Nachdem ein erster Konsens gefunden worden war, wurde sowohl die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns (KVB) als auch Kassenvertreter mit in die Diskussion einbezogen. Dabei ging es von Anfang an darum, die Kassen dazu zu bringen, dieses Projekt mit zu finanzieren, von daher war es wichtig auch die KV von diesem Projekt zu überzeugen. In die Studie werden nur Erwachsene aufgenommen.
Die Ziele des Projektes sind sehr hoch gesteckt. Sie lauten: "Ziel des Projektes QS-Psy-Bay ist es, den Therapieverlauf durch QS-Maßnahmen zu erfassen und durch ein Rückmeldesystem zu optimieren, um die Ergebnisqualität und die Wirtschaftlichkeit der psychotherapeutischen Leistungen zu verbessern". Diesen Zielen dienen auch andere QS-Projekte (z.B. Projekt der Techniker Kranken Kasse oder der DGVT-Ausbildungszentren (Merod, 2005)) und es ist interessant, zu sehen, wie die bayerische Variante sich diesem Ziel nähert, wo Unterschiede und wo Gemeinsamkeiten zu finden sind.
Das QS-Psy-Bay-Projekt hat in einer Machbarkeitsstudie gezeigt, dass es in den Praxen umsetzbar ist, wenngleich nur wenige therapeutische Praxen und Patienten an dieser Machbarkeitsstudie beteiligt waren. In der nun anstehenden Pilotphase sollen insgesamt ca. 200 Praxen aus den verschiedenen Therapieschulen mit einbezogen werden, um zu testen, ob sich dieses System im Routineablauf einer Praxis bewähren wird.
Welche Maßnahmen sind geplant, um das oben genannte Ziel zu erreichen?
Mittels dieser Maßnahmen soll unter anderem eine Objektivierung des Patientenzustandes und des Therapieverlaufs erreicht werden sowie eine Anregung zur Therapieoptimierung.
Dieses Projekt beschreibt neben den Zielen explizit auch "Nichtziele". "Nichtziele" sind:
Das Studiendesign dieses Projektes bzw. der Pilotphase umfasst eine QS-Gruppe und drei Kontrollgruppen, damit das Ergebnis der QS-Gruppe vergleichbar gemacht werden kann.
Die QS-Gruppe besteht aus einer Zufallsstichprobe (Anzahl N=100) die aus der Menge der teilnahmebereiten PsychotherapeutInnen gezogen wird. Und soll alle drei Therapieformen umfassen. Die teilnehmenden TherapeutInnnen sollen alle ihre Patienten in die Studie einbringen, um eine systematische Verzerrung zu verhindern
Die Kontrollgruppe 1 dient als primäre Kontrollgruppe zum Vergleich der Ergebnisqualität mit der QS-Gruppe. Durch die erhobenen Daten können sowohl Längs- als auch Querschnittsanalysen mit der QS-Gruppe durchgeführt werden. Die Querschnittsanalyse soll die Frage beantworten, ob ein Psychotherapeut mit QS besser ist als ohne QS. Die Längsschnittanalyse soll zeigen, ob die Verbesserungsrate der Patienten mit QS-?Maßnahmen höher ist. In dieser Gruppe werden nur die Patienten am Anfang und am Ende der Therapie dokumentiert (soziodemokraphische Daten) .
Die Kontrollgruppe 2 soll als Referenz für die Bestimmung der Qualität bei einer Querschnittsanalyse dienen. Es soll gezeigt werden, dass ein/e TherapeutIn, die am QS-Projekt teilnimmt bessere Ergebnisse zeigt als TherapeutInnen, die nicht daran teilnehmen. Kontrollgruppe 2 besteht aus nicht teilnehmenden aber zwecks Vergleichbarkeit teilnahmeberechtigter Psychotherapeuten. Die Daten werden aus den Beständen der KVB in jährlichem Abstand erhoben und für die Jahresberichte verfügbar gemacht.
Die Kontrollgruppe 3 wurde definiert um den Einfluss von QS Maßnahmen zu analysieren. Weiterhin soll jedoch der Nachweis der Strukturgleichheit von KG1 und der QS-Gruppe erbracht werden, um zu zeigen, dass die beiden Gruppen strukturell vergleichbar sind. Weiterhin soll sich auch ein eventueller systematischer Unterschied zwischen teilnahmebereiten und nicht-teilnahmebereiten Psychotherapeuten aufzeigen, wenn KG2 und KG 3 verglichen Werden.
Das bald in die Pilotphase gehende bayerische Projekt hat wie sich aus der obigen Skizze ablesen lässt Vorteile und Probleme. Nach guter alter VT Tradition möchte ich mit den Vorteilen beginnen:
Es handelt sich um ein Projekt, dass von niedergelassenen Psychotherapeuten entwickelt worden ist, die ihr Wissen auch um die alltäglichen Abläufe in einer Praxis mit in dieses Projekt eingebracht haben. Fast von Anfang an war die KV mit einbezogen, so dass von dieser Seite aus Unterstützung gegeben war. Auch eine finanzielle Unterstützung war auf diese Weise möglich Art; die Machbarkeitsstudie wäre ansonsten gar nicht durchführbar gewesen. Weiterhin wurden die Ersatzkassen ebenfalls mit einbezogen. Das ist aus berufspolitischen Gründen ein sehr wichtiger Punkt, da die Kassen sich bereit erklärt haben, diese Form der QS zu finanzieren. Dies ist ein erster Schritt in die richtige Richtung, denn es ist berufspolitisch nicht akzeptabel, dass immer weiter Forderungen an PsychotherapeutInnen gestellt werden, ohne dass diese finanziell abgegolten werden.
Die Probleme sind auch durch den Versuch, alle Therapieschulen unter einen Hut zu bringen, zu verstehen. So war es schwierig, Fragebögen zu finden, die sowohl von tiefenpsychologisch/analytischen TherapeutInnen als auch von VTlern akzeptiert werden konnten. Die Fragebögen aus der Machbarkeitsstudie wurden nochmals deutlich abgespeckt, da in der Machbarkeitsstudie noch 4 (!) Persönlichkeitsfragebögen durch die TherapeutInnen ausgefüllt werden mussten. Diese wurden jetzt völlig gestrichen.
Positiv ist zu bewerten, dass die Patienten einbezogen werden - dies erfolgt durch die Bearbeitung verschiedener Fragebögen, die die Veränderung im Verlauf der Therapie dokumentieren sollen (HAQ, IIP, BSI, PPB). Es fehlt allerdings eine Erfassung der Ziele z. B. mittels GAS (Goal Attainment Scaling), da die Zufriedenheit mit dem Therapieergebnis auch davon abhängig ist. Obwohl der GAS kein metrisches Verfahren ist, wird er heute als subjektives Maß der Ziele der Patienten als wichtig eingeschätzt. Es hat sich in den Studien der letzten Jahre als sehr wichtig erwiesen, nicht nur die Einschätzung der Therapeuten (z.B. mit dem BSS) zu erheben, sondern auch die Einschätzungen der Patienten selbst. Gerade in Punkto der Einschätzung "Zufriedenheit mit der Therapie" unterscheiden sich Patienten und Therapeuten doch häufig recht deutlich (Lutz, 1998).
Die skizzierte Studie ist sehr "Therapeuten-lastig", denn der Verlauf der Therapie wird nicht aus der subjektiven Sicht der Patienten erfasst. Diese hat sich aber ebenfalls als sehr wichtige Ebene bei der Erfassung des Therapieprozesses und seiner Qualität erwiesen. Die Gruppe um Klaus Grawe (Grawe & Braun, 1994, Grawe & Baltesberger, 1998) hat hier gut Vorarbeit geleistet, Erhebungsbögen erstellt und in den letzten Jahren evaluiert.
Störungsspezifische Messmittel sind nicht vorgesehen, der BSI als alleiniges Mittel zur Erfassung der Symptome ist sicherlich nicht ausreichend. Die QS-Maßnahmen in den DGVT Ausbildungsinstituten erscheinen von daher weitaus umfangreicher, ohne viel mehr Zeit in Anspruch zu nehmen. Gleichzeitig tragen sie der Tatsache Rechnung, dass TherapeutInnen die Erfolge ihrer Therapien schlechter erfassen als dies die Patienten selbst tun (Lutz, 1998).
Abschließend ist festzuhalten, dass es sich bei der QS-Psy-Bay um den Versuch handelt, ein von ambulanten Psychotherapeuten selbst umgesetztes QS-Verfahren zu erproben. Durch die unter dem Stichwort "Nichtziel" aufgelisteten Punkte wird versucht, die Akzeptanz dieses Modells zu erhöhen, hier vor allem dadurch, dass es als non-punitives Vorgehen definiert ist. Gleichzeitig sind damit aber auch die wichtigsten Probleme umgangen worden: Es soll zwar gezeigt werden, was die einzelnen Therapeuten tun und das dieses Tun sinnvoll ist, ohne auf Unterschiede zwischen einzelnen TherapeutInnen einzugehen. Ein wichtiger Grundsatz von QS wird damit aber unterlaufen werden: QS ist immer ein "Ist-Soll" Vergleich. Da kein Soll- Wert definiert worden ist, kann es also nur einen "Ist-Ist" Vergleich geben. Dies ist sicherlich kritisch zu hinterfragen, denn damit wird nur der aktuelle Stand aufgezeigt. Ein andere Vorgehensweise würde natürlich Ängste schüren und eine gänzlich andere Diskussion in Gang bringen. Gleichzeitig würde damit dieses Projekt möglicherweise verhindert.
Ein weiterer problematischer Punkt ist unter den "Nichtzielen" zu erwähnen: der, dass das Gutachterverfahren nicht abgeschafft werden soll. Auch hierüber sollte ein Nachdenken möglich sein, da viele niedergelassene KollegInnen dieses Verfahren sehr kritisch sehen.
Wichtig erscheint mir aber auch festzuhalten, dass die Ersatzkassen dieses Projekt finanzieren wollen. Damit geben sie zu ersten Male zu erkennen, dass sie auch bereit sich für QS Maßnahmen die Kosten mit zu übernehmen und diese nicht allein den TherapeutInnen aufzubürden.
Grawe, K. & Braun, U. 1994, Qualitätskontrolle in der Psychotherapiepraxis. Zeitschrift für klinische Psychtherapie, 23, 242-267
Grawe, K. & Baltesberger, C., 1998, Figurationsanalyse - Ein Konzet und Computerprogramm für die Prozess- und Ergebnisevaluation in der Therapiepraxis, In: A.R Laireiter & H. Vogel, (Hrsg.) Qualitätssicherung in der Psychotherapie und psychosozialen Versorgung (S. 179-208) Tübingen: dgvt-Verlag
Lutz, W., 1998, Evaluation eines Qualitätssicherungsprogrammes in der Psychotherapie, Regensburg: Roederer Verlag
Merod, R. 2005, Messung der Prozess- und Ergebnisqualität in der Therapie von Kinder und Jugendlichen in den Ambulanzen der DGVT-Ausbildungszentren, VPP 37,(4); S. 807- 818