Nach 16 Jahren im Internationalen Congress Centrum (ICC) fand der Hauptstadtkongress in diesem Jahr zum ersten Mal im neu errichteten CityCube statt. Rund 8 000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus allen Branchen des Gesundheitswesens besuchten die dreitägigen Fachkongresse mit den Oberthemen ‚Krankenhaus Klinik Rehabilitation‘,‚Deutscher Pflegekongress‘ und ‚Deutsches Ärzteforum‘. Dazu kommt das Hauptstadtforum Gesundheitspolitik. Traditionell waren viele Persönlichkeiten aus dem Gesundheitswesen mit Rang und Namen vertreten, Kassenvorstände, Vorsitzende von Ärzteverbänden, GesundheitspolitikerInnen, VertreterInnen der Selbstverwaltung und Vorstände von marktführenden Pharmaunternehmen.
Beim Hauptstadtforum Gesundheitspolitik 2014 ging es um eine Qualitätsoffensive für das Deutsche Gesundheitswesen, um die Zukunft der freien Berufe, um internationale Kooperationen im Gesundheitswesen, um die Arbeit des Gemeinsamen Bundesausschusses, um die Freiberuflichkeit in Zeiten der Generation Y und den demografischen Wandel und seine unterschiedlichen Auswirkungen auf die Kranken- und die Rentenversicherung.
Der Deutsche Pflegekongress widmete sich in diesem Jahr u. a. dem Fachkräftemangel in der Pflege, den Aspekten einer kultursensiblen Altenpflege, der Zukunft und Finanzierung der Pflegeversicherung und der Pflegeausbildung.
Beim Deutschen Ärzteforum ging es vor allen Dingen um Qualitäts- und Leitlinienentwicklung im Gesundheitswesen und dabei um die Frage „Wo steht Deutschland?“, um eine effiziente Patientenversorgung durch vernetztes Arbeiten, um die personalisierte Medizin am Beispiel der Onkologie, um die Nutzenbewertung, um die Über-, Unter- und Fehlversorgung und inwieweit die rollende Arztpraxis eine Lösung der Versorgungsprobleme für dünn besiedelte Gebiete darstellen kann.
Im Rahmen des Kongresses Krankenhaus Klinik Rehabilitation 2014 wurden Themen behandelt wie: Social Media und Gesundheitsmarkt, den Ländern geht die Puste aus:Monistik und was nun?,Reha-Unternehmen modern:Produktivität und Qualität sind machbar, Krankenhaus Rating Report 2014 und um komplementäre Medizin.
Obwohl als nationaler Kongress ausgeschrieben, gab es auch internationale Symposien, z. B. für Deutsch-Chinesische Kooperationen im Gesundheitswesen. Dieses Symposium hat bereits Tradition auf den Hauptstadtkongressen und wird von dem Kongresspräsidenten, Ulf Fink, immer persönlich geleitet.
In diesem Jahr nicht stattgefunden hat der ‚Tag der Niedergelassenen‘, der die letzten Jahre in Zusammenarbeit mit der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) und den KVen organisiert wurde. Inwieweit dies mit dem Wechsel an der KBV-Spitze zusammenhing, hat mir die Kongressorganisation nicht beantwortet.
Nach der Eröffnung des Kongresses durch Dr. Ingrid Völker und den Grußworten der wissenschaftlichen Leitungen der einzelnen Kongresse hielt Professor Wiestler vom Deutschen Krebsforschungszentrum den Eröffnungsvortrag zum Thema ‚Chancen und Möglichkeiten einer individualisierten Krebsmedizin‘. Personalisierte Medizin ist ein Behandlungskonzept, das KrebspatientInnen zielgerichtet und schnell zu einer für sie geeigneten Therapie verhelfen kann. Bei Krebserkrankungen ist die individualisierte Medizin besonders wichtig, da es sich bei der Krebserkrankung um eine Krankheit handelt, bei der sich die Zellen verändern. Gerade in der Krebsmedizin gibt es besonders viele Unterschiede im individuellen Verlauf der Krankheit. Durch Fortschritte der Krebsmedizin der letzten Jahrzehnte hat man zusätzlich gelernt, dass auch ein und dieselbe Krebserkrankung oft ungleiche biologische Grundlagen bei zwei unterschiedlichen PatientInnen hat. Die Krebsmedizin ist die Sparte der Medizin, die am weitesten fortgeschritten ist in der Umsetzung dieses Gedankens einer maßgeschneiderten, personalisierten Diagnostik und Behandlung.
Nach dem Eröffnungsvortrag kündigte Ulf Fink, der Kongresspräsident, Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe an, der die Zielvorstellungen der großenKoalition in der Gesundheitspolitik vorstellte und mit einem Zitat des Philosophen Karl Popper „Der Wert eines Dialogs hängt vor allem von der Vielfalt der konkurrierenden Meinungen ab“ begann. Zunächst verkündete er mit Stolz, dass das Deutsche Gesundheitswesen „unabhängig vom Einkommen und der Region“ für jedermann zugänglich sei. Nichtsdestotrotz gäbe es neue Herausforderungen durch die demografische Entwicklung und den bevorstehenden Fachkräftemangel. Die Basis von allem sei eine solide finanzielle Grundlage, die die Bundesregierung mit dem GKV-Finanzstruktur- und Qualitätsweiterentwicklungsgesetz (GKV-FQWG) geschaffen habe. Die Krankenkassen erhielten „mehr Finanzautonomie“; im Interesse der Konjunktur habe man aber „an der beschäftigungsfreundlichen Festschreibung des Arbeitgeberbeitrages festgehalten.“ Man befürworte einen Preis- und Qualitätswettbewerb der Krankenkassen - die AOK PLUS in Sachsen und Thüringen hätten vorgemacht, wie dies gehe und hätten Beitragssenkungen verkündet.
Ein Problem sei die Sicherung der Versorgung im ländlichen Raum, die man erhalten müsse – auch wenn es in einigen Regionen teilweise einen Bevölkerungsverlust von einem Drittel gäbe. Hierzu werde man im Ministerium die Vorschläge des Sachverständigenrates Gesundheit sorgfältig auswerten. Dabei müsse man berücksichtigen, dass die neue Ärztegeneration andere Vorstellungen von ihrem Beruf habe, die zwar selbstverständlich auch für ihre PatientInnen da sein wolle, aber auch genügend Zeit für ihre Familien und für ihre Freizeit haben möchte. Daher müsse mehr für die „Vereinbarkeit von Familie und Beruf“ getan werden. Man wolle deshalb auch „die gemeinschaftliche Berufsausübung“ unterstützen, d. h. Ärztenetze und medizinische Versorgungszentren „MVZ“ sollten mehr Förderung erhalten. Konkret nannte Gröhe hier die Möglichkeit, dass auch die Ärzte einer Fachgruppe künftig ein MVZ gründen könnten und dass es auch MVZs in kommunaler Trägerschaft geben solle. Auch wolle man prüfen, da, wo es Sinn mache, ärztliche Tätigkeiten auf andere geschulte Kräfte (Pflegepersonal oder PraxishelferInnen) zu delegieren.
Zwar seien lange Wartezeiten bei Fachärzten nicht die Regel, sie seien aber auch keine Ausnahmefälle, so dass die angekündigten Servicestellen, die den PatientInnen zu früheren und verbindlicheren Terminen beim niedergelassenen Facharzt verhelfen sollen, auf jeden Fall kommen werden, wie sie übrigens die KV Sachsen bereits eingeführt habe. Dies seien zunächst kurzfristige Maßnahmen, denen längerfristige Maßnahmen folgen müssten. In Zusammenarbeit mit den Ländern werde man die Ausbildung im Bereich der Allgemeinmedizin verbessern. Es gäbe hier bereits Gespräche mit den Wissenschaftsministerien der Länder.
Ein zentrales Anliegen sei auch die Verbesserung der Qualität der Versorgung. Hier gehe er davon aus, dass das neue Qualitätsinstitut schon bald bessere Daten über Behandlungsabläufe vorlegen könne. Er wolle außerdem den schleppenden Aufbau einer IT-Infrastruktur für die elektronische Gesundheitskarte per Gesetz beschleunigen. Noch in diesem Jahr werde er den Entwurf eines sog. „E-Health-Gesetzes“ vorlegen, und es solle Anreize für die Ärzte geben, die sich an dem Projekt beteiligen. Auf den elektronischen Gesundheitskarten sollen dann nicht nur die Notfalldaten von PatientInnen gespeichert und elektronisch abrufbar sein, sondern auch eine Übersicht aller verordneten Medikamente. Zudem sollen die Entlassungsbriefe nach Klinikaufenthalten den behandelnden Ärzten elektronisch übermittelt werden können.
Außerdem arbeite sein Ministerium mit Hochdruck an einem neuen Präventionsgesetz, das er noch in diesem Jahr vorlegen wolle. Dabei hätten sie sowohl die Verhaltens- als auch die Verhältnisprävention im Blick, aber es könne immer nur darum gehen, qualitätsgesicherte Aspekte auszugestalten.
Zum Abschluss kam er dann noch auf die Pflegereform zu sprechen, bei der man das Leistungsvolumen um ca. 20% erhöhen werde, und er äußerte sich auch zu den organisierten Angebote zur Selbsttötung, die man unbedingt verhindern müsse. Sie dürften sich nicht als Alternative zur Behandlung etablieren, stattdessen müssten Palliativmedizin und Hospiz-Angebote ausgebaut werden.
Zur üblichen Fragerunde mit dem Minister kam es dann leider nicht mehr, da ein Feueralarm ertönte und alle Besucher sofort das CityCube räumen mussten, wobei es sich nur um einen technischen Fehler handelte. Ein Schelm, der da böses denkt … Nach einer halben Stunde im Freien bei nicht gerade sommerlichen Temperaturen, freuten sich alle auf eine heiße Suppe oder ein heißes Getränk in der dann anstehenden Mittagspause.
Waltraud Deubert