Ausgangspunkt sind die Vorgaben der Satzung, die in § 2 formuliert (Fassung von 1981 - bis heute unverändert gültig1 Während die Punkte (a) und (b) bis heute Aktualität aufweisen, muß für den Punkt (c) festgestellt werden, daß hier eine traditionelle Position markiert ist, die inzwischen in Teilen relativiert werden sollte. Die für die MV 2001 vorgesehene grundlegende Satzungsreform wird diesen Punkt sicher mit Blick auf die produktive Koexistenz der genannten (weiterhin wünschenswerten) Einrichtungstypen mit privaten Trägern und niedergelassenen Therapeuten neu fassen.
Die DGVT setzt sich für die Verwirklichung einer psychosozialen und psychotherapeutischen Versorgung ein, die den Interessen und Rechten der Bevölkerung entspricht. Grundlage für diese Arbeit ist ein sozialwissenschaftliches Krankheitsmodell, das soziale Bedingungen psychischer Störungen betont. Daraus folgt
a) Im Vordergrund der Bemühungen stehen Maßnahmen präventiver Art, die auf die Veränderung krankmachender Umweltbedingungen abzielen;
b) Therapie und Rehabilitation verfolgen die Ziele: Einsicht vermitteln in die Bedingungen psychischer Störungen, Befähigung zur Teilnahme am Lebens- und Arbeitsprozess, Befähigung zur aktiven Veränderung der Umweltbedingungen.
c) Versorgungsaufgaben dieser Art sollten von multiprofessionellen Teams in integrierten gemeindenahen Einrichtungen öffentlicher Träger erfüllt werden."
Diese Satzungsvorgabe war für die Verband immer wieder Auftrag, um aktuelle gesundheitspolitische Entwicklungen zu verfolgen und dazu differenziert Stellung zu nehmen sowie um eigene Positionen entsprechend den Gegebenheiten weiterzuentwickeln (vgl. hierzu die bislang letzte Fassung des gesundheitspolitischen Programms der DGVT vom Herbst 97, abgedruckt in VPP 3/97, S. 434 - 443).
In den 70er Jahren hat die DGVT sich bereits führend an den Gesprächen zu dem damaligen Entwurf eines Psychotherapeutengesetz beteiligt. Aus dieser Zeit rührt die enge Nähe zu gewerkschaftlichen Positionen her.
In den 80er Jahren ergab sich vor dem Hintergrund der laufenden Diskussionen zur Psychiatriereform die enge Verbindung der sogenannten "Plattformverbände" (mit der Deutschen Gesellschaft für soziale Psychiatrie/DGSP und der Gesellschaft für wissenschaftliche Gesprächspsychotherapie/GwG). In dieser Zeit entstanden eine gemeinsame Denkschrift dieser Verbände und es wurden unter maßgeblicher Mitarbeit der DGVT die sozial- und gemeindepsychiatrischen Konzepte entwickelt (vgl. VPP 4/95, S. 639-643).
In den 90er Jahren lassen sich die DGVT-Initiativen mit mindestens fünf Schlagworten kennzeichnen. Zunächst die Aktivitäten der DGVT-AG Frauen in der psychosozialen Versorgung, die die geschlechtsspezifische Perspektive in die psychosoziale Versorgung gebracht und die gesetzliche Strafbewehrung zum Thema Missbrauch in der Psychotherapie maßgeblich vorangetrieben hat. Dann hat die DGVT sich mit gesundheitspolitischen Erfahrungen des Gesundheitswesens der früheren DDR befaßt und versucht, positive und zukunftsfähige Aspekte herauszuarbeiten (Interdisziplinarität, präventive sowie gemeindenahe Orientierung und rehabilitative Ansätze; vgl. VPP 1/93, S. 131-133, sowie Bericht einer Fachtagung im DGVT-Verlag, 1993). Die Aktivitäten der DGVT-AG gegen Rassismus und Antisemitismus haben schließlich die besondere Bedeutung interkultureller Orientierung und entsprechender Ansätze in der psychosozialen Versorgung herausgearbeitet. 1995 bildete sich die Gesellschaft für gemeindepsychologische Forschung und Praxis (GGFP), mit der die DGVT eng verbunden ist.
Im Rahmen der Arbeiten zur Vorbereitung des Psychotherapeutengesetzes hat die DGVT, oft genug auf einsamem Posten, die Interessen der angestellten Psychotherapeuten eingebracht und die Einordnung ambulanter Psychotherapie in die übrigen Bereiche der psychosozialen Versorgung thematisiert. Ferner richteten sich die DGVT-Bemühungen auf die Sicherung der Wissenschaftlichkeit der Psychotherapie und der Hochschulnähe der Psychotherapeuten-Ausbildungen. Gegenwärtig bietet die DGVT die Möglichkeit der Ausbildung zum/r Psychologischen PsychotherapeutIn und zum/zur Kinder- und JugendlichenpsychotherapeutIn, die den Anforderungen des Psychotherapeutengesetzes (PsychThG) und der Ausbildungs- und Prüfungsordnung (APrV-PsychThG) entspricht.
Zusätzlich zu den ausgewiesenen Feldern der Gesundheitspolitik und der Psychotherapie entwickelte sich der große Bereich der psychosozialen Beratung zu einem weiteren theoretischen und praktischen ausbildungs- und fachpolitischen Schwerpunkt des Verbandes. Neben dem gemeinsam mit der FernUniversität Hagen angebotenen Weiterbildungsstudium BERATUNG, arbeitet das vom Vorstand ins Leben gerufene "FORUM BERATUNG" kontinuierlich an einer innerverbandlichen Verankerung sowie einer verbandsübergreifenden theoretischen Konturierung und berufspolitischen Identitätsentwicklung dieses wichtigen Tätigkeitfeldes. Das FORUM BERATUNG befasst sich bisher und in nächster Zukunft sowohl mit theoretischen und methodischen Alternativen zu einem bisher in Deutschland vornehmlich klinisch-therapeutisch abgeleiteten Beratungsmodell und sucht hier interdisziplinäre Schnittflächen. Die Entwicklung einer eigenständigen institutionellen und professionellen Beratungsidentität jenseits der Psychotherapie und des PsychThG, die nicht klinisch tätigen Kollegen und Kolleginnen eine neue "Heimat" bieten kann, steht hier im Zentrum.
Zusammenfassend läßt sich festhalten, daß die Deutsche Gesellschaft für Verhaltenstherapie entsprechend ihrem Satzungsauftrag eine Reihe grundlegender Vorstellungen zur psychosozialen und allgemeinen gesundheitlichen Versorgung entwickelt hat, die in wesentlichen Teilen weiterhin aktuell sind. Sie lassen sich - als Patchwork - mit folgenden Stichworten überblicksartig kennzeichnen:
Dabei ist es der DGVT eine besondere Verpflichtung, die Interessen und Positionen der angestellten/verbeamteten PsychotherapeutInnen einschließlich Kinder-/JugendlichenpsychotherapeutInnen zu vertreten. Dies nicht zuletzt deshalb, weil in den aktuellen berufspolitischen Diskussionen immer wieder die Gefahr aufscheint, daß die Interessen der niedergelassenen KollegInnen in Teilen zu Lasten der Ihrer angestellten/beamteten KollegInnen vertreten werden (=> gewerkschaftliche Orientierung). In gleicher Weise wird die DGVT die Interessen der Kinder-/Jugendlichenverhaltenstherapeuten vertreten, die sich innerhalb des Verbandes inzwischen auch als Arbeitsgruppe organisiert haben.
Die zentrale Berücksichtigung geschlechtsspezifischer und interkultureller Ansätze fand bereits ihren Niederschlag in den von der Mitgliederversammlung 1995 verabschiedeten ethischen Grundsätzen der DGVT und in vielen weiteren Initiativen. Sie wird auf jeden Fall fortgeführt werden.
Deutsche Gesellschaft für Verhaltenstherapie (1993). Strukturen der Gesundheitsversorgung in den neuen Bundesländern. Meinungen, Hintergründe, Perspektiven. Tübingen, DGVT-Verlag.
Deutsche Gesellschaft für Verhaltenstherapie (1995). Ethische Rahmenrichtlinien der DGVT und Kommentare. Verabschiedet auf der Mitgliederversammlung am 10.3.1995. Tübingen. Broschüre.
Deutsche Gesellschaft für Verhaltenstherapie (1997). Überlegungen zur Qualitätssicherung in der Psychotherapie. Verhaltenstherapie und psychosoziale Praxis, 29 (1), 87-97.
DGVT-Vorstand (1999). Rechtsstellung von Psychologischen psychotherapeut/inn/en und Kinder-/Jugendlichenpsychotherapeut/inn/en gegenüber Ärzten/Ärztinnen in klinischen Einrichtungen. Verhaltenstherapie und psychosoziale Praxis, 31 (4), 653-655.
DGVT (1999). Projekt Patientenorientierte Bedarfsermittlung in der ambulanten psychotherapeutischen Versorgung. Stellungnahme zum vorliegenden Abschlußbericht. Verhaltenstherapie und psychosoziale Praxis, 31 (4), 679-686.
Vogel, H., Borg-Laufs, M. & Wagner, R.F. (1999). Von der Richtlinienpsychotherapie zur wissenschaftlichen Psychotherapie - eine Chance für die ambulante Versorgung in Deutschland?! Ein Diskussionspapier zur Weiterentwicklung und Revision der sogenannten Psychotherapierichtlinien. Verhaltenstherapie und psychosoziale Praxis, 31 (1), 145-150.