Im Juni diesen Jahres steht in Berlin die Wahl zur Delegiertenversammlung der Psychotherapeutenkammer an. Eine Gelegenheit, Bilanz zu ziehen und einen Ausblick auf die Ziele für die nächste Wahlperiode zu geben.
Die Veränderungen/Entwicklungen in unserer Gesellschaft ziehen die Notwendigkeit der Anpassung des Gesundheitssystems nach sich. Seit Jahren wird immer wieder von Über-, Unter- und/oder Fehlversorgung gesprochen. Die demographische Entwicklung, das Ansteigen der Prävalenz psychischer (Mit-) Erkrankungen fordern unsere Gesellschaft heraus. Die Politik reagiert mit umstrittenen Konzepten, deren „Risiken und Nebenwirkungen“ nicht absehbar sind. Wie soll unsere Berufgruppe, die ein inzwischen nicht mehr weg zu denkender Teil des Gesundheitswesens ist, auf diese dramatischen Entwicklungen reagieren?
Die „Industrialisierung des Gesundheitswesens“ scheint unaufhaltsam. Große Klinikkonzerne drängen in den Markt, kaufen für astronomische Beträge Kassensitze auf und drohen Teile der Versorgung zu monopolisieren. Andererseits ist es nicht (mehr) so, dass wir unsere Dienstleistung wie „sauer Bier“ anbieten müssen, sondern wir sind gesuchte Gesprächpartner von Krankenkassen, Rentenversicherung und Industrie. Die Vernetzung mit Kliniken stellt in diesem Rahmen nicht mehr unbedingt eine Bedrohung für unsere Berufsgruppe dar, sondern sie eröffnet auch erhebliche Chancen.
Die Entwicklung von gemeindenahen, integrativen Modellen der Gesundheitsversorgung – orientiert am konkreten Bedarf – hat in der DGVT eine lange Tradition. Deren Bedeutung beruht nicht zuletzt auf der Tatsache, dass in den von der DGVT entwickelten Versorgungs-Modellen eine vernünftige Balance gesucht wird zwischen den Anforderungen einer bedarfsorientierten psychosozialen Versorgung einerseits und der Festigung einer angemessenen Rolle für unsere Berufsgruppe andererseits. Wenn wir bei der Behandlung und Betreuung von psychisch kranken Menschen auch zukünftig eine wichtige Rolle übernehmen wollen, dürfen wir PsychotherapeutInnen bei der Weiterentwicklung der Versorgungsstrukturen nicht beiseite stehen, sondern müssen uns auch an der konkreten Umsetzung solcher Konzepte beteiligen. Unser langer Erfahrungshintergrund ist eine besonders gute Voraussetzung dafür, Ideen in die Kammerarbeit einzubringen, welche die beruflichen Möglichkeiten aller Kammermitglieder erweitern und absichern.Daher sollen die Kammer und die Therapieverbände für Bereiche, in denen Versorgungslücken bestehen, den Abschluss von Verträgen mit den Krankenkassen unterstützen, die sowohl die Möglichkeiten der Niedergelassenen erweitern, als auch den KollegInnen, die keine KV Zulassung haben, die Arbeit als PsychotherapeutInnen eröffnen.
Die Erfahrungen in Berlin zeigen, dass PsychotherapeutInnen in den neu geschaffenen Versorgungsstrukturen deutlich unterrepräsentiert sind und dass in den Fällen, wo sie beteiligt sind, die Arbeitsbedingungen zum Teil sehr schlecht sind. Damit sind zukünftige Aufgaben der Kammer klar vorgezeichnet.
Wichtig ist und bleibt die kontinuierliche Information der Mitglieder, da die Entwicklungen bei diesem Thema zurzeit sehr rasant verlaufen.
Die nächste Veranstaltung mit hoch qualifizierten ReferentInnen zu den Neuen Versorgungsformen findet am
Donnerstag, dem 12. März 2009
von 18.00 bis 21.15 Uhr
im Seminarzentrum der Freien Universität in Dahlem (Otto von Simson Str. 27)
im Raum L 113 statt.
Nach der Einführung ins Thema durch Prof. Dr. Armin Kuhr geht Prof. Dr. Dieter Kleiber der Frage nach „Werden PPs und KJPs gebraucht? –Zur Epidemiologie von Störungsbildern“. Dr. Christina Tophoven (Geschäftsführerin der Bundespsychotherapeutenkammer) stellt anschließend Überlegungen zur „Weiterentwicklung der psychotherapeutischen Versorgung“ an. Birgit Heinrich (Geschäftsführerin der Psychotherapeutenkammer Rheinland-Pfalz) spricht abschließend zum Thema „Neue Versorgungsformen – Von der Theorie zur Praxis“.
Max Weber beschreibt Bürokratie als die „Herrschaft der formalistischen Unpersönlichkeit“. Seit seinen Analysen wissen wir, dass bürokratische Systeme die Tendenz haben, sich von den „zu verwaltenden Menschen“ zu entfernen, zu wachsen und in der Folge ihr Budget zu „maximieren“. Dies geht einher mit der Tendenz, immer mehr Bereiche durch Vorschriften abzudecken, oder genauer - Freiheiten bzw. Spielräume einzuschränken. Die Gefahr des ineffizienten Wachstums bürokratischer Strukturen ist immer gegeben. Die DGVT, mit einer traditionell kammerskeptischen Haltung, beobachtet diese Entwicklungen sorgfältig und stellt die Kammerstrukturen immer wieder kritisch auf den Prüfstand. Welche Dienstleitungen sollte die Kammer erbringen, welche nicht? In der vergangenen Wahlperiode vergrößerte sich der Personalbestand und damit der Etat. Es erscheint sinnvoll, nach der nächsten Wahl Nutzen und Kosten der Psychotherapeutenkammer grundsätzlich zu diskutieren und nach Einsparmöglichkeiten zu suchen. So mag es sein, dass sich auch Berlin um Synergien bemüht (z.B. engere Kooperation mit der OPK).
Ausgehend von unserer basisdemokratischen Tradition stehen wir für Transparenz und Entbürokratisierung der Kammerstrukturen. Dazu gehören eine offene Diskussionskultur und direkte Beteiligungsmöglichkeiten, damit die Gremien der Kammer von den Mitgliedern als ihre Interessenvertretung wahrgenommen werden.
Keine Abwertung der Approbation durch Weiterbildungsregelungen
Seit Jahren wird eine heftige Debatte um das Einrichten von Weiterbildungsgängen geführt. Immer wieder wird geltend gemacht, dass „die Rechtslage“ Weiterbildungen erfordere. Die DGVT ist nach wie vor der Meinung, dass es jeden Grund gibt, sich kontinuierlich fortzubilden, dass aber tragfähige Argumente dafür fehlen, die Approbation dadurch zu entwerten, dass auf Grund wirtschaftlicher Interessen Weiterbildungsordnungen lanciert werden, die unsere Berufsqualifikation fragmentieren.
Weiterentwicklung der Psychotherapie
Für die DGVT stellt die Anwendung von Verhaltenstherapie eine Kernkompetenz psychotherapeutischer Arbeit dar. Dennoch hatte unser Verband, der einer der großen Anbieter von Psychotherapieausbildung in Deutschland ist, selbstverständlich die Entwicklungen des Feldes immer im Blick. Verfahrensübergreifende und -integrative Vorgehensweisen spielen bekanntlich in vielen Tätigkeitsfeldern unserer Berufsgruppe eine große Rolle. Diese Tatsache ist bei der Arbeit der Kammer im Blick zu behalten.
Unbürokratischer Umgang mit der Fortbildungsordnung
Die KandidatInnen der DGVT stehen für eine Fortschreibung der Fortbildungsordnung, die sich nicht allein an dem wissenschaftlich umstrittenen Begriff der Evidenzbasierung orientiert, sondern auch der Komplexität und Vielfalt psychotherapeutischer Interventionsmöglichkeiten gerecht wird. Mit diesem Ziel tragen wir nicht nur den Entwicklungen der Psychotherapieforschung Rechnung, sondern öffnen auch Wege, mit denen dem Zusammenwachsen Europas und den daraus folgenden erheblichen Konsequenzen für die Psychotherapie und damit unserem Berufsstand Rechnung getragen werden kann.
Wir stehen für eine Weiterentwicklung der Fortbildungsordnung auf Grund der bisherigen Erfahrungen, welche die bürokratischen Notwendigkeiten auf ein absolutes Minimum beschränkt – nicht nur, um Kosten zu sparen, sondern auch um die Handhabbarkeit für alle Beteiligten zu verbessern.
Qualitätssicherung
Berücksichtigung von PatientInnen-Interessen und den Interessen der PPs und KJPs ist aus unserer Sicht kein Widerspruch, da wir uns mit unseren Therapieergebnissen nicht verstecken müssen. Bürokratische Kontrolle ist unnötig. TeilnehmerInnen an Supervision, Intervision, Fortbildung usw. bieten die beste Gewähr dafür, dass die Qualität psychotherapeutischer Arbeit ständig weiterentwickelt wird.
Prävention
Jahrzehntelang wurde Prävention gefordert, aber bestenfalls punktuell umgesetzt. Heute bietet sich die Möglichkeit, deutlich voranzukommen. Ebenfalls ein Bereich, der für uns erhebliche Chancen bietet. Nicht zuletzt für die angestellten KollegInnen, die einen erheblichen Teil der Mitglieder der Psychotherapeutenkammer Berlin ausmachen.
Psychotherapie in Institutionen
Die Vertreter der DGVT in der Kammer setzen sich besonders für Psychotherapie in Institutionen und Psychotherapeuten in Anstellung ein. Christian Remmert ist Sprecher des Ausschusses in der Landeskammer. Damit verbunden engagieren sie sich auch für die Interessen der PiAs. Dabei stehen sie weiterhin für Methodenvielfalt, wie sie z.B. in Institutionen praktiziert wird, für eine Verringerung von Bürokratie und überhaupt, wie immer, für alles schöne und gute in der Welt.
Weitere Themen, denen wir uns in der nächsten Zeit widmen möchten, sind die Berücksichtigung von PatientInnen-Interessen, die Förderung von Multiprofessionalität, die Psychotherapie nach dem KJHG, die stärkere Interessenwahrnehmung von AusbildungsteilnehmerInnen, die Verbesserung der Ausbildungssituation insgesamt, die Stärkung der Rechte der PsychotherapeutInnen in Ausbildung, Rehabilitation u.v.m..
Für selbstbewusste PsychotherapeutInnen (PP und KJP), die um ihre Fähigkeiten wissen!
Armin Kuhr, Christian Remmert