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Psychotherapie in der Kostenerstattung - Kleine Anfrage im Bundestag


(kb) Die Kostenerstattung in der Psychotherapie ist das Thema einer Kleinen Anfrage (18/1947) der Fraktion BÜNDNIS 90/Die GRÜNEN vom 25.6.2014. Dabei geht es u.a. um die neu entstandene Problematik, dass die Krankenkassen die Daten zur Kostenerstattung nicht mehr zur Veröffentlichung an das Bundesgesundheitsministerium weitergeben müssen. Aufgrund eines Ministerialerlasses von 2013 muss das Ausmaß der Kostenerstattung für psychotherapeutische Leistungen der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) nicht mehr transparent ausgewiesen werden. Die Ausgaben für Psychotherapie in der Kostenerstattung sind zwischen 2002 und 2012 um das Achtfache gestiegen. Die Grünen wollen nun wissen, ob die Bundesregierung plant, diesen Zustand zu beenden.

Die Abgeordneten fragen u.a., welche Schlussfolgerungen die Regierung aus der steigenden Zahl der Kostenerstattungsverfahren zieht. Diese Frage halten wir für zentral. Die Wartezeiten werden durch Kostenerstattungs-Therapien reduziert und mit genauen Daten über deren Versorgungsanteil könnten weiterführende Forderungen nach neuen KV-Sitzen selbstverständlich viel besser untermauert werden. Wenn die Daten über die Kostenerstattungs-Therapien zukünftig nicht mehr verfügbar sind, entfällt eine wichtige Möglichkeit objektiv zu belegen, dass selbst die Krankenkassen in ihrem täglichen Handeln die Defizite der Bedarfsplanung sehen und entsprechend Kostenerstattungs-Psychotherapien (in rasant steigendem Umfang) genehmigen.

Nachfolgend finden Sie die Anfrage mit ihren durchnummerierten Teilfragen, ergänzt um die dazwischen notierten Antworten der Bundesregierung:

Deutscher Bundestag, Drucksache 18/2140 vom 17.07.2014

Titel: Anstieg der Kostenerstattung für Psychotherapie in der gesetzlichen Krankenversicherung

Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Maria Klein-Schmeink u.a. und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (Drucksache 18/1947)

Vorbemerkung der Fragesteller:
Immer mehr gesetzlich Versicherte finden keinen Therapieplatz bei einem Psychotherapeuten mit Zulassung zur vertragsärztlichen und vertragspsychotherapeutischen Versorgung. Sie sind daher darauf angewiesen, die Therapie bei niedergelassenen Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten ohne Zulassung durchzuführen und sich die Kosten gemäß § 13 Abs. 3 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) von der Krankenkasse erstatten zu lassen. In den vergangenen zehn Jahren sind die Ausgaben für Kostenerstattungen für Psychotherapie nach § 13 Abs. 3 SGB V beinahe um das Achtfache gestiegen (…). Vom ersten Halbjahr 2012 auf das erste Halbjahr 2013 haben die Ausgaben um fast die Hälfte zugenommen. Aufgrund einer Änderung des Erlasses „Rechnungswesen und Statistik der GKV“ des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) müssen Krankenkassen die Daten zur Kostenerstattung gemäß § 13 Abs. 3 SGB V nicht mehr zur Veröffentlichung an das BMG weitergeben (…). Dadurch ist seit dem Jahr 2013 nicht mehr nachvollziehbar, wie sich die Kostenerstattung für Psychotherapie entwickelt und wie sehr Patientinnen und Patienten darauf angewiesen sind, um eine zeitnahe psychotherapeutische Behandlung zu erhalten. Deutlich wird hierdurch, dass Handlungsbedarf in Bezug auf das ambulante Angebot der Behandlung psychischer Erkrankungen besteht.

Vorbemerkung der Bundesregierung:
Die Bundesregierung teilt die Auffassung der Fragesteller, dass es ein wichtiges Anliegen ist, allen psychisch Erkrankten ein Angebot zur ambulanten Behandlung zur Verfügung zu stellen.
Der Bundesregierung ist auch bekannt, dass Versicherte im Einzelfall Schwierigkeiten haben, zeitnah eine psychotherapeutische Versorgung im Rahmen des Sachleistungsprinzips zu erhalten und sich die Leistung im Rahmen des § 13 Abs. 3 SGB V selbst zu beschaffen und bei der Krankenkasse erstatten zu lassen.
Der Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD für die 18. Legislaturperiode sieht daher ausdrücklich vor, in der psychotherapeutischen Versorgung Wartezeiten zu verkürzen. Erforderliche gesetzliche Regelungen werden Gegenstand eines kommenden  Gesetzgebungsvorhabens sein.

  1. Was hat die Bundesregierung dazu bewogen, die bisher stets ausgewiesenen Ausgaben für Kostenerstattung für Psychotherapie gemäß § 13 Abs. 3 SGB V aus der Statistik zu streichen?

    Im Gegensatz zu sonstigen Erstattungen im Bereich der GKV existierte bis 2013 im Bereich der Rechnungslegung eine spezielle Regelung für Kostenerstattungen nach § 13 Abs. 3 SGB V für psychotherapeutische Behandlungen, die in der Kontenart 593 getrennt zu buchen waren. Mit Erlass vom 15. August 2013 wurde im Kontenrahmen der gesetzlichen Krankenversicherung die Kontenart 593 zum 1. Januar 2013 gelöscht. Somit ist die Verpflichtung zur getrennten Buchung entfallen. Aus fachlicher Sicht wurde hier keine Notwendigkeit gesehen, lediglich einen Teilbereich, hier Erstattungen für Psychotherapie, abbilden zu lassen, ohne den Gesamtumfang aller Kostenerstattungen nach § 13 Abs. 3 SGB V beziffern zu können. Auch aufgrund der nach wie vor eher geringfügigen Bedeutung der Erstattungen (45 Mio. Euro im Jahr 2012) am Gesamtleistungsvolumen für ambulante psychotherapeutische Leistungen (ca. 1,5 Mrd. Euro) und in Anbetracht des bislang angefallenen Verwaltungsaufwands bei einer getrennten Ausweisung werden zukünftig die Buchungsvorgänge zur Kostenerstattung im Bereich der Psychotherapie an die allgemeinen Buchungsvorschriften zur Kostenerstattung angepasst.

  2. Plant die Bundesregierung diese Ausgaben wieder in der Statistik auszuweisen, und ggf. ab wann? Wenn nein, warum nicht?

    Die Bundesregierung plant nicht, diese Ausgaben wieder in der Statistik auszuweisen. Der anfallende Verwaltungsaufwand bei der IT-technischen Umsetzung dieser Buchungsvorgänge ist erheblich und bei der Höhe der Ausgaben nicht sachgerecht.
     
  3. In welcher Höhe sind den Krankenkassen seit dem ersten Quartal 2004 bis zum ersten Quartal 2014 pro Quartal Ausgaben für Kostenerstattung für Psychotherapie gemäß § 13 Abs. 3 SGB V entstanden, und wie viele Fälle betrifft dies (bitte nach Kassenärztlicher Vereinigung und ab dem Jahr 2012 nach Planungsbereichen aufschlüsseln)?

    Die Ausgaben pro Quartal seit dem ersten Quartal 2004 bis zur letztmaligen Erhebung im zweiten Quartal 2013 ist der folgenden Tabelle[1] zu entnehmen, die Anzahl der Fälle sind der Bundesregierung nicht bekannt, da sie in der amtlichen Statistik nicht ausgewiesen werden.

  4. In welcher Höhe und in wie vielen Fällen betrifft dies die psychotherapeutischen Behandlungen von Kindern und Jugendlichen (bitte Zeitraum und Aufschlüsselung wie in Frage 3)?



    Eine Unterscheidung der Ausgaben für die Behandlung von Kindern und Jugendlichen sieht die amtliche Statistik nicht vor, daher können hierzu keine Angaben gemacht werden.

  5. Sind der Bundesregierung z. B. durch Beschwerden von Patientinnen und Patienten oder ihrer/ihren Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten beim Patientenbeauftragten der Bundesregierung Anhaltspunkte dafür bekannt, dass Krankenkassen Anträge auf  Kostenerstattungen gemäß § 13 Abs. 3 SGB V ohne nachvollziehbare Begründung oder wegen zu hoher Anforderungen an den Nachweis eines fehlenden Platzes bei zugelassenen Therapeutinnen und Therapeuten ablehnen oder über eine längere Zeit nicht bearbeiten?

    Dem Beauftragten der Bundesregierung für die Belange der Patientinnen und Patienten liegen einzelne Beschwerden im Zusammenhang mit Anträgen auf Übernahme der Kosten einer außervertraglichen Psychotherapie vor, aus denen sich jedoch aktuell keine Anhaltspunkte für eine systematische Verkürzung der Rechte von Patientinnen und Patienten ergeben.
    Um Versicherte der gesetzlichen Krankenversicherung vor vermeidbaren Verzögerungen bei der Bewilligung von Leistungen zu schützen, wurde mit dem Patientenrechtegesetz die Regelung des § 13 Abs. 3a SGB V geschaffen. Krankenkassen haben danach über Anträge auf Leistungen zügig, spätestens bis zum Ablauf von drei Wochen, bei Einholung einer gutachterlichen Stellungnahme innerhalb von fünf Wochen nach Antragseingang zu entscheiden. Soweit Anträge auf Leistungen abgelehnt werden, ist eine Beurteilung der Gründe für die Ablehnung grundsätzlich im Wege des Rechtsbehelfs oder der aufsichtsrechtlichen Prüfung möglich. Der Beauftragte der Bundesregierung für die Belange der Patientinnen und Patienten informiert daher Patientinnen und Patienten, die sich mit entsprechenden Beschwerden an ihn wenden, über ihre Rechte und Handlungsmöglichkeiten, z. B. über die Möglichkeiten von Widerspruch und Klage sowie die Möglichkeit, sich an die jeweilige Aufsichtsbehörde zu wenden.


  6. In wie vielen Fällen werden nach Kenntnis der Bundesregierung Anträge auf Kostenerstattung für eine Psychotherapie gemäß § 13 Abs. 3 SGB V von den Krankenkassen angenommen bzw. abgelehnt, und wie lang ist die durchschnittliche Bearbeitungsdauer hierfür?

    Dem BMG liegen hierzu keine Erkenntnisse vor. Auch dem GKV-Spitzenverband, der um Stellungnahme gebeten wurde, liegen belastbare Erkenntnisse über Fallzahlen angenommener bzw. abgelehnter Anträge auf Kostenerstattung nach § 13 Abs. 3 SGB V nicht vor. Im Hinblick auf die durchschnittliche Bearbeitungsdauer liegen dem GKV-Spitzenverband auch keine Erkenntnisse vor. Der GKV-Spitzenverband weist – wie der Beauftragte der Bundesregierung für die Belange der Patientinnen und Patienten (vgl. Antwort zu Frage 5) – auf den § 13 Abs. 3a SGB V hin, nachdem die Krankenkasse über einen Antrag auf Leistungen zügig, spätestens bis zum Ablauf von drei Wochen nach Antragseingang oder in Fällen, in denen eine gutachtliche Stellungnahme eingeholt wird, innerhalb von fünf Wochen nach Antragseingang zu entscheiden hat. Der GKV-Spitzenverband geht davon aus, dass die Anträge innerhalb der vorgesehenen Fristen bearbeitet werden.


  7. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus der steigenden Zahl an  Kostenerstattungsverfahren in der Psychotherapie, und wo plant sie anzusetzen, um diesen Zustand zu beenden?

    Der Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD sieht vor, dass in der psychotherapeutischen Versorgung Wartezeiten reduziert und mehr Betroffenen ein zeitnahes Angebot für eine Kurzzeittherapie eröffnet werden soll. Der Gemeinsame Bundesausschuss wird hierzu den Auftrag erhalten, die Psychotherapie-Richtlinien zu überarbeiten mit dem Ziel, insbesondere durch die Verkürzung von Wartezeiten und Gewährleistung eines niedrigschwelligen flexiblen und wohnortnahen Zugangs eine Verbesserung der psychotherapeutischen Versorgung zu erreichen. Die Prüfung, welche konkreten Maßnahmen zur Erreichung der beschriebenen Ziele erforderlich sind, sind noch nicht abgeschlossen.

 

Quelle: dipbt.bundestag.de/dip21/btd/ 18/021/1802140.pdf


[1] Anmerkung: Die rechte Spalte und die untere Zeile der Tabelle sind von der Redaktion der Rosa Beilage ergänzt worden.

Quelle: Rosa Beilage 3/2014, S. 11ff.


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