Im Mittelpunkt der Jahrestagung des German Network for Mental Health (GNMH) stand die Frage, welche präventiv bedeutsamen Maßnahmen für Situationen zu empfehlen sind, die grundlegende Brüche und Unsicherheiten für Kinder und Jugendliche bedeuten - und zwar vor dem Hintergrund einer sich rapide verändernden Welt. Die Tagung fand von 31. August bis 1. September 2011 in Mainz statt und wurde unterstützt von den rheinland-pfälzischen Ministerien für Integration, Familie, Kinder, Jugend und Frauen sowie für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie.
Das Deutsche Netzwerk für Psychische Gesundheit (German Network for Mental Health - GNMH) ist eine offene Organisation von Interessengruppen, Wohlfahrtsorganisationen und WissenschaftlerInnen, die sich für die Prävention psychischer Störungen und die Förderung psychischer Gesundheit einsetzen. Zusammen mit vielen internationalen Organisationen baut das Netzwerk eine Struktur in Bereichen der Politik, Wohlfahrt bzw. sozialen Diensten und Wissenschaft auf, um dieser Idee mehr Bedeutung zukommen zu lassen.
Eingeleitet durch Begrüßungsworte von Irene Alt (Ministerin für Integration, Familie, Kinder, Jugend und Frauen)und Jacqueline Kraege (Staatssekretärin aus dem Ministerium für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie) wurde der zentralen Frage zunächst in zwei Hauptreferaten, gehalten von Heiner Keupp und Andreas Beelmann, nachgegangen. Im Mittelpunkt standen dabei Überlegungen, welche kulturellen, politischen, sozialen und ökonomischen Umbrüche zu einer Verschärfung der Lebenssituation junger Menschen führen (Netzwerkkapitalismus, Beschleunigung und Verdichtung alltäglicher Abläufe, sich ändernde biographische Schnittmuster, Geschlechterkonstruktionen, soziale Lebenszusammenhänge, Wertewandel, u.a.m.).
Dabei hob Heiner Keupp, emeritierter Professor für Sozial- und Gemeindepsychologie an der Ludwig-Maximilians-Universität München, darauf ab, dass die Suche nach diesen Faktoren nicht zu einer Pathologisierung in der Sicht von jungen Menschen führen darf. Im Gegenteil, es gälte mehr das Positive, die Ressourcen und Möglichkeiten im Sinne einer salutogenetisch orientierten Gesundheitsförderung im engeren Sinne in den Mittelpunkt zu stellen.
Andreas Beelmann, Professor für Forschungssynthese, Intervention und Evaluation an der Friedrich-Schiller-Universität Jena, bilanzierte,welche Evidenzen für präventive Hilfen für Kinder und Jugendliche in schwierigen Situationen vorliegen, auch im differentiellen Sinne und auch in Hinsicht auf verschiedene mögliche Formen der Prävention. Dabei wurde auch beträchtliches Wissen benannt in Hinsicht auf vorteilhafte Merkmale von Präventionsprogrammen, nicht ohne am Ende darauf hinzudeuten, dass allen präventiven Bemühungen Grenzen gesetzt werden, wenn die von Heiner Keupp genannten globalen Veränderungen, am Beispiel sozialer Ungleichheit demonstriert, nicht bedacht werden.
In verschiedenen Themenblöcken wurden auch Antworten auf diese Frage im Rahmen von Projektvorstellungen und Studien gesucht. Behandelt wurden folgende von namhaften ModeratorInnen angeleitete Themenblöcke:
Hier wurde z.B. im Kontext der frühen Hilfen die Bedeutung der Kompetenzsteigerung in den Vordergrund gerückt, die vor Risiken warnen, sie aber auch bewältigen helfen soll. Dass dies auch als kollektive Maßnahme ganzer Kommunen möglich ist, wurde durch eindrückliche Projektberichte deutlich. Auch der potentiell risikoreiche Kontext der Schule wurde unter dem Aspekt von Kompetenzen nicht nur von Individuen (Lehrern, Schülern, Eltern), sondern auch der Institution selbst betrachtet.
Dass solche Kompetenzsteigerungen auch für Familien in prekären Lebenssituationen wenigstens zum Teil möglich sind, wurde durch Projekte im 2. Themenblock deutlich. Aber es wurde auch darauf hingewiesen, dass kompensativ notwendige Sachleistungen dabei nicht vergessen werden dürfen.
Auch beim Umgang mit Kindern kranker Eltern wurde im 3. Themenblock betont, dass es gälte, die Ressourcen der Betroffenen zu stärken und dass dies durch gemeinsame Anstrengungen aller beteiligter Dienste und HelferInnen in vernetzten Systemen auch möglich ist.
Zu ähnlichen Aussagen kamen auch die Beiträge im 4. Themenblock.
Die Inhalte dieser Tagung sind detaillierter als Abstracts und auch als Präsentationen nachvollziehbar auf www.gnmh.de. Wegen des starken Interesses an dieser Tagung – viele Interessenten bekamen keinen Platz mehr – soll diese Tagung in einem Band im DGVT-Verlag in der Reihe „Prävention und Gesundheitsförderung“ dokumentiert werden. Mit einem Erscheinen dieses Bandes ist im ersten Viertel des Jahres 2012 zu rechnen.
Prof. Dr. Bernd Röhrle ist seit 1994 Professor für Klinische Psychologie an der Philipps Universität Marburg.