Am 23. und 24. November 2007 fand die zweite Delegiertenversammlung der Ostdeutschen Psychotherapeuten Kammer (OPK) statt.
Ihr ging eine Pressekonferenz des Vorstands voraus. Dort wurde auf die starke Unterschätzung der Relevanz psychischer Erkrankungen aufmerksam gemacht. Es wurde gezeigt, dass diese Fehleinschätzung mit den Eigenarten unseres medizinischen Versorgungssystems zusammenhängt. Mit der Überweisung zur Psychotherapie erhalten Patienten oft wenig Information zu den Fragen ihrer Behandlung, hier solle künftig u.a. auch die Homepage der OPK aufklären und weiterhelfen. Zudem wünsche man sich mehr Synergie-Effekte im bisher stark sektorisierten Gesundheitssystem. Zum Problem der sehr langen Wartezeiten in manchen Regionen wurde Kritik an der starren Bedarfsplanung und am unflexiblen Bewilligungssystem geäußert.
Mit Zahlenmaterial wurde belegt, dass in den neuen Ländern ein erheblich knapperes ambulantes Psychotherapie-Angebot besteht. Für 16,2% der Gesamtbevölkerung stehen nur 6,33% der Psychotherapeuten zur Verfügung. So kommen in den alten Bundesländern 3.850 Einwohner auf jeden niedergelassenen Psychotherapeuten, in den neuen Bundesländern hingegen 10.922 Personen. In Widerspruch dazu steht, dass die offiziellen Versorgungsgrade zwischen 97% (Sachsen-Anhalt) und 118% (Mecklenburg-Vorpommern) liegen, auch wenn es in Chemnitz, Halle, Gera und Cottbus und einigen ländlichen Bezirken noch freie KV-Sitze gebe. Am Beispiel des Aufmerksamkeitsdefizitsyndroms (ADHS) wurde gezeigt, wozu die reale Unterversorgung in den neuen Bundesländer führt: lange Wartezeiten und unnötig hoher Medikamentenverbrauch.
Dem Bericht des Vorstands (Präsidentin Fr. Mrazek und Vizepräsident Hr. Rosendahl) war u.a. zu entnehmen, dass die (jeden Mittwoch zwischen 11 und 13 Uhr stattfindende) Vorstands-Telefonsprechstunde von den Mitgliedern gut genutzt wird. Für 2008 seien Veranstaltungen in den einzelnen Ländern zur Mitgliederinformierung geplant. Als ein weiteres Vorhaben wurde ein 'Osteuropa-Symposium' angedacht, um wertvolle europäische Kontakte zu vertiefen und z. B. interessante Entwicklungen in Polen aufgreifen zu können.
Es folgte ein Vortrag Dr. Hannövers (Uni Greifswald), der Vorschläge für die Planung einer versorgungsepidemiologischen Studie im Auftrag der OPK präsentierte. Unter anderem wegen den (für eine Kammer) hohen Kosten wurde zunächst weitere Beratung durch einen Forschungsausschuss beschlossen. Er soll die diesbezüglichen Vorarbeiten des KJP-Ausschusses weiterführen. Dieser hatte einen Text zu „Besonderheiten in der Berufsausübung von KJPs“ verfasst, den unser Abgesandter für das Psychotherapeuten-Journal, Prof. Hoyer, gerne veröffentlichen würde.
Der neue Geschäftsführer (Herr Jacknau) teilte den aktuellen Stand von 1.860 Mitgliedern mit, aber wies auch auf die mehreren 100 „Schläfer“ (inaktiven Mitgliedern) hin. Diese zu aktiven, d.h. auch zahlenden Mitgliedern zu machen sei eine der Geschäftsstellen-Aufgaben in der nächsten Zeit. Aus einem Datenblatt zur OPK ging hervor, dass circa 2/3 ihrer zahlenden Mitglieder Niedergelassene sind. Die frisch eingerichtete und besetzte Geschäftsstelle befindet sich in der Karl-Rothe-Straße 4, 04105 Leipzig Tel. 0341/462432-0.
Ausgaben ungewisser Höhe kommen auf die OPK im Zusammenhang mit der Einführung des Heilberufeausweises (HBA) frühestens Ende 2008 zu. Zumindest Niedergelassene werden später für die Anschaffung eines Lesegerätes weitere Kosten selbst tragen müssen. Vor der Geschäftsstelle liegt als Aufgabe des Weiteren die individuelle Bescheinigung bzw. Zertifizierung von Fortbildungspunkteständen.
Vom Delegierten Hr. Pabel wurde eine Verbesserung des Internet-Auftritts (http://www.ihre-opk.de) empfohlen. Der Vorstand sieht die Mängel, hat aber leider vertragliche Probleme mit dem bisherigen Betreuer noch zu lösen.
Mit Angestelltenbelangen betraut im Vorstand ist Herr Peikert. Er berichtete von der Unterstützung zweier Angestellten-Tarifvertragsverhandlungen.
Als in vielen Ländern unterschiedlich erwiesen sich Kooperationen zur psychotherapeutischen Notfallversorgung. Leider würde oft nur Bereitschaft geweckt, aber kaum Geld für adäquate Versorgungsstrukturmaßnahmen bereitgestellt.
Zwei Vorträge von Experten beschäftigten sich mit der wichtigen Frage eines Versorgungswerkes. Herr Farkas empfahl die Gründung eines eigenständigen, hatte aber nicht bedacht, dass unsere angestellten Mitglieder nicht mehr aus der Gesetzlichen Rentenversicherung aussteigen dürfen, was die Zahl der künftigen Versorgungswerk-Mitglieder selbst in weiter Zukunft auf ca. 1.000 beschränkt. Herr Jung von der AG berufsständischer Versorgungswerke betonte, dass auch kleine Versorgungswerke sich rechnen, wenn man die Verwaltung auslagert. Die Delegierten wurden davon überzeugt, dass Gründung oder Beitritt zu einem Versorgungswerk zumindest für unseren Kammer-Nachwuchs wohl nutzbringend sein werde. Für Neumitglieder unter einem bestimmten Alter würde dann Pflichtmitgliedschaft im Versorgungswerk bestehen. Um eine verantwortliche Entscheidung fällen zu können, wurde die Einstellung von 25.000 Euro in den Haushaltsplan 2008 für ein diesbezügliches finanzmathematisches Gutachten beschlossen.
Der Haushaltsplan des Finanzausschusses wurde nach Diskussion und leichter Abänderung verabschiedet. Laut der OPK-Hauptsatzung muss jährlich eine Festsetzung der Kammermitgliedsbeiträge durch die Delegiertenversammlung erfolgen. Die große Mehrheit war für eine Beibehaltung der bisherigen Kammermitgliedsbeiträge. Als Argument dafür wurde z. B. mangelnde Planungssicherheit auf der Ausgabenseite angeführt, zumal es ja erst der zweite Haushaltsentwurf der Kammer sei. Für das nächste Geschäftsjahr versprach die Präsidentin (und Versammlungsleiterin) mehr Zeit für die Diskussion der Beitragshöhen in der Kammerversammlung.
Die Entschädigungsordnung wurde geändert, so dass künftig die Abrechnung der für die Kammer erbrachten Arbeitszeit in halbstündigen Schritten erfolgen kann. Es lagen Vorschläge vor, die Kosten einer Bahncard anteilig zu erstatten. In der Diskussion zeigte sich allerdings, dass diese Vorschläge noch zu unausgegoren waren, um eine diesbezügliche Änderung der Entschädigungsordnung zu rechtfertigen.
Nach Diskussion des Berufsordnungs-Entwurfes des Satzungsausschusses stimmten die Delegierten einigen Änderungsvorschlägen des Vorstandes zu. Dadurch ergeben sich für die OPK bedeutende Abweichungen von der BPTK-Musterberufsordnung. So wurde die einjährige Abstinenzpflicht bezüglich Aufnahme privater Beziehungen zu PatientInnen nach Therapieende gestrichen. Der Aufklärungspflicht-Paragraf wurde so abgeändert, dass er keine ‚Pflicht’ mehr enthält, sondern stattdessen eine weniger verbindliche ‚Soll’–Formulierung. Mit knapper Mehrheit wurde abgelehnt, die Mitteilung der Diagnose in diesen Paragrafen aufzunehmen. Wichtig zu wissen: Praxisgemeinschaften mit Heilpraktikern sind nach der OPK-Berufsordnung nicht mehr erlaubt. Die Paragrafen zu PsychotherapeutInnen als Forscher, Gutachter und Ausbilder wurden u. a. aufgrund vieler offener Fragen fürs erste gestrichen.
Am Ende eines langen Tages wurde nach recht kurzer Diskussion die Musterweiterbildungsordnung der BPTK mit unwesentlichen Modifikationen für die OPK übernommen. Damit ist die Neuropsychologie die vorerst einzige anerkannte Weiterbildung für Psychotherapeuten in den neuen Ländern. Mit der Annahme einer Schlichtungsordnung nach dem Muster der Hamburger Psychotherapeutenkammer war das geballte Programm dann erfolgreich bewältigt.
Friedemann Belz, Anne Fallis, Jürgen Friedrich, Silke Langen, Wolfgang Pilz