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Entwicklungsperspektiven für das deutsche Gesundheitswesen[1]


Rund 80 junge Fachleute haben auf Initiative von Janssen zwei Jahre lang im Young Lions Gesundheitsparlament Ideen für ein neues Gesundheitssystem entwickelt. Jetzt liegt der erste Abschlussbericht vor: Rund 130 Seiten mit zahlreichen innovativen Vorschlägen für eine leistungs- und zukunftsfähige medizinische Versorgung.

Stärkere Stimmrechte für Patienten, bessere Kommunikation sowie neue Modelle der Gesundheitsversorgung – das sind nur einige der zentralen Vorschläge aus dem ersten Abschlussbericht des Young Lions Gesundheitsparlamentes. Auf Initiative von Janssen hatten rund 80 junge Fachleute seit 2012 in fünf Ausschüssen und einer übergreifenden Projektgruppe interdisziplinär Lösungen für zentrale Herausforderungen des deutschen Gesundheitssystems entwickelt – eine spannende Herausforderung. Denn alle Beteiligten brachten unterschiedliche berufliche Hintergründe und Erfahrungen mit. Mit dem ersten Ergebnisbericht können jetzt die Früchte der intensiv geführten Diskussionen präsentiert werden.

So kommt beispielsweise der Ausschuss „Öffentlichkeit“ in seiner Analyse zu dem Ergebnis, dass gesundheitspolitische Informationen die Bürgern nicht oder nur ungenügend erreichen und deshalb eine zielgenauere Kommunikation notwendig ist. Ein zentraler Vorschlag ist deshalb, einen Gesetzentwurf zu entwickeln, der die Bürger stärker in gesundheitspolitische Entscheidungen einbezieht. Dies könnte beispielsweise erreicht werden, indem die aktuellen Schwachstellen bei der Sozialwahl verbessert werden, unter anderem die geringe Wahlbeteiligung, die fehlende Transparenz sowie die Zugangshürden für neue Kandidaten. Dazu sollten unter anderem Informationen über die Arbeit der Selbstverwaltung in die Lehrpläne der Schule einfließen. Eine andere Idee: Um die institutionelle Mitbestimmung der Patienten zu stärken, soll die Patientenbeteiligung über einen neu zu gründenden Dachverband der Patienten- und Selbsthilfegruppen verbessert werden.

Patientenquittung für mündigere Patienten

Auch der Ausschuss „Dringende Probleme“ hat die unzureichende Patienteninformation als eine der größten Herausforderungen im Gesundheitswesen identifiziert. Um die Flut an Informationen zu bündeln, sollen möglichst viele existierende, geprüfte Internetseiten von verschiedenen Anbietern im Gesundheitssystem in einem Portal gebündelt werden, anstatt sämtliche Inhalte neu zu produzieren. Dieses Portal würde letztlich als eine Art Lotse fungieren. Ziel ist, mehr Transparenz zu schaffen, die Informationsqualität zu verbessern und die Patientenmündigkeit zu stärken. Darüber hinaus schlägt der Ausschuss vor, Patienten unmittelbar nach der Inanspruchnahme eine Gesundheitsleistung eine Patientenquittung auszuhändigen, in der sowohl die Art der Leistung als auch die Kosten ersichtlich sind. Durch einen solchen Behandlungsbeleg ließe sich erstens die Eigenverantwortung der Versicherten steigern und zweitens die Kostensensibilität erhöhen.

Betriebliches Gesundheitsmanagement gesetzlich verankern

Der Patient steht auch beim Ausschuss „Demografie“ im Fokus. Er will dabei aber vor allem die Arbeitgeber stärker in die Verantwortung nehmen. Die Idee: Unternehmen sollen verpflichtet werden, ein Betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM) einzuführen. Um ein wirkungsvolles BGM flächendeckend umzusetzen, sind nach Meinung der Ausschussmitglieder gesetzlich oder tariflich fixierte Mindeststandards sowie Sanktionsmöglichkeiten notwendig. Ein anderer Weg wären Anreizsysteme, um das BGM kontinuierlich zu verbessern und weiterzuentwickeln. Anreize für die Unternehmen, ein BGM einzuführen, könnten geschaffen werden, indem Fördermöglichkeiten auf- und ausgebaut werden.

Versorgungsregionen als eigenständige Units definieren

Auf weniger gesetzliche Regulierungen und mehr Wettbewerb setzt der Ausschuss „Wettbewerb“. Die Ausschussmitglieder prägten hierfür den Begriff „solidarischer Wettbewerb“. Er steht für eine solidarische Absicherung der Grundversorgung aller Bürger in Kombination mit einem freien Wettbewerb im Bereich Zusatzleistungen und -versicherungen. Der Ansatz: Versorgungsregionen sollen als eigenständige, autonom agierende Einheiten konzipiert werden. Die Versorgung soll sich dabei nicht mehr an einzelnen, akuten Krankheitsepisoden orientieren, sondern am Gesundheitszustand der Bevölkerung in der gesamten Region. Die Höhe des pro Region zur Verfügung stehenden Budgets ließe sich beispielsweise mit Hilfe von Kopfpauschalen-Modellen (Capitation) ermitteln.

Außerdem spricht sich der Ausschuss für eine erfolgsorientierte Vergütung aus, wobei die Definition der Erfolgsindikatoren eine Herausforderung ist. Als Vorbild könnten die bereits in den USA erfolgreich etablierten Projekte mit einem umfangreichen Qualitätsindikatoren-Set dienen, beispielsweise in den Bereichen klinische Qualität, Patientenerfahrungen, IT-Infrastruktur, Ressourcenverbrauch.

Gesundheitssysteme mit neuer Architektur

Noch weiter reichen die Vorschläge des Ausschusses „Organisation“ sowie einer ausschussübergreifenden Projektgruppe. Unabhängig voneinander und mit unterschiedlichen Ansatzpunkten haben sie Modelle für ein grundsätzlich neues Gesundheitssystem erarbeitet. Der Ausschuss „Organisation“ setzt dabei auf ein einfaches, schnittstellenvermeidendes Gesundheitswesen. Im Jahr 2050 soll es von vier Elementen geprägt sein: die regionalen VitalDocks dienen der Grundversorgung, SpitalDocks leisten die Notfall- und intensivmedizinische Spezialversorgung, Medizin-Concierge fungieren als Begleiter des Patienten durch das System und das IT-System eVITA bündelt alle Informationen. Finanziert wird das System durch eine Abgabe auf die Einkünfte der in Deutschland lebenden Bürger.

Das ausschussübergreifende Projektteam fordert ebenfalls ein radikales Umdenken. Gesundheit als wertvolles Gut müsse künftig stärker von allen Menschen eigenverantwortlich und sorgsam gepflegt und erhalten werden. Mess- und sichtbar wird das durch so genannte Gesundheitspunkte, die jeder Mensch im Laufe des Lebens auf einem Konto sammelt. Als zentrale Anlaufstelle der Versorgung sind so genannte Gesundheits-Komplexe geplant, in denen Experten unterschiedlicher Fachrichtungen arbeiten. Die Behandlungspfade werden mit einer Chip-Technologie zeitlich erfasst, ebenso die Ergebnisqualität. Der uneingeschränkte Zugang zu den zentralen Versorgungseinrichtungen wird über eine hochmoderne Infrastruktur sichergestellt.

Nach dem Bericht ist vor dem Bericht

Wie geht es mit dem Gesundheitsparlament weiter? In den nächsten Wochen werden die jungen Nachwuchskräfte den Abschlussbericht Bundestagsabgeordneten verschiedener Parteien vorstellen.

Um darüber hinaus eine möglichst breite Diskussion rund um die Gesundheitsversorgung anzustoßen, wurden eine Facebook-Präsenz (www.facebook.de/gesundheitsparlament) und ein Blog (www.zukunft-gesundheitwesen.de) ins Leben gerufen. Für letzteren haben bereits zahlreiche namhafte Experten wie beispielsweise Bundestagsabgeordneter Jens Spahn oder Dr. Hermann Schulte-Sasse, Senator für Gesundheit von Bremen, Gastbeiträge verfasst.

Mittlerweile ist bereits die zweite Legislaturperiode gestartet. Bis 2016 sollen die Ideen der ersten beiden Jahre weiter vorangetrieben und gleichzeitig neue Projekte in Angriff genommen werden. Erste Vorschläge werden bereits Anfang 2015 präsentiert – denn das deutsche Gesundheitswesen bietet noch viele Ansatzpunkte. Weitere Hintergrundinformationen zum Young Lions Gesundheitsparlament unter

 www.yl-gesundheitsparlament.de.

 

Autoren – das Präsidium des Young Lions Gesundheitsparlamentes: Konrad Fenderich (Präsident), Dr. David Matusiewicz, Lisa Stührenberg, Ansgar Wimmer (Vize-Präsidenten), Clemens Hoffmann, Miriam Menge (Schriftführer)

 

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Young Lions Parlament

Das Young Lions Gesundheitsparlament ist ein Think Tank für die Weiterentwicklung des Gesundheitssystems. Ziel der Initiative ist es, über einen interdisziplinären Dialog neue Ideen und Sichtweisen in ein historisch gewachsenes System einzubringen. Die Abgeordneten des Gesundheitsparlaments sind allesamt in gesundheitsnahen Berufsfeldern tätig, arbeiten oder studieren an themenbezogenen Lehrstühlen oder sind Nachwuchskräfte mit Affinität für Gesundheitspolitik.

Eine Legislaturperiode dauert zwei Jahre, wobei Janssen den Abgeordneten als Impuls- und Plattformgeber zur Seite steht, ansonsten bei der Parlamentsarbeit aber freie Hand lässt. Diese findet vor allem über das Internet sowie über Telefonkonferenzen statt. Einige regionale Treffen sowie im Schnitt zwei jährliche Treffen des gesamten Parlaments fördern den notwendigen persönlichen Austausch.

Den Grundstein für das Young Lions Gesundheitsparlament legte Janssen bereits zu Beginn der 90er Jahre. Seit dieser Zeit engagiert sich Janssen im Rahmen der Initiative „(zukunftsarbeit)“ über das Arzneimittelgeschäft hinaus, um zusammen mit Partnern den gesamten Versorgungsprozess aus Sicht der Patienten und aller an der Behandlung Beteiligten so erfolgreich wie möglich zu gestalten.


[1]Quelle: highlight, Ausgabe 15/14 Juni 2014; Nachdruck mit freundlicher Genehmigung der Redaktion.


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