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PEPP oder TEPP oder doch noch die alte PsychPV?

Das neue Entgeltsystem für Psychiatrische Kliniken wird kontrovers diskutiert.


Online-Petitionen an den Bundestag sind der große Renner – Anfang Februar gab‘s auch eine zum neuen Entgeltsystem für Psychiatrische und Psychosomatische Kliniken (PEPP). Dieses soll entsprechend dem Gesetz zur Einführung eines pauschalierenden Entgeltsystems für psychiatrische und psychosomatische Einrichtungen (Psych-Entgeltgesetz – PsychEntgG - vom 21.7.2012) ab 2015 schrittweise als neue Basis für die Vergütung eingeführt werden. Gleichzeitig wird erstens die Personalverordnung Psychiatrie (PsychPV, vom 18.12.1990) zum 1.1.2017 außer Kraft gesetzt. Und zweitens wird der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) nach § 137 Abs. 1c SGB V verpflichtet, zum 1.1.2017 Standards für die Strukturqualität in diesen Kliniken zu entwickeln, die sodann verbindlich umgesetzt werden.  Die Problematik des PsychEntgG und auch die mit einer pauschalierten Vergütung in psychiatrischen/psychosomatischen Kliniken verbundenen Probleme und Kontroversen haben wir in der Rosa Beilage und der VPP mehrfach dargestellt.

Die erwähnte Online-Petition (https://epetitionen.bundestag.de/petitionen/_2013/_10/_25/Petition_46537.nc.html) konnte bis zum 20.2.2014 unterzeichnet werden. Wenn 50.000 Unterschriften zusammen kommen (danach sieht es am Tag des Redaktionsschlusses, dem 13.1.14, nicht aus); würde der Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages über den Inhalt beraten und zwar die Frage, ob der Deutsche Bundestag aufgefordert werden soll, die Einführung von PEPP um zwei Jahre zu verschieben, um alternative Abrechnungssysteme für diesen Sektor zu überprüfen.

Im Hintergrund der Initiative zur Petition dürfte zunächst die weiterhin fehlende Akzeptanz der neuen Vergütungsstruktur in weiten Bereichen der Psychiatrie und auch bei vielen Betroffenenverbänden stehen. Zum anderen sind zwei aktuelle Entwicklungen zu nennen: Zum einen haben es die Bedenken gegen das PEPP sogar in den Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung vom Dezember 2013 geschafft. Dort wurde eine Prüfung des Systems in Aussicht gestellt – wie man hört, sollen insbesondere die SPD (die traditionell eine gewisse Nähe zu Gewerkschaften hat) und ihre Gesundheitsexperten mit dem System fremdeln. Zum anderen ist die von Seiten der Chefärzte einiger größerer Psychiatrien vorangetriebene Entwicklung eines (anderen) Tageskostenbasierten Entgeltsystems (TEPP) gerade vorgestellt worden. Das TEPP greift aus Sicht der Autoren manche Nachteile von PEPP auf und verspricht sie zu lösen (Klimke et al., 2014).

Wie kann man sich aus psychosozialer und psychotherapeutischer Sicht dazu positionieren?

  • Die durch das PsychEntgG veranlassten Veränderungen der Vergütung lassen sich durchaus als kleine Revolution für diesen Bereich verstehen. Und deshalb ist ziemlich klar vorhersehbar, dass die erste Version des neuen Vergütungssystems PEPP sicher nicht in jeder Hinsicht zufriedenstellend sein wird und der Überarbeitung bedarf. PEPP ist ja auch von vorneherein als „lernendes System“ konzipiert, und es gibt intensive Begleituntersuchungen, die diese dauernden Optimierungen gewährleisten sollen (vgl. Häring et al., 2014).
  • Auch ist die Befürchtung nicht völlig aus der Luft gegriffen, dass aus den neuen Qualitätsstandards, die der GBA zu entwickeln hat, Papiertiger werden, die keinesfalls die Standards der PsychPV erreichen, welche vor 25 Jahren als großer Durchbruch für die Qualität der sozialpsychiatrischen Versorgung gefeiert wurden. Aber immerhin werden die GBA-Standards in einem transparenten Verfahren entwickelt, sie werden eine hohe (vermutlich einklagbare) Verbindlichkeit haben (im Unterschied zur PsychPV) und der GBA hat sich in seinen Arbeiten am Stand der Evidenz zu orientieren. Und das bedeutet beispielsweise, dass Psychotherapie als Behandlungsangebot in einem leitliniengerechten Umfang für beinahe alle Indikationen innerhalb der Psychiatrie vorzusehen ist und natürlich auch entsprechend qualifiziertes Personal vorgehalten werden muss - auch das gab es in der PsychPV nicht.
  • Häufig wird betont, dass das PEPP, in seiner jetzigen Ausgestaltung, durch die vorgesehene sogenannte degressive Vergütung (die Tagespauschalen sind in den ersten Behandlungstagen höher als im späteren Verlauf) kurze stationäre Behandlungszeiten belohnt. Ob es aber vorzeitige Entlassungen (in der somatischen Medizin spricht man im DRG-Zeitalter von „blutigen Entlassungen“) belohnt, kann nicht guten Gewissens vorhergesagt werden. Das hängt vom Verhältnis der wirklich entstehenden Kosten zu den Höhen der Pauschalen ab. Und es hat sich gezeigt: Die Behandlungskosten sind in allen Indikationen der Psychiatrie in den ersten Behandlungstagen höher als im weiteren Verlauf – es käme also auf die angemessene Justierung der Pauschalen an. Ob das TEPP wiederum in der Lage ist, durch das Herausrechnen von Intensivbehandlung und 1:1-Betreuung die befürchteten negativen Folgen der Degression zu verhindern, könnte natürlich geprüft werden (vgl. Häring et al., 2013). Ob es aber in der Lage ist, andere Probleme, die mit der PsychPV und den klinikindividuellen, indikations- und behandlungsdauerunabhängigen Pflegesätzen verbunden sind, zu lösen, muss offen bleiben. In dem oben erwähnten Artikel von Klimke et al. (2014) wird beispielsweise mit keinem Wort darauf hingewiesen, dass die gegenwärtig unzureichende Vorhaltung psychotherapeutischer Leistungen in vielen Psychiatrien Deutschlands etwas mit dem Vergütungssystem und mit der PsychPV zu tun haben könnte, und dass das TEPP hier Verbesserungen bringen soll.

Heiner Vogel

Literatur:

Häring, B., Kutschis, M. & Bleich, S. (2014). Das neue Entgeltsystem für Psychiatrie und Psychosomatik – Herausforderungen, Chancen und Risiken einer neuen Leistungsvergütung. Fortschr Neurol Psychiatr. 82 (1), 30–38, (DOI dx.doi.org/10.1055/s-0033-1356344)

Häring, B., Kutschis, M. & Bleich, S. (2013). PEPPplus und TEPP – Beitrag im WWW-Blog Psychiatrie-Entgelt vom 8.10.13. [download am 13.2.14: www.psychiatrie-entgelt.de/2013/10/08/pepp-plus-und-tepp/]

Klimke, A., Bader, R., Berton, R., Borrmann-Hassenbach, M., Brobeil, T., Nitsche, R., Reitel, G., Schillinger, M. & Godemann, F. (2014). Vergütungssystem für Psychiatrie und Psychosomatik. Studie zur Machbarkeit eines tageskostenbasierten Entgeltsystems. Nervenarzt, 85 (1), 88-96 (DOI 10.1007/s00115-013-3981-7)


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