Da ich persönlich mit China, speziell Shanghai, eine enge Verbindung habe, war der Besuch des dort stattfindenden Psychotherapiekongresses für mich schon obligatorisch. Hier mein kurzer, sicherlich unvollständiger und subjektiver Bericht einer in jeder Hinsicht sehr lohnenswerten Reise.
Vom 9. bis 11. Mai 2014 fand der 21. IFP-World Congress of Psychotherapy, diesmal in der chinesischen „wirtschaftlichen Hauptstadt“ unter der lokalen Betreuung der China Association of Mental Health Shanghai statt.
Die IFP (International Federation for Psychotherapy) ist eine internationale Psychotherapeutische Dachorganisation, die sich als interdisziplinär und interkulturell ausweist.
Der diesjährige Kongess stand unter der Überschrift „Beiträge der Psychotherapie zur Globalen Gesundheit“. Hierfür gelang es den Verantwortlichen, Franz Caspar (Präsident der IFP, Universität Bern, Schweiz), ZhaoXudong (Chief Physician, Tongji University, China) und XuYifeng (Chief Physician, Peking University The Sixth Hospital, China), wichtige Vertreter aus den unterschiedlichsten Bereichen von 29 Nationen für die Veranstaltung zu gewinnen.
Das Ergebnis bot mit fast 80 Symposien und Workshops ein mehr als reichhaltiges Angebot für professionellen Austausch und Kontakt. Nicht zu vergessen, dass dieser Austragungsort auch kulturell und touristisch sehr viel zu bieten hat und entsprechende Angebote hinzugebucht werden konnten.
Zum Ablauf: Eröffnet wurde die Veranstaltung durch fünf Vorträge von N. Sartorius zum Thema „Mental health and the role of psychotherapy“ sowie M. Braun, F. Caspar (Universität Bern) und M. Cierpka zu den Themen „The status of psychotherapy research and practice in South America“, „Psychotherapy research and practice“ sowie „Prevention and intervention in childhood to maintain mental health“. Danach folgten die zahlreichen Seminare und Workshops.
Insgesamt war die Veranstaltung mit mehr als 1 000 Teilnehmern sehr gut besucht, wobei der asiatische Raum dominierend war. Dank zahlreicher engagierter Dolmetscher, die auch für die Diskussionen zwischen den Veranstaltungen zur Verfügung standen, gelang es das babylonische Sprachgewirr zu meistern.
Neben vielen interessanten Workshops, z.B. zu PsychoTrauma-Störungen, waren die kulturellen Aspekte Schwerpunktthema.
Mir wurde deutlich, dass „westliche“ Psychotherapie nicht so einfach auf asiatische Länder übertragbar ist, besonders Werteaspekte wurden von chinesischer Seite – nachvollziehbarerweise – sehr kritisch hinterfragt. In diesem Zusammenhang gab es auch einen sehr interessanten Ansatz, die Psychotherapie weniger in die moderne Medizin zu integrieren, sondern sie eher in die TCM (traditionelle chinesische Medizin) einzugliedern. Sowohl aus (kulturellen) Akzeptanzgründen, als auch durch die dort eher aktive Rolle des Patienten bzw. der Patientin sei dies naheliegend. Leider war die Diskussion über diesen spannenden Bereich mangels TeilnehmerInnen aus Europa und den USA etwas einseitig. Die Australier machten dies dann doch wieder etwas wett, allerdings mit einer eher kritischen Haltung gegenüber den USA.
Als weiteres Thema wurde immer wieder die Notwendigkeit der Psychotherapieforschung betont, besonders mit Hinblick auf Praktikabilität und Übertragbarkeit auf die klinische Arbeit. Hier sei die Kooperation von Forschendem und Praktiker noch sehr zu verbessern. Einige Ansätze hierzu waren aus China und Afrika zu erfahren.
Last but not least: Die Rolle der Attribution im kulturellen Kontext verstehen und nutzen! war eine wichtige take home message und der Hinweis auf die Bedeutung kulturell verankerter subjektiver Krankheitsmodelle psychischer Störungen (z.B. zur Bedeutung des Flusses der Lebensenergie Chi in der TCM).
Insgesamt kann ich nur stichprobenartig und sehr subjektiv berichten, da die Fülle der Workshops und Seminare es für einen einzelnen einfach nicht möglich machte, überall „mal reinzuschauen“. Auch verhinderten spannende Diskussionen danach und in den Pausen oft den Besuch der einen oder anderen Veranstaltung.
Sehr positiv ist zu bemerken, dass bereits VOR Beginn des Kongresses zu jeder Veranstaltung umfangreiche Materialien – nicht nur die Präsentationen – zur Verfügung standen. So war eine effiziente Auswahl der Veranstaltung gut möglich.
In meinen Augen war der Kongress für Veranstalter und Teilnehmer ein voller Erfolg. Das überwiegend junge Publikum brachte viel frischen Wind und Elan in die Diskussionen. Der Einsatz des Handys als Fotoapparat für die zweisprachigen Präsentationen (in der genannten Publikation ist alles nur auf Englisch) und als Erinnerung an den Dozenten war fast schon ein „Muss“. Erfreulich: Kein Handy hat während einer Veranstaltung geklingelt und keine Telefonate haben in den Veranstaltungen stattgefunden!
Nicht zu vergessen, dass Shanghai selber sich zu einer modernen Weltmetropole für Shopping, Essen und Kultur gemausert hat, die alleine schon eine Reise wert ist.
Bernd Sommer
Klinik Buching der DRV Schwaben
Rauhenbichl, 87642 Halblech
bernd.sommer@drv-schwaben.de