Wie leben Kinder in Deutschland? So hat das Statistische Bundesamt eine neue, 48 Seiten starke Publikation überschrieben, die sich mit den Lebensverhältnissen der Kinder und Jugendlichen bis 18 Jahre befasst. Zugrunde liegen neue Daten des Mikrozensus 2010, der größten jährlichen Haushaltsbefragung. Die brisanteste Zahl: In Deutschlands Haushalten leben 13,1 Millionen Minderjährige. Das sind 2,1 Millionen weniger als noch vor zehn Jahren - allen Szenarien von der alternden Gesellschaft und allen staatlichen Maßnahmen, die Geburtenrate anzukurbeln, zum Trotz. Dieser Trend wird sich fortsetzen, sagen die Statistiker.
Die Entwicklungen in Ost- und Westdeutschland sind sehr unterschiedlich: In Westdeutschland ist die Zahl der Kinder in den vergangenen Jahren um 10 % gesunken, in Ostdeutschland um 29 %. Auch hinsichtlich der Familienstrukturen unterscheiden sich Ost und West. 2010 lebten in Westdeutschland fast 80 % der Minderjährigen bei ihren verheirateten Eltern, in Ostdeutschland nur knapp 60 %. 15 % der westdeutschen Kinder wohnten bei einem alleinerziehenden Elternteil, in Ostdeutschland waren es 24 %.
Die Broschüre behandelt viele verschiedene Aspekte, so zum Beispiel auch die sozioökonomische Lage der Familien. Bei 51 % der minderjährigen Kinder gingen beide Elternteile einer beruflichen Tätigkeit nach, bei 38 % war nur ein Elternteil berufstätig, und 11 % der Kinder lebten in Familien, bei denen kein Elternteil erwerbstätig war. Je jünger die Kinder sind, desto häufiger geben insbesondere Mütter ihre Erwerbstätigkeit vorübergehend auf. So waren nur bei 28 % der Kinder unter drei Jahren beide Eltern berufstätig.
Die wirtschaftliche Lage von Kindern hängt in erster Linie davon ab, welche Einkommen ihre Eltern beziehen. Bei 92 % der minderjährigen Kinder in Paarfamilien ist das Erwerbseinkommen eines oder beider Elternteile Quelle des überwiegenden Lebensunterhalts. Auch bei mehr als der Hälfte der Kinder von Alleinerziehenden ist das Erwerbseinkommen die Haupteinkommensquelle. Allerdings: Für 33 % der Ein-Eltern-Familien sind staatliche Transferleistungen die Haupteinkommensquelle.
Die Armutsgefährdungsquote bei Minderjährigen lag unverändert bei 15 %, wobei Kinder von Alleinerziehenden wesentlich häufiger von Armut betroffen sind als Kinder, die in Haushalten mit mehreren Erwachsenen leben. Die Versorgung von Kinder und Jugendlichen mit Grundbedürfnissen wie Kleidung, Mahlzeiten und Spielsachen ist dennoch im Großen und Ganzen gut, stellten die Statistiker fest. Auf Urlaubsreisen (22 %) und regelmäßige Freizeitbeschäftigungen wie Sport- und Musik (7 %) wird allerdings oftmals verzichtet. An Schulausflügen und -veranstaltungen, die mit Kosten verbunden sind, können 83 % teilnehmen.
Mit der vieldiskutierten Ganztagsbetreuung befasst sich ein weiteres Kapitel der Broschüre: Das Angebot an Betreuungsplätzen für Kinder unter drei Jahren steigt zwar ständig an – 2010 lag die Betreuungsquote bei 23 %: Dabei wurden 400.000 Kinder unter drei Jahren wurden in einer Kindertagesstätte betreut, 72.000 von einer Tagesmutter. Bis zum Jahr 2013 sollen aber 750.000 Betreuungsplätze zur Verfügung stehen. D.h. 278.000 Plätze müssten in den nächsten beiden Jahren noch geschaffen werden – eine große Aufgabe für die Kommunen.
Was die Schulausbildung anbelangt, gibt es einen Trend zur Höherqualifizierung: Im Schuljahr 2010/2011 besuchten 45 % der SchülerInnen ein Gymnasium. Vor zehn Jahren waren es nur 37 % gewesen.
3,5 % aller Kinder und Jugendlichen unter 17 Jahren – das sind, in Zahlen ausgedrückt, immerhin 475.000 – benötigten aufgrund von familiären Belastungs- und Krisensituationen professionelle Hilfen. Am weitaus häufigsten wird, auch aufgrund ihres niederschwelligen Charakters, die Erziehungsberatung in Anspruch genommen, an zweiter Stelle kommt die sozialpädagogische Familienhilfe. In Heimen oder Pflegefamilien wurden 47.000 Kinder und Jugendliche untergebracht, wenn die Jugendämter eingeschränkte Erziehungskompetenz der Eltern, dissoziales Verhalten der Minderjährigen oder allgemein eine Gefährdung des Kindeswohl feststellten.
Darüber hinaus werden in der Broschüre Zahlen über Unfälle, Suizide und Gewalt präsentiert.
Angela Baer
Weitere Informationen:
Die Broschüre steht auf der Homepage des Statistischen Bundesamts zur Verfügung: www.destatis.de
Klicken Sie auf „Presse“, dann „Zu den Pressemitteilungen“, gehen Sie auf „August 2011“. Am 3.8.2011 wurde die Pressemitteilung „Zahl der Kinder in Deutschland um 2,1 Millionen gesunken“ herausgegeben. Unter „Mehr zum Thema“ finden Sie die „Weitere Unterlagen zur Pressekonferenz“. Hier steht die Broschüre zum Download bereit.