Eine aktuelle Studie im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung belegt erneut, dass ein Großteil der an schweren Depressionen erkrankten Personen in Deutschland nicht den gültigen Leitlinien entsprechend behandelt wird. Damit bestätigt die vom Health Risk Institute anhand der Sekundärdaten von sechs Millionen Versicherten von Innungs- und Betriebskrankenkassen durchgeführte Erhebung die Ergebnisse anderer Studien aus den vergangenen Jahren. Die Deutsche Gesellschaft für Verhaltenstherapie e.V. (DGVT) fordert von Politik und Krankenkassen, aus diesen Erkenntnissen endlich die überfälligen Konsequenzen zu ziehen. PatientInnen mit schweren Depressionen müssen endlich die notwendige Versorgung erhalten.
Die in allen Studien dargestellten Defizite in der Versorgung von Patienten mit schwerwiegenden Depressionserkrankungen sind mittlerweile hinlänglich bekannt. Neben dem Patientenanteil, der stationär behandelt wird (rund 14 Prozent) erhalten in der ambulanten Therapie lediglich weitere 12 Prozent der Betroffenen eine Behandlung, die Medikation und Psychotherapie kombiniert. Aber genau diese Kombination ist in der „Nationalen Versorgungs-Leitlinie Unipolare Depression“ als fachgerecht definiert.
Gut die Hälfte der Betroffenen erhält lediglich eine der beiden Behandlungsformen, 18 Prozent werden überhaupt nicht behandelt. Dabei treten laut Bertelsmann-Stiftung regional große Unterschiede auf. Besonders schlecht ist die Versorgung in den östlichen Bundesländern und in ländlichen Gebieten. Aber selbst in Regionen, die vergleichsweise gut abschneiden, liegt der Anteil der leitliniengerecht behandelten Patienten bei bestenfalls 40 Prozent.
Die DGVT nimmt die aktuelle Studie zum Anlass, erneut auf die Dringlichkeit einer verbesserten Patientenversorgung im Bereich der ambulanten Psychotherapie aufmerksam zu machen. Der Mangel an qualifizierten Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten in vielen Regionen ist eine wichtige Ursache für die neuerlich festgestellten Defizite. Die jüngst vom Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenkassen in einem Positionspapier geforderte weitere Rationierung ambulanter Psychotherapien wäre angesichts der Studienergebnisse ein erneuter Schlag ins Gesicht der Betroffenen.
Depressive Störungen sind eine der häufigsten psychischen Erkrankungen und sehr oft für Arbeitsunfähigkeit und Erwerbsminderung verantwortlich. Patienten mit schweren Depressionen sind zudem häufig suizidgefährdet, Angehörige durch die Erkrankung oft stark belastet. Politik und Krankenkassen stehen hier in einer gesellschaftlichen Verantwortung, der sie zum Wohl der Betroffenen endlich nachkommen müssen.