Zu diesem Zweck wird hier ein Modell vorgestellt, welches sich auf Prüfung (Begutachtung) von Stichproben der Psychotherapieanträge konzentriert. Die Begutachtung bei den ausgewählten Therapieanträgen könnte sorgfältiger erfolgen als bisher und beispielsweise durch Patientenbefragungen ergänzt werden, während bei den übrigen Anträgen eine basale Routinedokumentation mit der Definition von Auffälligkeitswerten erfolgen sollte. Ergänzend wird auf das vom Deutschen Psychotherapeutenverband vorgestellte Modell hingewiesen, welches ein Treuhänder gestütztes Modell der begleitenden Selbstevaluation umfasst (DPTV, 2001). Den Verantwortlichen für die Qualitätssicherung in der ambulanten Psychotherapie, d.h. den Krankenkassen und Kassenärztlichen Vereinigungen) wird empfohlen, vergleichende Modellerprobungen zu konzipieren und umzusetzen.
Das Antrags- und Gutachterverfahren wurde mit der Einführung der ambulanten Psychotherapie in die kassenärztliche Versorgung etabliert. Es macht die Kostenübernahme der Psychotherapie davon abhängig, dass ein entsprechender Antrag positiv begutachtet wurde: Dieses Verfahren, welches in seinen Grundzügen bis heute unverändert angewandt wird, wird häufig als frühes Verfahren der Qualitätssicherung in der ambulanten Versorgung beschrieben, ist es doch darauf gerichtet, nur fachlich gerechtfertigte Psychotherapien bei entsprechend bedürftigen Patienten nach einem qualifizierten Behandlungsplan durchführen zu lassen. Das Verfahren ist auch bei Privatkrankenkassen und Beihilfestellen im Gebrauch (vgl. Merod & Vogel, 2002).
Die externe Kontrolle des Zugangs zu ambulanten Leistungen ist im deutschen Gesundheitswesen bis heute nur für den Bereich der Psychotherapie und in ähnlicher Form auch für aufwendige kieferorthopädische Leistungen üblich. Das Antrags- und Gutachterverfahren soll im folgenden Beitrag näher dargestellt und kritisch diskutiert werden. Schließlich werden Überlegungen zur Weiterentwicklung des Verfahrens angestellt.
Die Einführung der Psychotherapie als kassenärztliche Leistung im Jahr 1967 erfolgte unter vielen Vorbehalten. Zwar bestand die Einschätzung, dass Psychotherapie eine wirksame Behandlungsmaßnahme sein könne, jedoch ging man davon aus, dass sich die Notwendigkeit für eine psychotherapeutische Behandlung nicht so klar objektivieren lasse wie bei anderen Leistungen im kassenärztlichen Versorgungssystem. Das einzige zum damaligen Zeitpunkt anerkannte Psychotherapieverfahren war die Psychoanalyse bzw. die tiefenpsychologisch fundierte Langzeitpsychotherapie, die - wenn sie erst einmal begonnen wurde - erhebliche Kosten verursachte. Um der möglichen Kritik an der Indikationsstellung vorzubeugen, wurde bereits mit der Einführung der Psychotherapie als kassenärztliche Leistung festgelegt, dass jede längere Psychotherapie vor Beginn beantragt und von dafür qualifizierten Fachkollegen auf ihre Notwendigkeit hin geprüft werden sollte.
Es gab noch einige andere Gründe für die Einführung des Gutachterverfahren, die je nach Kontext dargestellt werden: Bei der Zulassung der Psychotherapie und der Bestimmung eines Kreises von dafür berechtigten Leistungserbringern (Ärzte mit Zusatztitel Psychotherapie oder Psychoanalyse) hatten die Väter des Verfahrens Zweifel, ob alle zukünftigen Leistungserbringer auch tatsächlich fachlich in der Lage sein würden, qualifizierte Psychotherapie zu erbringen. Anschaulich schildert dies Enke (1996), einer der "Mitbegründer" des Verfahrens: "In den 70er Jahren bestand das Gutachterverfahren eine erste Bewährungsprobe als Qualitätssicherungs-Instrument recht gut: In Zusammenhang mit der Abrechnungsbindung an die zuvor definierten ärztlichen Zusatzbezeichnungen "Psychotherapie" und "Psychoanalyse" hatte es sehr weitreichende Übergangsbestimmungen (zur "Besitzstandswahrung") für langjährig Niedergelassene, speziell Psychiater (vielfach ohne qualifizierte psychotherapeutische Aus- und Weiterbildung) gegeben. Das Gutachtervefahren war imstande, Spreu vom Weizen zu trennen: Unqualifizierte Anträge wurden kontinuierlich seltener."
Ein weiteres Argument wird speziell in den letzten Jahren bei dem zunehmendem Punktwertverfall wieder wichtig: Die vorherige Genehmigung der Leistung sollte den Psychotherapeuten vor einem nachträglichen Regress der Kassenärztlichen Vereinigung schützen. Im System der Kassenärztlichen Vereinigung stehen bis heute alle Ärzte, die deutlich mehr Leistungen als der Durchschnitt ihrer Fachgruppe erbringen, unter dem Generalverdacht, unwirtschaftlich zu handeln. Sie müssen die Mehrleistungen gegenüber einem Prüfgremium der Kassenärztlichen Vereinigung rechtfertigen, und ihnen werden - je nach Prüfergebnis - die Honorare für die Mehrleistungen teilweise oder ggf. ganz gestrichen. Mit der vorherigen Genehmigung der Psychotherapie durch die Krankenkasse ist somit die Sicherheit gegeben, dass eine Wirtschaftlichkeitsprüfung resp. ein Regress nicht stattfindet, und es wird - wegen der Zeitbindung der Leistung - auch ein angemessenes Honorar zugesichert (vgl. auch Schneider-Reinsch, 2000).
Das Antrags- und Gutachterverfahren diente von seinem Grundgedanken her u.a. dem Ziel, die Notwendigkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit der geplanten psychotherapeutischen Maßnahme darzulegen. Diese drei Kriterien müssen nach § 12 SGB V für alle Behandlungen in der kassenärztlichen Versorgung erfüllt sein. Konkret sollten drei Kriterien überprüft werden (vgl. Faber et al., 1999, S. 66f):
Die dabei eingesetzte Methode ist "der einzelfallbezogene klinische Bericht, der in einem Peer-Review-Verfahren geprüft wird" (Kursivstellen im Original, Scheidt et al., 2000). Formal betrachtet stellt der Patient bei der Krankenkasse einen Antrag auf Psychotherapie, der durch eine ausführliche Stellungnahme des Therapeuten ergänzt bzw. begründet wird. Diese Begründung wird sodann von einem von der Krankenkasse beauftragten Gutachter geprüft.
Das Verfahren selbst ist durch die sogenannten Psychotherapierichtlinien des Bundesausschusses Ärzte und Krankenkassen sowie die Psychotherapievereinbarungen zwischen den Krankenkassenspitzenverbänden und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung im Detail festgelegt (letzte Fassung vom 11.12.1998; vgl. Behnsen & Bernhardt, 1999, S. 165-182).
"Der Gutachter hat sich dazu zu äußern, ob die in diesen Richtlinien genannten Voraussetzungen erfüllt sind" (Psychotherapie-Richtlinien, F.III.1, a.a.O., S. 178). In ähnlicher Weise sind auch Verlängerungsanträge gutachter- bzw. genehmigungspflichtig. Hier hat der Therapeut insbesondere Verlauf und Ergebnis der bisherigen Behandlung darzustellen und eine begründete Prognose in Bezug auf die beantragte Verlängerung zu stellen.
Zur weiteren Beschreibung des Gutachterverfahrens vgl. auch die vorliegende Literatur, die jeweils verschiedene Facetten dieser Verfahrensweise genauer beleuchtet (z.B. Faber et al., 1999; Keil-Kuri, 1999; Linden & Dankesreiter, 1996; Merod & Vogel, 2002; Neher, 2000; Schröder & Glücksmann, 1995, Weigeldt, 2000).
Das Antrags- und Gutachterverfahren war bei den niedergelassenen Psychotherapeuten nie sehr beliebt, denn "Geprüft wird mit dem Antrag aber nur die Formulierungsfähigkeit des Therapeuten sowie seine Anpassungsfähigkeit an gegebene Kriterien. Auf die Güte der sich daran anschließenden Behandlung lassen sich daraus nicht unbedingt Rückschlüsse ziehen" (Langlotz-Weis & Koppenhöfer-Lorenzen, 1992). Auch die Erhebungen von Köhlke (2000) zeigen, dass das Verfahren bei den befragten 640 niedergelassenen Psychotherapeuten außerordentlich unbeliebt ist und dass ihnen die Zweckmäßigkeit des Verfahrens nicht einleuchtet. Die Kritik richtet sich insbesondere auf die Frage, ob das Verfahren tatsächlich in der Lage ist, die angestrebten Ziele zu erreichen und dabei übliche Gütekriterien zu erfüllen. Auch wird bezweifelt, ob es wirklich der Qualitätssicherung dient.
Die Gutachterstatistiken der Kassenärztlichen Bundesvereinigung liefern deutliche Hinweise, dass das Verfahren nur eine äußerst geringe Objektivität besitzt. Im Jahr 1999 haben die Gutachter beispielsweise für den VT-Bereich bei 5,0% aller Anträge eine Ablehnung ausgesprochen, dabei lag die Varianz zwischen 1,0% und 17,0%. Im Jahr 2000 wurden durchschnittlich 4,0% aller Anträge abgelehnt bei einer Varianz zwischen 1,0% und 7,0%. Auch ohne Prüfung der Interraterreliabilität lässt die erhebliche Varianz der Ablehnungsquoten bereits darauf schließen, dass die Güte des Prüfverfahrens nur begrenzt sein kann. Dabei ließe sich eine Verbesserung der Objektivität und Interraterreliabilität durchaus herstellen: Die systematische Schulung von Peers, wie sie beispielsweise in der externen Qualitätssicherung der Rehabilitation durchgeführt wird (Hochrheininstitut et al., 1997; vgl. auch Castorr et al., 1990), erbringt zumindest eine mäßige Übereinstimmung zwischen den Gutachtern. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Begutachtungen durch Vorstrukturierung des Begutachtungsprozesses mittels Checklisten und Anleitungen unterstützt werden. Ein erster bemerkenswerter Schritt in diese Richtung wird für das Gutachterverfahren gegenwärtig in Selbstorganisation der psychoanalytischen Gutachter in der DGPT (Deutschen Gesellschaft für Psychoanalyse, Psychotherapie, Psychosomatik und Tiefenpsychologie) unternommen (Rudolf & Jakobsen, 2001).
Ließe sich für das Gutachterverfahren Objektivität und Reliabilität herstellen, so bliebe immer noch die Frage nach der Validität. Das Gutachterverfahren impliziert, dass die schriftliche Antragsbegründung des Therapeuten eine hinreichende Grundlage bietet, um über das Vorliegen der definierten Prüfkriterien zu entscheiden. Die Beurteilung des Gutachters führt aber nicht auf Originaldaten der Patienten, sondern auf Berichten der Therapeuten über Patienten und hier liegt ein Kernproblem des gesamten Verfahrens. Es ist anzunehmen, dass die Therapeuten, die einen Therapieantrag begründen, bereits das Vorliegen einer Krankheit und die Indikationsstellung aus ihrer Sicht positiv entschieden haben. Da der Antrag nun bereits eine Zusammenfassung der Problematik darstellt (ein wichtiges Prinzip des Antragsgestaltung: Kürze!), werden sie diese Zusammenfassung so schreiben, dass die Kriterien für Krankheit im Sinne des SGB V deutlich werden. Insofern wird bei der Begutachtung also nicht in erster Linie über das Vorliegen einer Krankheit geurteilt, sondern über das Darstellungsgeschick des Therapeuten bzw. über seine Kenntnis der Begutachtungskriterien und seine Kompetenz, die Darstellung daran auszurichten. Das Verfahren ist somit kaum geeignet, als der beabsichtigte Kontrollfilter zu fungieren.
Weiterhin wird mit dem Konzept der Begutachtung impliziert, dass es einen Konsens darüber gibt, was geeignete Therapie bei bestimmten Indikationen/Konstellationen ist. Die Frage der Differenzialindikation muss von den Gutachtern jedoch bisher ausgeklammert werden, weil jedes Therapieverfahren "die uneingeschränkte Kompetenz für alle Indikationsbereiche" für sich beansprucht (Faber et al., 1999, S. 25).
Wenn das Verfahren darüber hinaus nachhaltige Effekte in Richtig Qualitätssicherung oder Qualitätsmanagement für die laufenden Psychotherapien entfalten will, so lässt sich dies nur schwer begründen. Das Gutachterverfahren ist in seiner jetzigen Funktion zwar geeignet, einen von mehreren Aspekten der Strukturqualität zu hinterfragen, nicht jedoch die Prozessqualität oder gar die Ergebnisqualität. Das Ergebnis guter Psychotherapie hängt aber wesentlich von der Qualität des Behandlungsprozesses bzw. der Passung der Interventionen mit der therapeutischen Herausforderung ab. Moderne Qualitätssicherung in der ambulanten Psychotherapie muss die Patientenperspektive einbeziehen und prozessnahe Rückmeldeschleifen ermöglichen, und sie sollte auf standardisierte Instrumente zurückgreifen (Herzog & Stein, 2000).
Insgesamt zeigt sich, dass das Gutachterverfahren vielleicht geeignet ist, eine pädagogische Funktion zu erfüllen sowie auch die Abschreckungsfunktion bzw. die Motivierung zur Selbstselektion. Die eigentlich primäre Funktion, der Selektion (un)geeigneter Psychotherapiepatienten und die Prüfung der Passung des Behandlungsplans zum Patienten, kann das Verfahren jedoch nur höchst unzureichend leisten.
Der grundlegenden Kritik am gegenwärtigen Gutachterverfahren und die erheblichen Kosten - für alle Beteiligten (Köhlke, 1998, 2000) - steht gleichzeitig die begründete Forderung der Krankenkassen nach einem effektiven Verfahren zur externen Qualitätssicherung gegenüber. In dieser Konstellation ist darüber nachzudenken, wie ein Verfahren aussehen kann, das in wirksamer Form interne Qualitätssicherung stützt und anregt, aber dennoch auch gewisse externe Kontrollmöglichkeiten erlaubt (vgl. Vogel & Laireiter, 1998).
Zunächst wurde vielfach gezeigt, dass der Aufwand für die Prüfung und die beantragte Leistung in keinem sachgerechten Verhältnis steht (zumindest für die Bereiche VT und TP; vgl. Köhlke, 2001). Gleichzeitig ist zu bedenken, dass bei den meisten entwickelten Qualitätssicherungsprozeduren für Routineprozesse (und darum geht es bei Therapieanträgen) nur Stichproben geprüft und keine Vollerhebung gemacht wird. Dies spricht dafür, nur eine begrenzte Auswahl der Anträge sorgfältig prüfen zu lassen.
Bei der "Masse" der Anträge dagegen erscheint es sinnvoll und ausreichend, wenn ein - wie auch immer gestaltetes - einfaches Antrags- oder Mitteilungsverfahren läuft, dessen Ablauf von Seiten der Kasse nur grob auf die Einhaltung bestimmter, noch näher zu definierender Rahmenparameter hin geprüft wird. Erst wenn hier eine Auffälligkeit der Therapie deutlich wird (z.B. übertriebene Therapielänge bei gegebener Diagnose), sollte ein nachträgliche Begutachtung erfolgen, was einer sequenziellen Prüfstrategie nach Amelang und Zielinski (XX, S. 362) entspricht (siehe Abbildung 1). Ein in dieser Form vereinfachter Regelablauf würde auf Seiten der Therapeuten eine (überprüfbare) Selbstverpflichtung voraussetzen, an kollegialer Supervision mitzuwirken und ein Routinemonitoring der Therapie durchzuführen und zu dokumentieren (Eingangsdiagnostik, Verlaufsdiagnostik, Abschlussdiagnostik, einschl. ggf. Katamnese; vgl. z.B. Braun, 1998; Fydrich et al., 1996; Grawe & Baltensberger, 1998; Heuft & Senf, 1996, u.a.).
Während im "Routinefall" das externe Prüfverfahren drastisch vereinfacht wird, sollte die fallbezogene Prüfung, wenn sie dem Fall überhaupt gerecht werden will, sachgerecht erweitert werden. Hier ist auch die Patientensicht in angemessener Weise einzubeziehen. Folgendes Verfahren ist denkbar: nach dem Zufallsprinzip würde von allen angemeldeten Therapien ein noch festzulegender Prozentsatz herausgesucht, der der Qualitätskontrolle unterliegen würde. Die betroffenen Therapeuten, gleichgültig ob Novizen oder erfahrene Kollegen, müssten dann die Eingangsdaten liefern und zwar ergänzt durch objektive und subjektive Daten (psychodiagnostische Testergebnisse, die individuellen Therapieziele der Patienten usw.).
Danach müsste der/die Therapeut/in in regelmäßigen Abständen, z.B. alle 10 Sitzungen, die Stundenbeurteilungsbögen (evtl. sowohl die Bögen der Patienten, wie auch die Bögen des Therapeuten) an den Gutachter zusenden. Dies könnte eine substanzielle Grundlage bieten, um den Therapieprozess zu begutachten und prozessbezogene Rückmeldungen an den Therapeuten zu geben. Am Ende der Therapie würden dann die zu diesem Zeitpunkt erhobenen Abschluss-Testdaten, die Einschätzung der Zielerreichung durch die Patienten usw. eingereicht. Ergänzend zu diesen Daten könnte eine schriftliche Katamnese nach einem halben Jahr erfolgen, die auch vorgelegt werden müsste (vgl. Abbildung 2). Hierdurch würde nicht erst am Ende der Therapie bzw. am Ende eines langen Therapieabschnittes, eine Überwachung erfolgen, sondern der Prozess würde transparent, und es ergäben sich bereits frühzeitig Möglichkeiten zu intervenieren und dadurch Fehlentwicklungen zu verhindern.
Denkbar wäre es, ein regionalisiertes Gutachter-System einzuführen oder eine Beteiligung des regionalen MDK (Medizinischer Dienst der Krankenkassen). Auf diese Weise könnte ein persönlicher Austausch zwischen Therapeuten und Gutachter/Supervisor und damit eine weitere Validierung der berichteten Sachverhalte geleistet werden. Auch wäre zu überlegen, die prozessbegleitende Begutachtung in die Hände eines Treuhändersystems zu legen, bei dem der Kasse gegenüber nur die Teilnahme dokumentiert wird.
Es stellt sich an dieser Stelle natürlich auch die Frage nach Konsequenzen bzw. Sanktionsmöglichkeiten für den Fall, dass Rückmeldungen des Gutachters auf eine qualitativ schlechtere Therapie nicht durch entsprechend veränderte Interventionen ihren Niederschlag in der Therapie finden. Zunächst wäre daran zu denken, in diesen Fällen den Anteil der zu prüfenden Therapien zu erhöhen. Ob weitere Konsequenzen zweckmäßig sind, oder eher zu negativen reaktiven Effekten führen (im Sinne einer Belastung laufender Therapien), wäre sehr vorsichtig zu prüfen.
Eine andere Variante für ein modifiziertes Antrags- und Gutachterverfahren wird vom Deutschen Psychotherapeutenverband (2001) vorgestellt. Das vorgeschlagene Modell sieht die verpflichtende regelmäßige Mitwirkung der teilnehmenden Therapeuten an Qualitätszirkeln sowie das regelmäßige Begleitmonitoring aller Patienten vor. Die Daten des Monitorings werden von einem (von Krankenkassen unabhängigen) Qualitätssicherungsinstitut zeitnah ausgewertet und den Therapeuten zurückgemeldet. Die Therapeuten erhalten die Daten über eigene Patienten gemeinsam mit Vergleichskennwerten anderer Therapeuten bzw. vergleichbarer Fälle. Bei "auffälliger Befunddokumentation" ist der Therapeut verpflichtet, den Fall entweder im Qualitätszirkel zu diskutieren oder einem Gutachter vorzustellen. Therapieanträge, Umwandlungs- und Verlängerungsanträge sind bei den am Modell teilnehmenden Therapeuten wesentlich vereinfacht, müssen jedoch auf einer positiven Stellungnahme des QS-Instituts zum individuellen Behandlungsbedarf beruhen.
Jedes System der Qualitätssicherung bedarf selbst der kritischen Überprüfung und muss sich der Frage stellen, ob es seine Ziele erreicht. Im Fall des Antrags- und Gutachterverfahren sind Zweifel an der Zweckmäßigkeit ohne Frage sehr berechtigt. Vor diesem Hintergrund erscheint es mehr als wunderlich, dass die Verantwortlichen für dieses Qualitätssicherungsinstrument, die Vertreter von Krankenkassen und Kassenärztlichen Vereinigungen, seit mehr als 30 Jahren keine Initiative zeigten, ein alternatives Verfahren zu entwickeln und vergleichend zu prüfen.
Das vorgestellte Modell soll - ähnlich wie das Konzept des DPTV - dazu dienen, Alternativen zu entwickeln, auszuarbeiten und in einer Modellphase systematisch undim Vergleich mit dem bestehenden System zu evaluieren.
Ein in der einen oder anderen Form verändertes Konzept des Antrags- und Gutachterverfahren wird zunächst kaum Kosten für das Verfahren sparen, aber es könnte besser in der Lage sein, tatsächliche Behandlungsqualität in den Bereichen Prozess und Ergebnis zu erfassen.Wenn es zusätzlich noch geeignet ist, Impulse für die interne Qualitätssicherung zu liefern, wird es auch eine bessere Akzeptanz der Therapeuten bewirken. Ein modifiziertes Konzept der externen Qualitätskontrolle könnte indirekt jedoch durchaus auch Kosten sparen, nämlich über die Möglichkeit, Therapien effektiver zu gestalten. Die ambulante Psychotherapieversorgung könnte damit auch effizienter d.h. wirtschaftlicher werden, da durch sorgfältige Selbst- und Begleitkontrolle Fehlentwicklungen, d.h. kostenintensive Therapiestunden, die eher schaden als nutzen, vermieden werden. Auf diese Weise könnten sicherlich auch manche Zweit-, Dritt- usw. Therapien bei einem Störungsbild eines Patienten vermieden werden.
Insgesamt sollte nach und nach ein System des prozessbegleitenden "Controlling" entstehen, das sich in einigen wichtigen Punkten vom bisherigen Verständnis von Kontrolle unterscheidet: Kontrolle ist vergangenheitsorientiert, mit ihrer Hilfe sollen Fehler festgestellt werden und ihre Aufgabe ist es oftmals "Schuldige" zu suchen. Im Gegensatz dazu ist Controlling zukunftsorientiert, soll planen, steuern, überwachen und helfen. Inhaltlich sollte im Rahmen des Controlling gefragt werden: "Was wird bisher auf welche Art gemacht und kann es evtl. gar besser und effektiver gemacht werden?" Dieses Controlling sollte dann alle Ebenen dieses Prozesses umfassen. Das gesamte Verfahren fordert damit gleichzeitig auch effektive Maßnahmen der internen Qualitätssicherung, die im gegenwärtigen System immer wieder vermisst werden. Die stärkere Einbeziehung der Patienten verhindert gleichzeitig, dass das Problem "Qualitätssicherung" allzu sehr in seiner Komplexität reduziert wird. "Qualitätssicherung" verstanden als Qualitätsmanagement bezieht sich eben nicht nur auf rein messbare Leistungen, sondern bemüht sich, die psychologisch-psychotherapeutischen Ziele im Blick zu behalten. Das Controlling bietet die Möglichkeit, die Erfahrung und das Wissen der Fachleute, der Gutachter wie der Therapeuten, verstärkt zu nutzen und dazu beizutragen, dass beide Seiten sich aktiv an der Diskussion und der Weiterentwicklung des gesamten Systems beteiligen.
Die Akzeptanz von Verfahren der Qualitätssicherung setzt voraus, dass sie von den Beteiligten als sinnvoll angesehen werden und dass sie nicht zu unnötigem Mehrarbeit führen. Dieser Punkt ist auch bei der vorgeschlagenen Modifikation des Antrags- und Gutachterverfahrens zu bedenken. Das gegenwärtige Verfahren wird von den meisten Therapeuten, wenn man den Erhebungen von Köhlke (2000) folgt, als wenig sinnvoll angesehen, so dass eine modifizierte und zielorientierte Ausgestaltung durchaus als wünschenswert erscheinen dürfte. Dies umso mehr, wenn es erreicht wird, das Verfahren so zu organisieren, dass in der Summe weniger Verwaltungs- und Schreibaufwand für die Therapeuten resultiert.
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Dipl.-Psych. Dr. Heiner Vogel
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