Auch die Kardiologie hat gelegentlich für Psychologische Psychotherapeuten/Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten berufliche Relevanz. Das Bundessozialgericht hat mit Entscheidung vom 2.9.2009 (Az.: B 6 KA 21/08 R) über den Sonderbedarfsantrag eines Kardiologen entschieden. In der Urteilsbegründung sind etliche Punkte angesprochen, die auch für Sonderbedarfszulassungsverfahren von Psychologischen Psychotherapeuten/Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten herangezogen werden können.
Der Sachverhalt in Kürze:
Dem verfahrensbeteiligten Kardiologen war eine Sonderbedarfszulassung durch den Berufungsausschuss erteilt worden. Nachdem das Landessozialgericht die Entscheidung des Berufungsausschusses stützte, legte die Kassenärztliche Vereinigung (KV) Revision zum Bundessozialgericht ein mit dem Ziel, die Zulassung zu kippen. Das Bundessozialgericht verurteilte den Berufungsausschuss zur Neubescheidung mit der Begründung, dass dem ursprünglichen Bescheid des Berufungsausschusses keine ausreichend fundierten Ermittlungen zugrunde gelegen hätten.
Aus den Urteilsgründen des BSG ist Folgendes von Interesse:
Soweit die Zulassungsgremien dem Umfang der Leistungserbringung durch die bereits zugelassenen Ärzte entscheidende Bedeutung beimessen, muss ihr Beurteilungsergebnis auf ausreichend fundierte Ermittlungen gegründet sein. Ihnen obliegt es, diejenigen Ärzte bzw. Praxen, die solche Leistungen möglicherweise bereits erbringen bzw. erbringen können, zu befragen und deren Angabe, da diese interessenorientiert sein könnten, anhand ihnen zugänglicher weiterer Unterlagen – insbesondere der so genannten Anzahlstatistiken – zu verifizieren. Der Umfang der Ermittlungen ist durch § 21 SGB X vorgegeben. Die Ermittlung des Sachverhalts muss das nach pflichtgemäßem Ermessen erforderliche Maß ausschöpfen, d. h. so weit gehen, wie sich weitere Ermittlungen als erforderlich aufdrängen.
Die Ermittlungen der Zulassungsgremien zur Bedarfsdeckung müssen sich an der Versorgungsrealität ausrichten. Die Zahl der im betroffenen Planungsbereich zugelassenen Vertragsärzte und deren Fallzahlen haben deshalb allenfalls indizielle Aussagekraft. Wenn Ärzte bei Anwendung eines statistischen Fallzahlvergleichs nicht ausgelastet sind, zusätzliche Patienten aber nicht versorgen wollen, besteht lediglich ein potenzielles, nicht aber ein reales Versorgungsangebot. Solange die Versorgung jedoch nicht real gewährt wird, ist eine Versorgungslücke gegeben, die der Deckung durch Sonderbedarfszulassungen bzw. Ermächtigungen zugänglich ist.
Es ist unbedenklich, wenn die Zulassungsgremien – zusätzlich oder alternativ zur Feststellung der im betreffenden Planungsbereich tätigen Ärzte und deren Fallzahlen – prüfen, ob und ggf. wie lange Wartenzeiten bei den Ärzten des in Frage stehenden Fachgebietes tatsächlich bestehen. Solche Wartezeitermittlungen sind systematisch vorzunehmen. Hierbei kommen auch Testanrufe – die objektiviert, verifiziert sowie bewertet werden müssen – in Betracht.
Bei der Bewertung der Leistungsangebote der anderen Ärzte bleiben Ermächtigungen unberücksichtigt (eine Ausnahme gilt nur für Ermächtigungen, die bedarfsunabhängig erteilt werden, wie z. B. im Falle des § 117 SGB V, wonach Hochschulambulanzen nach Maßgabe der Erfordernisse von Forschung und Lehre zur Erbringung ambulanter vertragsärztlicher Leistungen ermächtigt werden). Andere Ermächtigungen (z. B. gemäß § 31 Abs. 1 a Ärzte-Zulassungsverordnung) bleiben außer Betracht.
Für kardiologische Behandlungen sind Wartezeiten dann, wenn sie im Normalfall mehr als zwei Monate betragen, unzumutbar lang. Zur Begründung wird angeführt, dass mit der Ungewissheit über die Art der Erkrankung bzw. über die genaue Diagnose leben zu müssen, schon wegen der damit verbundenen psychischen Belastung keinesfalls länger als zwei Monate zumutbar ist. Dieses Argument lässt sich – so die Auffassung der Autorin – auf den Bereich der psychotherapeutischen Behandlung ohne Weiteres übertragen.
Bei Zulassungsanträgen sind alle Tatsachenänderungen bis zur letzten mündlichen Verhandlung der letzten Tatsacheninstanz vor Gericht sowie alle Rechtsänderungen bis zum Abschluss der Revisionsinstanz zu berücksichtigen. Zu berücksichtigen sind deshalb beispielsweise auch später im Verfahren erfolgende Befragungen anderer Behandler im Planungsbereich. In Ausnahmefällen kann allerdings die Berücksichtigung nachteiliger Änderungen dann verwehrt sein, wenn der Arzt auf eine Entscheidung aufgrund einer früheren bestimmten Sach- und Rechtslage, die ihm Zulassungschancen bot, vertrauen durfte.
Rechtsanwältin Susanne Locher-Weiß, Reutlingen