1. Bisherige Erfahrungen mit den Regelungen des PsychThG und der Aus-gestaltung der Zulassungsvoraussetzungen zur Ausbildung zum PP bzw. KJP
Zu den bisherigen Erfahrungen mit der Ausbildungsneugestaltung im Psychotherapiebereich durch das PsychThG liegen mittlerweile mehrere Publikationen vor[1]. Dabei lassen sich u.a. folgende Kernthesen herausarbeiten:
In der KJP-Ausbildung stellen sich die Probleme teilweise anders dar (vgl. Borg-Laufs, 2005). So führt die Zugangsmöglichkeit für verschiedene Studienabsolventengruppen zu recht heterogenen Ausbildungsgruppen. Eine inhaltliche Begründung für differenzierte Ausbildungsangebote bezogen auf die unterschiedlichen Zugangsqualifikationen ist deshalb immer wieder postuliert worden. Die oben gemachte Aussage zur Redundanz klinisch-psychologischer Inhalte relativiert sich daher für den KJP-Bereich in einem gewissen Grad. Die bisherigen Prüfungsergebnisse haben zunächst den Schluss nahe gelegt, dass die Ausbildung die Teilnehmer mit nichtpsychologischen Ausgangsberufen nicht vergleichbar gut auf die Anforderungen insbesondere der schriftlichen Prüfung vorbereitet. Für fundierte Aussagen fehlt uns im Moment allerdings noch hinreichendes Datenmaterial.
Trotz dieser inhaltlichen Probleme kann festgestellt werden, dass sich mittlerweile ein gut funktionierender Ausbildungsbetrieb mit bundesweit derzeit ca. 150 staatlichen und staatlich anerkannten Ausbildungsstätten etabliert hat. Die wissenschaftlich anerkannten Psychotherapieverfahren werden dabei von den Ausbildungsstätten in vielfältigen Organisationsformen (neben ca. 20 hochschulangebundenen Ausbildungsstätten gibt es klinikangebundene, fachverbandsangebundene und private Angebote) umgesetzt. Die Zusammenarbeit zwischen Ausbildungsstätten und den zuständigen Aufsichtsbehörden der Länder hat sich konstruktiv und kooperativ eingespielt; die Ausbildungsambulanzen leisten einen wichtigen Beitrag für die psychotherapeutische Versorgung in den jeweiligen Regionen.
2. Konsequenzen aus der Einführung der gestuften Studienstruktur für die Zulassungsvoraussetzungen im Sinne des § 5 PsychThG
§ 5 des PsychThG fordert für die Zulassung zur PP-Ausbildung eine "bestandene Abschlussprüfung im Studiengang Psychologie". Nach Einführung einer gestuften Studienstruktur wird sich demnach die Frage stellen, welcher Abschluss zukünftig hierfür akzeptiert werden soll.
Diese Fragestellung ist äußerst komplex und viele Aspekte sind hierbei zu berücksichtigen. Die Implikationen sind sehr eindrücklich von Alpers und Vogel (2004) sowie Borg-Laufs und Vogel (2005) zusammengefasst worden. Um den Rahmen dieser Stellungnahme nicht überzustrapazieren, finden sich diese Artikel in der Anlage.
Als Lösung aus der dort dargestellten Problematik wäre eine Konstruktion zu erwägen, welche den Zugang zur Psychotherapieausbildung auf der Basis einer Qualifikation ermöglicht, die bzgl. ihrer Anforderungen "zwischen" einem Bachelor- und einem Masterabschluss liegt. Einen entsprechenden Vorschlag macht Ruggaber (2005), den Sie ebenfalls in der Anlage finden. Im Kern wird dabei die hier unter Punkt 1 beschriebene Redundanzproblematik aufgegriffen und die Möglichkeit zur Anrechnung von Studieninhalten vorgeschlagen. Demnach wären das PsychThG bzw. die anhängenden Ausbildungs- und Prüfungsverordnungen an zwei Stellen zu präzisieren bzw. zu ändern: Zum einen sollte der Zugang zur Ausbildung grundsätzlich nach Abschluss eines Bachelorstudiengangs möglich sein, zum anderen wäre parallel dazu die Möglichkeit zu eröffnen, mit "höherwertigen" Studienabschlüssen, wie also dem Masterabschluss, eine Anrechnung von Studienleistungen auf Ausbildungsinhalte erhalten zu können. Damit ließen sich rechtliche Bedenken bezüglich einer Festlegung des Masterabschlusses als Zugangskriterium vermeiden Darüber hinaus würden ein zeitlicher und ein finanzieller Anreiz dafür geschaffen werden, der Psychotherapieausbildung einen Masterabschluss vorzuschalten. Schließlich könnte den unter Punkt 1 beschriebenen Erfahrungen aus der KJP-Ausbildung, die eine differenziertere Ausbildungskonzeption für unterschiedliche Zugangsqualifikationen nahe legen, Rechnung getragen werden. Dies alles ohne die dringend erforderliche Nachwuchsförderung gerade in diesem Bereich zu gefährden und den Zugang wie bisher auch für nichtpsychologische Ausgangsberufe (mit FH-Abschlüssen) offen zu halten.
3. Bedarf an Absolventen der Staatsprüfungen
Zahlreiche aktuelle epidemiologische Untersuchungen weisen auf die steigende Prävalenz psychischer Störungen und damit den zunehmenden Bedarf qualifizierter psychotherapeutischer Angebote hin. Damit ist in den kommenden Jahren von einem steigenden Bedarf an Psychotherapieabsolventen auszugehen (vgl. Schulte & Lauterbach (2002)). Bereits die Anzahl der "normalen", altersbedingten Berufsaussteiger in der Berufsgruppe der Psychotherapeuten, lässt nach Schulte & Lauterbach (2002) einen Bedarf von ca. 1000 AusbildungsabsolventInnen berechnen. Für 2005 ist gemäß der Zahlen angemeldeter Prüflinge etwa mit der Hälfte an Absolventen zu rechnen - die Absolvierendenquote muss also noch deutlich gesteigert werden, um allein die gegenwärtige Zahl der Berufsangehörigen auf Dauer zu stabilisieren. Seitens der Psychotherapeutenverbände und der Kammern wird das derzeit nachlassende Interesse an der Psychotherapeutenausbildung mit den eingangs erwähnten belastenden (und kostenträchtigen) Ausbildungsbedingungen in Verbindung gebracht.
Insbesondere im KJP-Bereich ist ein großer Versorgungsbedarf noch nicht ausreichend abgedeckt (vgl. Borg-Laufs, 2005). Besonders für diesen Bereich muss also eine zukünftige Neuregelung der Zugangswege zur Ausbildung eine breite Ausbildungsförderung zum Ziel haben.
Dipl.-Psych. Günter Ruggaber
-DGVT-Ausbildungsleiter-
Prof. Dr. Armin Kuhr
-Mitglied des geschäftsführenden Vorstands-
Literatur
Alpers, G. & Vogel, H. (2004). Bachelor oder Master, wer wird Psychotherapeut? Psychotherapeutenjournal 3 (4), 315-319. [im Internet unter www.psychotherapeutenjournal.de/pdfs/2004-4/alpers.pdf , einschl. zahlreicher Literaturverweise unter http://www.psychotherapeutenjournal.de/Literatur_Alpers-Vogel%20PTJ%204-04.doc ]
Borg-Laufs, M. (2005). Kinder- und Jugendlichen-Verhaltenstherapie - Aktueller Stand und Perspektiven. Verhaltenstherapie mit Kindern und Jugendlichen - Zeitschrift für die psychosoziale Praxis, 1 (1+2), 5-14.
Borg-Laufs, M. & Vogel, H. (2005). Die Neuordnung der Studiengänge in Deutschland - Überlegungen zu den zukünftigen Voraussetzungen für den Zugang zur PP-/KJP-Ausbildung angesichts der Einführung von Bachelor- und Master-Abschlüssen. Verhaltenstherapie & Psychosoziale Praxis, 37 (2), 395-401.
Jürgens, A. (2003). Bericht zur aktuellen Ausbildungssituation. Verhaltenstherapie und psychosoziale Praxis, 35, 43-46.
Kröner-Herwig, B. (2003). Psychotherapie: Die theoretische Ausbildung nach PsychThG und APrV. In A. Kuhr & G. Ruggaber (Hrsg.), Psychotherapieausbildung. Der Stand der Dinge (S. 51-53). Tübingen, DGVT-Verlag.
Kröner-Herwig, B., Fydrich, T. & Tuschen-Caffier, B. (2001). Ausbildung für Psychologische Psychotherapie und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie: Ergebnisse einer Umfrage. Verhaltenstherapie 11, 137-142.
Kuhr, A. & Ruggaber, G. (Hrsg.) (2003). Psychotherapieausbildung. Der Stand der Dinge Tübingen, DGVT-Verlag.
Ruggaber, G. (2003). Drei Jahre Psychotherapieausbildung nach dem PsychThG - eine Zwischenbilanz. Verhaltenstherapie & Psychosoziale Praxis, 35 (1), 37-42.
Ruggaber, G. (2005). Die Neuregelung des Zugangs zur Psychotherapieausbildung in der Folge der Einführung von Bachelor-/Master-Studiengängen in Psychologie: Eine ausbildungspolitische Chance? Verhaltenstherapie & Psychosoziale Praxis, 37 (3), 651-667.
Schulte, D. & Lauterbach, W. (2002). Neue Therapeuten braucht das Land! Wie groß wird der Bedarf an Psychologischen Psychotherapeuten in Zukunft sein? Psychotherapeutische Praxis, 3, 108-110.
Vogel, H., Ruggaber, G. & Kuhr, A. (2003). Wünsche an die Novellierung der gesetzlichen Ausbildungsvorgaben.
[1] vgl. z.B. Jürgens, 2003, Ruggaber, 2003, 2005, Vogel et al., 2003. Eine differenzierte Zusammenstellung der Erfahrungen bzgl. einzelner Ausbildungsmodule findet sich in Kuhr & Ruggaber, 2003 - Literaturliste siehe Anhang.