Dies stellt für uns sowohl eine große Ehre als auch eine große Herausforderung dar. EABCT-Kongresse sind eine hervorragende Gelegenheit zur Förderung der Kognitions- und Verhaltenstherapien im allgemeinen, ebenso wie der Förderung von Kognitions- und Verhaltenstherapien innerhalb des Gastgeberlandes im besonderen. Aber wie sehen Kognitive und Verhaltenstherapien im heutigen Griechenland aus? Diese Frage ist schwierig zu beantworten, ohne gleichzeitig zurückzublicken und die Entwicklung der Kognitiven und Verhaltenstherapien in Griechenland seit ihrem Beginn zu verfolgen.
Kognitive Verhaltenstherapie, oder präziser einfach Verhaltenstherapie entwickelte sich in Griechenland während der späten sechziger und frühen siebziger Jahre. Andreas Rabavilas, der kürzlich als Professor der Psychiatrie an der Universität Athen emeritiert wurde, und der verstorbene John Boulougouris hatten damals ihre Ausbildung in Verhaltenstherapie unter Professor Isaac Marks beendet und übernahmen die Pionier- und Einführungsrollen für die Verhaltenstherapie in Griechenland. Beinahe zur gleichen Zeit leistete Johannes C. Brengelmann in Deutschland ungefähr dasselbe. Die Praxis der Psychotherapie in Griechenland war in jenen Tagen stark von psychoanalytischem Denken beeinflusst, weshalb man sich leicht vorstellen kann, mit welchem Widerstand und welcher Gegenwehr die beiden konfrontiert waren. Trotzdem begannen beide auf ihren Stellen als junge Fakultätsmitglieder der Universität Athen Verhaltenstherapie für Psychiatriepatienten zu lehren, und sie setzten ihre bedeutende Forschungsarbeit über graduierte und massierte Expositionbehandlung fort. Weil sie das nicht für ausreichend hielten, gründeten sie darüber hinaus im Jahr 1975 die Griechische Gesellschaft für Verhaltensmodifikation und Verhaltensforschung (Greek Association for Behaviour Modification and Research - GABMR), eine Vereinigung, in der auch die wachsenden Bedürfnisse Berücksichtigung fanden, die aus anderen, mit der psychischen Gesundheit befassten Berufsgruppen stammten. GABMR wurde bald eines der ersten Mitglieder der Europäischen Gesellschaft für Verhaltenstherapie und war Gastgeber des ersten EABCT-Kongresses in Griechenland (1976 auf der Insel Spetse). Ebenfalls in den späten siebziger Jahren begannen Vangelis Dimitriou von der psychiatrischen Abteilung und Mika Haritos-Fatouros von der philosphischen Fakultät der Aristoteles-Universität Thessaloniki, beide in Großbritannien ausgebildet, Verhaltenstherapie für Psychiatriepatienten und Universitätsstudenten einzuführen. Ebenso setzten sie verhaltenstherapeutische Methoden für andere Störungen, insbesondere Bewusstseinsstörungen an. Das umfassende Ausbildungsprogramm für Psychiatrie und Psychotherapie an der zweiten Universitätsabteilung für Psychiatrie in Thessaloniki - wahrscheinlich das erste in Griechenland, das die Ausbildung in Psychotherapie als integralen Bestandteil einer psychiatrischen Ausbildung einführte - schloss 1979 ein formales Ausbildungsprogramm in Verhaltenstherapie unter Professor Dimitriou ein. Ich selbst hatte das Glück, dieses Programm zu absolvieren und 1987 als Ausbilder (Trainer) Professor Dimitriou zur Seite zu treten. Zwei Jahre nach dem Start seines Ausbildungsprogramms, also 1981, eröffnete die psychiatrische Abteilung der Universität Athen unter der Leitung von Professor Yiannis Papakostas eine Vorlesungsreihe über Kognitive und Verhaltenstherapie und begann ebenso mit dem Angebot eines einjährigen Theoriekurses in Kognitiver und Verhaltenstherapie, dem sich 1994 ein kontrolliertes klinisches Praktikum für eine begrenzte Zahl von Trainees anschloss.
Trotz der oben beschriebenen Anstrengungen verzeichnete die Kognitive und Verhaltenstherapie in Griechenland keinen raschen Zuwachs. Wahrscheinlich war einer der Hauptgründe dafür, dass in Griechenland bis 1988 eine genuine Universitätsdisziplin für Psychologie fehlte. Bis 1988 wurde Psychologie an den Universitäten als Teil von Philosophie und Literatur gelehrt (an der Fakultät für Philosophie, Erziehung und Psychologie), und Absolventen der Psychologie aus diesen Abteilungen wurden nicht als Psychologen betrachtet und deshalb auch nicht als Psychologen zugelassen. Das erste akademische Fach für Psychologie wurde 1988 in Kreta gegründet, und ihm folgten sehr bald die Psychologiefächer in Athen und Thessaloniki. Unter diesen Umständen konnten die ersten zugelassenen Psychologen nicht früher als ungefähr 1992 ihr Examen ablegen und die Psychologen mit klinischer Praxis nach dem Examen erst viel später die Arbeit aufnehmen.
Ebenfalls 1992 wurde das Institut für Verhaltensforschung und -therapie in Athen die erste Institution, die einen umfassenden vierjährigen Ausbildungskurs in Kognitiver und Verhaltenstherapie anbot.
Aus zwei Hauptgründen wurde in Thessaloniki 1993 die Griechische Gesellschaft für Kognitive und Verhaltenspsychotherapien gegründet: Aus einem geographischen und einem konzeptionellen. Die in Athen vorhandene Gesellschaft war ziemlich weit weg von Thessaloniki, so dass die schnell zunehmende Wirkung und Popularität der Kognitiven Therapie es mehr als notwendig machte, einen Schwerpunkt auf die Kognitive Theorie und Therapie zu legen. Der konzeptionelle Grund war auch - wenn Sie mir das zu bemerken erlauben - mit einem persönlichen verbunden. Der persönliche Grund hatte zu tun mit meiner noch frischen Ausbildung an Dr. Aaron Becks Zentrum für kognitive Therapie an der Universität Pennsylvania im Sommer 1993. Die ganze Begeisterung und das riesige Wissen (zusammen mit zahlreichen Fragebögen, Messverfahren und brandneuen Techniken), die ich zurückbrachte, nahmen sich wie eine lebensspendende Flamme aus, die ich nicht verschwinden lassen sollte, wie ein zarter kleiner Baum den ich rasch und wirksam pflanzen sollte, wie ein Bestreben, das ich mit meinen Kollegen teilen sollte. Das ideale Mittel zur Erreichung dieses Ziels und zur Erhaltung dieser lebendigen Einstellung war die Verfügung über eine Gesellschaft, in der sich die mit psychischer Gesundheit befassten Berufstätigen vereinigten.
Da die große Mehrheit in der Griechischen Gesellschaft für Kognitive und Verhaltenstherapie Absolventen des Ausbildungsprogramms an der zweiten Universitätsabteilung für Psychiatrie waren, richteten sich die Ausbildungsbemühungen der Gesellschaft hauptsächlich auf eine kontinuierliche Berufsentwicklung für Kognitive und Verhaltenstherapeuten. Workshops, die von hervorragenden ausländischen Kollegen durchgeführt wurden, wie Isaac Marks, Paul Salkovskis, Tom Borkovec, Christopher Fairburn, Frank Dattilio, Gillian Butler, Jeffrey Young und Antonio Pinto, ebenso wie von bewährten griechischen Kollegen waren das Hauptmittel für diesen Zweck.
Heutzutage bieten die Kurse in klinischer Psychologie an den Universitäten von Athen und Thessaloniki ebenfalls die Ausbildung in Kognitiver Verhaltenstherapie an; unglücklicherweise sind sie nur einer sehr begrenzten Zahl von Absolventen des Psychologiestudiums zugänglich. Weniger konzentrierte Arten der Ausbildung in Kognitiver Verhaltenstherapie (Vorlesungen, Seminare usw.) sind über andere akademische Ausbildungspläne in Psychiatrie und Psychologie verstreut. Eine ziemlich beträchtliche Anzahl von Psychologen, die an einer Ausbildung in Kognitiver Verhaltenstherapie interessiert sind und auch die entsprechenden finanziellen Mittel haben, wählen als Ergebnis der gegenwärtigen Ausbildungsmöglichkeiten in Griechenland unvermeidlich andere europäische Länder für ihre Ausbildung.
Als eine Reaktion auf den wachsenden Bedarf einer Ausbildung erweiterte die Griechische Gesellschaft für Verhaltensmodifikation und Verhaltensforschung ihre Unternehmungen auf Thessaloniki, indem sie eine Zweigstelle in Thessaloniki einrichtete.
Aber hat dies wirklich den Bedarf an einer umfassenden Ausbildung in Kognitiver Verhaltenstherapie gedeckt? Nein, würde ich sagen, und in diesem Bewusstsein arbeitet die Griechische Gesellschaft für Kognitions- und Verhaltenstherapien gegenwärtig (als Ergänzung zu zentralen Ausbildungsstandards der Europäischen Gesellschaft für Verhaltens- und Kognitionstherapie - EABCT) ihr Ausbildungsprogramm für CBT aus, das sie im Oktober 2005 in Gang setzen wird, kurz nach der EABCT-Tagung im September 2005. Ich vermute, dass wir von der Organisation der Tagung ziemlich müde sein werden, aber ihr Erfolg und ein erfreuliches Echo von unseren griechischen Kollegen werden hoffentlich einen neuen Enthusiasmus und ein verstärktes Engagement hervorrufen.
Die Entwicklung von Ausbildungsprogrammen zur Kognitiven Verhaltenstherapie in Griechenland entsprach dem Grad der Versorgung von Patienten oder Kunden mit Kognitiver Verhaltenstherapie. Universitätsfächer in Athen, Thessaloniki, Patras und Ioannina, Einrichtungen des staatlichen Gesundheitssystems in verschiedenen Städten (Krankenhäuser und kommunale Behandlungszentren für psychische Störungen) bieten jetzt verlässliche und wissenschaftlich begründete Kognitive Verhaltenstherapie ebenso an wie Kollegen aus dem Arbeitsgebiet psychische Gesundheit (hauptsächlich Psychiater und Psychologen), die in Kognitiver Verhaltenstherapie ausgebildet wurden und privat praktizieren. Zwei zusätzliche Aspekte dürften hier noch interessieren:
A) Spezialisierte Abteilungen für Verhaltensbehandlung, und B) Bibliotherapie.
Yiannis Kasvikis und Phevos Tsakiris, Kollegen, die von ihrer Ausbildung bei und ihrer Zusammenarbeit mit Professor Isaac Marks wohl bekannt sind, haben in den vergangenen vielen Jahren in Athen innerhalb des staatlichen Gesundheitssystems (NHS) Abteilungen für Verhaltenstherapie geführt, die weithin angenommen wurden und Erfolg hatten. Die Bibliotherapie ist der andere Gesichtspunkt, der zur Förderung der Kognitiven Verhaltenstherapie in Griechenland einen starken Beitrag leistet. Übersetzt ins Griechische haben Selbsthilfebücher der Kognitiven Verhaltenstherapie entscheidend zum Bedarf der Bevölkerung an Kognitiver Verhaltenstherapie beigetragen - um nur einige zu nennen:
David Burns Buch über Depression, Christopher Fairburns Buch über Fresssucht, Aaron Becks Buch über Eheprobleme, Jeffrey Youngs Buch über Persönlichkeitsstörungen, oder die berühmte Oxford-Serie. Die zunehmende Popularität dieser Art von Büchern ebenso wie die zunehmende Verfügbarkeit und Wahrnehmung relevanter Internet-websites zur Kognitiven Verhaltenstherapie geben den Leidenden nicht nur Informationen über ihre Probleme und die Wirksamkeit von Kognitiver Verhaltenstherapie bei einer Vielzahl von Störungen, sondern sie drängen sie auch dazu, qualifizierte Behandler für Kognitive Verhaltenstherapie aufzusuchen und auf seiner Behandlung zu bestehen. Diese zunehmende Nachfrage drängt also auch auf eine zunehmende Versorgung mit CBT.
Wir haben in Griechenland zwei beziehungsreiche Sprichwörter. Das erste lautet: "Ein Kuckuck (dieser ziemliche hässliche Vogel) macht noch keinen Frühling (diese wunderbare Jahreszeit)" und das bedeutet einfach, dass einzelne oder verstreute Bemühungen normalerweise keine allgemeine oder große Wirkung erzielen. Angewandt auf die Ausbildung und die Praxis von CBT in Griechenland bedeutet es, dass noch vieles getan werden muss. Trotz der beharrlichen und fortwährenden Bemühungen um die Förderung der CBT in Griechenland gibt es noch viele Unzulänglichkeiten. Die Ausbildungsprogramme reichen für die zunehmende Nachfrage nicht aus, und gut ausgebildete, kompetente kognitive Verhaltenstherapeuten gibt es zu wenige im Vergleich mit der verstärkten Nachfrage durch Leidende.
Die Psychotherapie selbst wie auch CBT ist keine Tätigkeit, die für ihre Praxis eine Zulassung erfordert, denn dafür gibt es noch kein griechisches Gesetz. Obwohl die Berufsausübenden auf dem Gebiet der psychischen Gesundheit ein angemessenes Pflichtgefühl besitzen, glauben einige Leute, dass sie genug CBT verstehen, um sie zu praktizieren, aber wieviel genug ist immer genug? Die Verhältnisse ändern sich und sehr bald werden jene, die sich CB-Therapeuten nennen wirklich fähige, zugelassene CB-Therapeuten sein. Bald wird es zu Ergebnissen führen, dass die EABCT sich mit Nachdruck für die zentralen Ausbildungsstandards und die Zulassung einsetzt, wofür auch die griechischen CBT-Gesellschaften eintreten.
Das zweite Sprichwort, "Wenn Mohammed (der Prophet) nicht zum Berg kommt, dann kommt der Berg zu Mohammed" ,bezieht sich auf die alternative Bemühung, die ein Unternehmen verlangt, wenn die direkteren Mittel nicht verfangen oder erfolglos bleiben. Die Zahl der griechischen Teilnehmer an EABCT-Kongressen (die außerhalb von Griechenland stattfinden) ist verhältnismäßig gering, verglichen mit dem aktuellen Interesse der allgemein mit psychischer Gesundheit befassten Berufe und auch mit dem Interesse, das besonders CB Therapeuten an solchen Veranstaltungen haben. Es ist völlig verständlich, daß dies mit schwierigen ökonomischen Gründen zusammenhängt. Gastgeber eines EABCT-Kongresses in Griechenland zu sein (den Berg zu Mohammed zu bringen) ist etwas, das sich die griechischen Kollegen werden leisten können, und derart wird die Förderung von CBT in Griechenland ein relativ erschwingliches Ziel sein.
Liebe Kolleginnen und Kollegen in Deutschland, Sie wissen bereits, dass ein EABCT-Kongress immer ein europäisches und international wissenschaftliches Hauptereignis ist. EABCT-Tagungen fördern dennoch nicht nur die Wissenschaft sondern auch den freundschaftlichen Kontakt unter den kognitiven Verhaltenstherapeuten aus aller Welt. Manchmal tritt dieser zweite Aspekt einer EABCT-Tagung mehr hervor und ist manchmal sogar erinnernswürdiger. Gastfreundschaft ist deshalb ein weiteres Schlüsselwort für eine EABCT-Tagung, besonders wenn sie in Griechenland veranstaltet wird (diejenigen von Ihnen, die das Glück hatten, 1994 die vorige EABCT-Tagung in Griechenland zu besuchen, haben die eindringlichste Bedeutung des Wortes Gastfreundschaft erfahren). Die Wurzeln der wohlbekannten griechischen Gastfreundschaft reichen zurück in die Jahre der Antike als die Griechen Xenios Zeus verehrten, den Gott der Gastfreundschaft. Da normalerweise von einem erwartet wird, endlos positive Urteile über das eigene Land abzugeben, müssen Sie mir zugestehen, kein weiteres Wort über die Schönheit der am Mittelmeer gelegenen byzantinischen Stadt Thessaloniki sowie die Sehenswürdigkeiten von Kultur und Natur in Griechenland zu äußern. Das ist etwas, was Sie schon wissen, wovon Sie gehört haben, oder was Sie sich einfach vorstellen können. Dem Umstand entsprechend, dass der EABCT-Kongress 2005 im September stattfindet - einer der besten Jahreszeiten für den Besuch von Griechenland - lässt sich positiv voraussagen (und vermutlich ist das nicht der Denkfehler des Zukunft vorhersagens), dass der EABCT-Kongress in Griechenland im September 2005 ein erinnerungswürdiges Ereignis sein wird, sowohl im Hinblick auf ihr wissenschaftliches Programm als auch auf ihre Gelegenheiten zu sozialen Kontakten und zur Entspannung.
Ich glaube, dass wir bisher ein wirklich interessantes vorläufiges Programm zusammenstellten und dass das endgültige Programm noch interessanter und ertragreicher sein wird (Auskunft über ihre Beiträge und weitere Informationen erhalten Sie unter http://www.gacbp.com/). CBT hat deshalb eine wirklich ausnehmend integrative Kraft weil CBT-Tagungen, wie die der EABCT 2005, in der Lage sind, sowohl den Ansprüchen von wissenschaftlichem Fortschritt als auch denen von humanitären Bedürfnissen und menschlichen Kontakten zu genügen. Ich hoffe, Sie alle in Thessaloniki begrüßen und mit Ihnen erleben zu dürfen, was die EABCT-Tagung 2005 verspricht.
Beste und aufrichtige Grüße
Gregoris Simos, Dr. med., Dr. phil.
President of EABCT 2005