Am 5. und 6. Oktober 2012 tagte in Wiesbaden die Delegiertenversammlung der hessischen Psychotherapeutenkammer und beschäftigte sich intensiv mit drei wichtigen Themen: der Diskussion um die Einrichtung von Psychotherapie-Studiengängen (Direktausbildung), dem Entwurf für ein neues Patientenrechtegesetz und den Finanzen der Kammer.
Psychotherapie-Studiengänge -
Direktausbildung
In einer kontroversen Diskussion widmeten sich die Delegierten der vom Bundesministerium für Gesundheit angestoßenen und von einigen Landesministerien positiv kommentierten Diskussion um die Einrichtung von Psychotherapie-Studiengängen. Dabei soll das Studium zur Psychotherapie-Approbation führen, also zur berufsrechtlichen Zulassung. Daran anschließen soll sich eine verfahrensbezogene Weiterbildung, die an den bisher tätigen Instituten durchgeführt werden könnte.
Unsere Verhaltenstherapie-Liste VT-AS (Verhaltenstherapie - Angestellte, Selbständige, AusbildungsteilnehmerInnen) setzte sich für eine offene Diskussion über Chancen und Risiken dieses Modells ein und wies auf die Notwendigkeit hin, einer Schwächung des Berufsstandes entgegenzuwirken. Da derzeit vermehrt Bachelor-AbsolventInnen gerade in die KJP-Ausbildung eintreten, besteht die Gefahr, dass unser Berufsstand die gleiche Augenhöhe mit den ärztlichen Kolleginnen und Kollegen verlieren wird, beginnend bei den Kinder- und JugendlichenpsychotherapeutInnen und dann auch bei den Psychologischen PsychotherapeutInnen. Die Einführung eines Psychotherapie-Studiums könnte dem entgegenwirken und zugleich eine Ausweitung der psychotherapeutischen Aufgaben (z. B. Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen auszustellen) ermöglichen.
Prof. Dr. Winfried Rief (Universität Marburg) erläuterte das Modell der Deutschen Gesellschaft für Psychologie, das durch die Anbindung der Psychotherapie-Ausbildung an die Universitäten (und damit an ein wissenschaftlich ausgerichtetes Studium) eine Abstufung der Psychotherapie-Ausbildung gegenüber der ärztlichen Ausbildung verhindern könnte. Gleichzeitig würde durch die Anbindung an die bestehenden Psychologischen Institute eine Eingliederung des Psychotherapie-Studiums in die medizinischen Fachbereiche verhindert. Auch die finanzielle Situation der PiA dürfte sich mit einem solchen Modell deutlich bessern.
Kontrovers wurde in der Delegiertenversammlung vor allem die Frage diskutiert, wie viel Praxisausbildung und wie viel wissenschaftliche Ausbildung im Studium verankert werden solle und was die Bedingungen sein könnten, dass alle wissenschaftlich anerkannten Verfahren an den Universitäten gelehrt werden. Nach wie vor offen ist die Frage, ob Psychotherapie-Studiengänge auch an Fachhochschulen verankert werden können; unsere Liste VT-AS sieht diese Möglichkeit sehr kritisch. Ob Psychologische PsychotherapeutInnen und Kinder- und JugendlichenpsychotherapeutInnen künftig zu einem Beruf verschmelzen werden, ist noch offen.
Patientenrechtegesetz
Im Hinblick auf den vorliegenden Entwurf eines Patientenrechtegesetzes diskutierte die Delegiertenversammlung, welche Besonderheiten aufgrund der psychotherapeutischen Beziehung und der Verantwortung der PsychotherapeutInnen für die gewonnenen Informationen über die KlientInnen und deren Angehörige zu beachten sind. Gerade der besonderen Situation einer Psychotherapie von Kindern und Jugendlichen bei ehelichen und partnerschaftlichen Konflikten der Eltern wird der Gesetzentwurf nicht gerecht. Prof. Dr. Petra Gehring (TU Darmstadt) ermunterte die Delegiertenversammlung, durch die Überarbeitung des geltenden Berufsrechts unseren Kolleginnen und Kollegen einen definierten Handlungsspielraum an die Hand zu geben.
Kammerfinanzen
Ein weiteres wichtiges Thema der Delegiertenversammlung war die Beratung und Beschlussfassung des Kammerhaushalts für das Jahr 2013. In den vergangenen Jahren war es die Politik unserer Liste, die verhältnismäßig hohen Rücklagen der Kammer aus ihrer Gründungszeit durch das Absenken der Kammerbeiträge abzuschmelzen. Diese Politik ist schließlich während der letzten Wahlperiode zweimal von einer breiten Mehrheit der Delegiertenversammlung unterstützt worden. Gleichwohl implizierte diese Finanzstrategie, dass es ein Umsteuern geben sollte, wenn die Rücklagen der Kammer unter ein definiertes Mindestniveau absinken würden. Dieser Punkt ist mit dem Haushalt 2013 erreicht.
Mit einer intensiven Diskussion im Kammervorstand konnte VT-AS erreichen, dass einvernehmlich Einsparungen u. a. bei den Aufwandsentschädigungen und den Reisekosten in einer Höhe von etwa 30.000 € in den Haushalt eingeplant wurden. Um die auch dann noch bestehende Unterdeckung von über 100.000 € auszugleichen, war eine Erhöhung der Kammerbeiträge um 30 € bei zusätzlicher Einführung von Beitragsklassen im oberen Segment der Einkünfte unumgänglich. Dabei gelten eigene Kinder weiterhin bis zum Ende der Ausbildung als beitragsmindernd. PiA sind wie bisher beitragsfrei gestellt. Mit dieser besonnenen Finanzstrategie ist die Kammer im Hinblick auf die im Bundestags- und Landtagswahljahr 2013 notwendigen Ausgaben für Öffentlichkeitsarbeit gut aufgestellt, ohne die Mitglieder über Gebühr zu beanspruchen.
Karl-Wilhelm Höffler
Landessprecher Hessen
Kontakt: hessen@dgvt.de