren lassen sich rational kaum rechtfertigen und in ihrer Entwicklung allenfalls historisch erklären (Lehranalyse, Eigentherapie). Auch wird man zugestehen müssen, dass die staatliche Festlegung des Ausbildungsrahmens der Preis für das von vielen Beteiligten gewünschte einheitliche Berufsbild der Psychotherapeuten und ihre offizielle Integration in das Gesundheitsversorgungssystem darstellt.
Die gesetzliche Regelung der Ausbildungsvorgaben lassen sich ebenfalls als Fortschritt gegenüber einem Zustand ansehen, der zuvor mehr oder weniger anarchisch wirkte oder der im Rahmen der Psychotherapierichtlinien von den Ärzten festgelegt wurde. Die vorgegebenen Inhalte und der Umfang der Ausbildung zum Psychotherapeuten lassen sich durchaus kritisch diskutieren, hier sind manche alte Hüte traditioneller Psychotherapieausbildungen mitgeschleppt worden. Verwunderlich und keinesfalls fachlich begründet ist es beispielsweise, dass es anders als bei den früheren Ausbildungsvorgaben der Psychotherapierichtlinien nunmehr nicht möglich sein soll, theoretische Ausbildungsstunden aus dem Studium anzurechnen. Weiterhin ist es problematisch, dass die Ausbildung nicht öffentlich organisiert ist, sondern überwiegend privat in Instituten erfolgt, während die Anbindung dieser Ausbildungsstätten an öffentliche Einrichtungen nur relativ vorsichtig vorgeschrieben ist.
Der Psychotherapie-Ausbildungsmarkt wird sich - soviel ist absehbar - vor dem aufgezeigten Hintergrund vorerst auf die wenigen zugelassenen Methoden verengen. Ausbildungen beispielsweise in Gesprächspsychotherapie und Gestalttherapie, in Psychodrama und anderen Methoden als Erstverfahren dürften kaum noch Interessenten finden, weil eine Approbation damit (vorerst) nicht erreichbar ist. In welchem Umfang approbierte Psychotherapeutinnen, die bereits ca. 30 bis 40 Tausend DM in ihre Psychotherapie-Ausbildung investiert haben, noch bereit sind, Komplettausbildungen in diesem Bereich zu absolvieren, dürfte fraglich sein. Wahrscheinlicher wird es sein, dass diese Verfahren sich im Bereich der Weiterbildung oder Fortbildung und möglicherweise auch verstärkt bei anderen Berufsgruppen stärker etablieren.
Man kann die Einschätzung haben, dass PsychotherapeutInnen in vielen Institutionen, wo sie jetzt noch nicht vorhanden sind, gebraucht werden, wie z.B. in Krankenhäusern, und dass ihr Bedarf im niedergelassenen Bereich und in Einrichtungen, wo sie jetzt schon tätig sind, viel grösser ist als gegenwärtig gegeben - dies würde den Ausbildungsbedarf wieder erhöhen. Jedoch: Trotz überzeugender Hinweise auf die hohe Prävalenz psychischer Störungen in der Bevölkerung (Deutsche Gesellschaft für Psychologie, 2000) erscheint es zum gegenwärtigen Zeitpunkt unrealistisch, dass solche Perspektiven mittelfristig umgesetzt werden.
Während sich die mit dem Gesetz festgelegte Gleichberechtigung der Psychologischen PsychotherapeutInnen und der Kinder-/JugendlichenpsychotherapeutInnen mit der ärztlichen PsychotherapeutInnen als wünschenswerter Fortschritt beschreiben läßt, so ist es bedauerlich, dass an einer Annäherung zwischen den Aus- bzw. Weiterbildungen der drei Berufe bislang nicht gearbeitet wird12, und dass diese von Seiten der Ärzte vermutlich auch kaum gewünscht wird.
Merkwürdig wirkt die vom Gesetzgeber vorgenommene Unterscheidung zwischen Vollzeit- und Teilzeitweiterbildung, die sich in den Ausbildungs- und Prüfungsverordnungen jedoch bereits nicht mehr wiederfindet. Sie lässt sich nur als Analogon zu ärztlichen Weiterbildungen, wie sie sich auch in den Psychotherapierichtlinien fand, verstehen, ist aber durch die übrigen Vorgaben der Ausbildungs- und Prüfungsverordnungen, die den Tages- und Jahresablauf der AusbildungsteilnehmerInnen bis in Detail regeln, kaum noch relevant bzw. nicht umsetzbar.
Schwer begründbar sind auch die gegenwärtigen Kriterien für den Zugang zu den beiden Berufen Psychologischer Psychotherapeut und Kinder-/Jugendlichenpsychotherapeut. Während die Ausbildung zum Psychologischen Psychotherapeuten nur Diplompsychologen mit Studienschwerpunkt Klinische Psychologie vorbehalten ist, darf die Ausbildung zum Kinder-/Jugendlichenpsychotherapeuten auch von verschiedenen Pädagogischen Berufen begonnen werden. Während dies also offensichtlich eine Reduzierung der Anforderungen hinsichtlich des Grundberufes bedeutet, müssen DiplompsychologInnen trotzdem den Studienschwerpunkt Klinische Psychologie aufweisen, wenn sie die Ausbildung zum Kinder-/Jugendlichenpsychotherapeuten beginnen wollen13.
Wünschenswert ist es für die Zukunft, dass im Jahr 2 nach dem Gesetz ein ernsthaftes Nachdenken über Ausbildungsregelungen des Gesetzes erfolgt und manche undurchführbaren oder problematischen Details geändert und verbessert werden. Beispielsweise fragt man sich, wozu Ausbildungsinhalte vermittelt werden sollen, die im Rahmen des Studiums der Klinischen Psychologie Schwerpunkt sind, das - zumindest für die Psychologischen PsychotherapeutInnen - vorausgesetzt wird. Die vorgeschriebenen Zeiten der praktischen Tätigkeit in der Psychiatrie als kostenlose Pflichtzeiten sind in ihrem Umfang nur schwer begründbar. Auch bedürften die Umfänge von "kostenträchtiger" Selbsterfahrung und Supervision einer Straffung. Schliesslich sollte es den Ausbildungsinstituten noch stärker als im Rahmen der gegenwärtigen Ausbildungs- und Prüfungsverordnungen ermöglicht werden, eine moderne wissenschaftliche Psychotherapie unter Einbeziehung verschiedener Verfahren zu vermitteln.
Heiner Vogel, Dipl.-Psych.,
Arbeitsschwerpunkte: Psychotherapieforschung, Qualitätssicherung, Verhaltensmedizin, Versorgungsstruktur, Rehabilitation.
Anschrift:
Institut für Psychotherapie und Medizinische Psychologie der Universität Würzburg,
Klinikstraße 3,
97070 Würzburg,
eMail: h.vogel(at)mail.uni-wuerzburg(dot)de