Durch den Regierungswechsel von der Großen zur schwarz-gelben Koalition hat sich im Bundesministerium für Gesundheit (BMG), in den Ausschüssen und bei den Beauftragten personell vieles geändert. Dass der 36jährige Arzt Dr. Philipp Rösler (FDP) Ulla Schmidt im Amt abgelöst hat und mit Annette Widmann-Mauz (CDU) und Daniel Bahr (FDP) auch zwei neue parlamentarische Staatssekretäre ins Ministerium eingezogen sind, dürfte mittlerweile bekannt sein. Mit Stefan Kapferer (FDP) als beamteter Staatssekretär hat sich Rösler einen engen Vertrauten aus dem Wirtschaftsministerium in Niedersachsen ins BMG mitgenommen. Kapferer löst Theo Schröder, Staatssekretär unter Ulla Schmidt, ab. Auch in den verschiedenen Abteilungen des BMG gibt es einige Veränderungen. Die bisher von Franz Knieps geleitete Abteilung Kranken- und Pflegeversicherung wird zukünftig Dr. Ulrich Orlowski führen. Leiter der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit wird Christian Lipicki, langjähriger Redakteur bei der Berliner Zeitung und zuletzt Sprecher des Bundesverbandes der Banken; er dürfte in Krisenkommunikation geübt sein. Die FDP-Politikerin Mechthild Dyckmans wurde zur Drogenbeauftragten der Bundesregierung ernannt. Patientenbeauftragter der Bundesregierung wird Wolfgang Zöller (CSU), er ist der Nachfolger von SPD-Politikerin Helga Kühn-Mengel. Zöller hat in einem Interview der Main-Post Würzburg bereits angekündigt, dass er die Rechte der PatientInnen in einem Patientengesetz zusammenführen und die Arbeit des Patientenbeauftragten stärker in die Öffentlichkeit tragen wolle. Neuer Behindertenbeauftragter wird Hubert Hüppe (CDU). Er war lange Jahre behindertenpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Fraktion und ist selbst Vater eines behinderten Kindes. Sein wichtigstes Ziel ist die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention. Die Berufung von Christian Weber, bisheriger Vizedirektor des PKV-Verbandes, zum Abteilungsleiter für Grundsatzfragen, legt den Verdacht nahe, dass die Private Krankenversicherung weiter gestützt und die Kopfpauschale umgesetzt werden soll.
Zu den politisch neu zu besetzenden Positionen gehört auch das Präsidentenamt im Bundesversicherungsamt (BVA), das bisher Josef Hecken (CDU) inne hatte und der nun als Staatssekretär ins Bundesfamilienministerium gewechselt ist. Wie die Ärztezeitung am 15.1.2010 meldet, soll der Jurist und langjährige Abteilungsleiter der Krankenversicherung im Bayerischen Gesundheitsministerium Dr. Maximilian Gaßner, der neue Chef im BVA werden, „einer der schärfsten Kritiker des Gesundheitsfonds auf Länderebene“. In einem Beitrag für die Kassenzahnärztliche Vereinigung Bayerns kritisierte Gaßner noch Anfang 2009: „Durch Gesundheitsfonds, Morbi-RSA und die Egalisierung der ärztlichen Vergütung auf Bundesebene ist Deutschland in doppeltem Sinn des Worts „gleich“geschaltet worden.“
In jeder Wahlperiode werden durch Beschluss des Bundestages zahlreiche Ausschüsse eingesetzt, in denen die Fraktionen gemäß ihrer Stimmenstärke entsprechend vertreten sind. Sie sind dafür zuständig, Gesetzesvorlagen inhaltlich zu beraten und Beschlüsse des Plenums vorzubereiten. Für den Ausschuss für Gesundheit stehen u. a. die Weiterentwicklung der Reformen der gesetzlichen Krankenversicherung, Patientenrechte, ärztliche Belange, ethische Fragen der Medizin und Arzneimittelsicherheit auf der Agenda. Vorsitzende des Gesundheitsausschusses ist Dr. Carola Reimann (SPD), sie löst Dr. Martina Bunge von den LINKEN ab. Gesundheitspolitische SprecherInnen der Bundestagsfraktionen sind: CDU/CSU Jens Spahn, FDP Ulrike Flach, SPD Prof. Dr. Karl Lauterbach, Bündnis 90/Die Grünen Biggi Bender, Die LINKE Dr. Martina Bunge.
Von der Ärztezeitung über die FAZ bis hin zum Spiegel wird vermutet, dass die schwarz-gelbe Bundesregierung die Ablösung von Peter Sawicki, dem Chef des staatlichen Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG), betreibe. Sawicki sei zu kritisch gegenüber der Pharmaindustrie, zudem solle das IQWiG insgesamt wirtschaftsfreundlicher aufgestellt werden.
Es bleibt abzuwarten, ob die Unterschriftenliste der mehr als 600 Ärzte und Akteure im Gesundheitswesen für die Wiederwahl von Sawicki zum Erfolg führen wird.
Waltraud Deubert
Peter T. Sawicki muss seinen Posten doch räumen
Das beschlossen die Bundesregierung sowie die Spitzenorganisationen von Krankenkassen, Kliniken und Ärzten im Vorstand des von Sawicki geleiteten Kontroll-Instituts am 22. Januar in Berlin. Sawicki werden unter anderem Formfehler bei der Nutzung von Dienstwagen vorgeworfen. Prof. Gerd Glaeske sagte am 23. Januar dem Hörfunksender NDR Info, es sei ein Einknicken gegenüber der Pharmaindustrie, dass Sawickis Vertrag als Leiter des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen nicht verlängert wurde. Glaeske ist Mitglied des Sachverständigenrates der Bundesregierung zur Begutachtung der Entwicklung im deutschen Gesundheitswesen.
Früher habe die Industrie die Deutungshoheit bei der Bewertung von Arzneimitteln gehabt. "Sie hat deutlich gemacht, welche Mittel angeblich einen Nutzen haben" und "die Ärzte beeinflusst, bestimmte Therapien zu bevorzugen." Dagegen sei das Institut vorgegangen. "Das hat zu erheblicher Unruhe bei den Anbietern geführt und es hat Druck auf die Politik gegeben", Sawicki abzusetzen. Denn dieser habe für eine kritische Arzneimittelbewertung gestanden.
Glaeske sagte, er befürchte, "dass in Zukunft ein angepasster Kurs gegenüber der pharmazeutischen Industrie gefahren wird" und mehr politischer Einfluss auf das Institut genommen werde. Dadurch gerieten aber die Interessen der Patienten ins Hintertreffen.