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Bericht der Landesgruppe Hessen (Rosa Beilage zur VPP 2/2015)


Delegiertenversammlung der Psychotherapeutenkammer Hessen am 20. und 21. März 2015

Mitte März tagte die Delegiertenversammlung der Hessischen Psychotherapeutenkammer in Wiesbaden. Diskutiert wurden interessante Fragen, die sowohl das Selbstverständnis der verschiedenen psychotherapeutischen Verfahren betrafen, als auch Themen, die die Kammerarbeit an sich beeinflussen.

Zunächst will ich über einen Punkt berichten, der für unsere hessische Liste VT-AS immer von besonderer Bedeutung ist. Die Finanzen der Kammer entwickeln sich gegenwärtig so, dass sich die vom vorigen Kammervorstand stark zurückgefahrene Rücklage langsam wieder erholt. Der Kammervorstand hatte in diesem Jahr geprüft, ob eine Beitragssenkung machbar wäre. Da aber die Geschäftsstelle der Kammer innerhalb von Wiesbaden umziehen muss, weil die Arbeitsbedingungen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den bisherigen Räumen sehr kritikwürdig sind, und die Kosten dieses Umzugs bisher nicht ins letzte Detail zu klären waren, wird der Kammervorstand in diesem Jahr keine Beitragssenkung anstreben. Für unsere Liste VT-AS wird das Thema aber weiterhin auf der Agenda stehen.

Inhaltlich diskutierte die Delegiertenversammlung das Thema „Selbsterfahrung in der Psychotherapeutenausbildung“. Dieses Thema war im Zuge der Neuformulierung der Berufsordnung auf die Agenda gekommen, da sich eine Konfliktlinie innerhalb der Vorstands-Koalition gezeigt hatte. Innerhalb der Koalition wurde die dringliche Notwendigkeit, den Ablauf der Selbsterfahrung in der Berufsordnung zu regeln, unterschiedlich eingeschätzt. Für die psychodynamischen Verfahren referierte Frau Dr. med. Isolde Böhme als Psychoanalytikerin, wir Verhaltenstherapeuten konnten den Kollegen Prof. Dr. Thomas Heidenreich als Referenten gewinnen. Die Diskussion machte deutlich, dass sich Selbsterfahrung und Supervision in der VT überschneiden können. Zudem hat in der VT der Selbsterfahrungsleiter / die Selbsterfahrungsleiterin nie die Rolle eines Behandlers / einer Behandlerin der Ausbildungsteilnehmerinnen und Ausbildungsteilnehmer, ganz im Unterschied zur psychoanalytischen Lehranalyse.

Einen breiten Rahmen in der Delegiertenversammlung nahm auch die Diskussion um die Perspektiven der Klinischen Neuropsychologie ein. Auch hier stand zur Diskussion, ob die Kammer schon zum jetzigen Zeitpunkt reglementierend eingreifen soll, um zu regeln, welche Elemente der Weiterbildung in Klinischer Neuropsychologie bereits vor der Approbation geleistet werden können. Unsere Liste vertrat in dieser Diskussion einen pragmatischen Ansatz. Wir schlugen vor, dass die Kammer mit den in Gründung befindlichen Weiterbildungsinstituten ins Gespräch kommen soll, um zu klären, ob ein Bedarf besteht, die Weiterbildungsordnung hinsichtlich der Klinischen Neuropsychologie zu präzisieren, oder ob die bestehenden Übergangsregelungen ausreichen. Womöglich bieten die Übergangsregelungen sogar mehr Spielraum, um Kolleginnen und Kollegen für die Weiterbildung in Klinischer Neuropsychologie zu gewinnen.

In Resolutionen beschäftigte sich die Delegiertenversammlung mit dem Thema Datensicherheit und mit der psychotherapeutischen Versorgung von Flüchtlingen.

Briefaktionen der psychotherapeutischen Berufsverbände in Hessen zum GKV-Versorgungsstärkungsgesetz

Einmal im Vierteljahr tagen die psychotherapeutischen Berufsverbände der Psychologischen PsychotherapeutInnen, Kinder- und JugendlichenpsychotherapeutInnen und der ärztlichen PsychotherapeutInnen in Hessen. Unter Federführung des DGVT-Berufsverbandes wurde eine Briefaktion gestartet, mit dem Ziel, die hessischen Bundestagsabgeordneten über die Problempunkte des GKV-Versorgungsstärkungsgesetzes zu informieren.

Wir drucken den Brief an die Bundestagsabgeordneten hier wörtlich ab:

Konferenz der Psychotherapeutischen Berufsverbände in Hessen

Berufsverband der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten (BKJ)

Berufsverband für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie in Deutschland e. V. (BKJPP)

Bundesverband der Vertragspsychotherapeuten – Hessen (bvvp Hessen)

Deutsche Gesellschaft für Psychosomatische Medizin und Ärztliche Psychotherapie (DGPM)

Deutsche Gesellschaft für Psychoanalyse, Psychotherapie, Psychosomatik
und Tiefenpsychologie (DGPT)

Deutsche Gesellschaft für Verhaltenstherapie – Berufsverband Psychosoziale Berufe (DGVT-BV) e.V.

Deutsche Psychotherapeutenvereinigung (DPtV)

Vereinigung analytischer Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten (VAKJP)

Erklärung zum geplanten GKV-Versorgungsstärkungsgesetz

Die Konferenz der hessischen psychotherapeutischen Berufsverbände tagt regelmäßig zur Diskussion von Fach- und politischen Themen der psychotherapeutischen Versorgung in Hessen. Die Verbände vertreten sowohl ärztliche Psychotherapeuten, als auch Psychologische Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten.

In großer Sorge um die psychotherapeutische Versorgung in den städtischen und ländlichen Regionen des Landes Hessen wendet sich die Konferenz der Psychotherapeutischen Berufsverbände in Hessen an die hessischen Mitglieder des Deutschen Bundestages.

Die Umsetzung des GKV-Versorgungsstärkungsgesetzes (GKV-VSG) in der vorliegenden Form hätte zur Folge, dass alleine in Hessen fast die Hälfte der vorhandenen (980 von derzeit 2199) psychotherapeutischen Sitze (zur ambulanten psychotherapeutischen Versorgung im Rahmen der Psychotherapierichtlinie des G-BA) für die Versorgung psychisch Kranker verloren ginge. Damit würden sich die ohnehin eklatanten Wartezeiten und Versorgungsmängel sowohl in der ambulanten Erwachsenenpsychotherapie wie auch in der ambulanten Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie dramatisch verschlechtern.

Hintergrund ist die im Referentenentwurf zum GKV-VSG vorgesehene Bestimmung, wonach den Zulassungsausschüssen der Länder auferlegt werden soll, für Praxissitze in rechnerisch überversorgten Bezirken (Versorgungsgrad 110 %) bei Praxisaufgabe grundsätzlich kein Nachbesetzungsverfahren mehr zu ermöglichen (SGB V §103, Abs. 3a, Satz 3). Stattdessen soll die Stilllegung dieser Praxissitze nach Rückkauf durch die Kassenärztlichen Vereinigungen erfolgen. Dadurch droht ein radikaler Abbau ambulanter Behandlungsplätze für Menschen mit psychischer Krankheit oder Behinderung, da die angebliche Überversorgung mit psychotherapeutischen Praxen nur auf dem Papier existiert. In der Realität warten psychisch Kranke monatelang auf einen ersten Termin bei einem niedergelassenen Psychotherapeuten.

Der im Referentenentwurf als Grundlage herangezogene Versorgungsgrad für den vertragspsychotherapeutischen Bereich ist keine valide Größe: Denn der Versorgungs-Ist-Zustand wurde bei der Verabschiedung des Psychotherapeutengesetzes 1999 schlicht zur 100-prozentigen Versorgung der Bevölkerung erklärt. Dabei sind historische Berechnungsfehler bei der Bedarfsplanung für Psychotherapeuten gemacht worden, die sich auf den Stichtag und den Einbezug der, neuen Bundesländer beziehen. Wird die willkürlich als angemessen erklärte Zahl an psychotherapeutischen Praxissitzen aus dem Jahr 1999 zum Ausgangspunkt eines neuen Gesetzes gemacht, ist eine erhebliche Fehlsteuerung unvermeidlich.

Das Bundesgesundheitsministerium handelt hiermit wider besseres Wissen. Das Gutachten des Sachverständigenrats zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen vom Juni 2014 fordert zwar für Planungsbereiche mit einem Versorgungsgrad ab 200 % einen obligatorischen Aufkauf freiwerdender Arztsitze aller „beplanten“ Gruppen durch die KV gesetzlich zu verankern („Muss-Regelung“), um „ausgeprägte ambulante Überkapazitäten“ zu vermeiden. Der Sachverständigenrat hat aber die Gruppe der Psychotherapeuten davon ausdrücklich ausgenommen, diese bedürften einer gesonderten Betrachtung. „Bis zur Entwicklung geeigneter Kriterien zur Bedarfs­planung und bis zur besseren Erfassung der tatsächlichen Versorgungssituation sind Psychotherapeuten von dieser Regelung auszunehmen“, schreibt der Sachverständigenrat[1].

Die Konferenz der Psychotherapeutischen Berufsverbände in Hessen kritisiert entschieden diese Entwicklung, die die bereits lange bekannten Missstände in der ambulanten psychotherapeutischen Versorgung der Bevölkerung zusätzlich verschlimmern würde.

Die Konferenz der Psychotherapeutischen Berufsverbände in Hessen weist besonders auf die Versorgungssituation von Kindern und Jugendlichen hin: Am 1. Januar 2009 wurde eine 20 Prozent-Mindestquote für die ambulante psychotherapeutische Versorgung von Kindern und Jugendlichen eingeführt. Die danach erfolgte Verbesserung der Versorgungssituation würde mit diesem Gesetz wieder rückgängig gemacht werden. Dies kann nicht im Interesse des Gesetzgebers sein, der die Bedürfnisse der Kinder und Jugendlichen für besonders schützenswert hält.

Die Konferenz der Psychotherapeutischen Berufsverbände in Hessen wendet sich mit dem dringlichen Anliegen an die hessischen Mitglieder des Deutschen Bundestages, sich dafür einzusetzen, dass diese durch das Gesetz drohende Fehlsteuerung der ambulanten psychotherapeutischen Versorgung in den gesundheitspolitischen Diskussionen auf Bundesebene und im Bundesrat verhindert wird.

Die Konferenz der Psychotherapeutischen Berufsverbände in Hessen begrüßt die Positionierung des Gesundheitsausschusses des Bundesrats als einen Beschluss, der in die richtige Richtung weist. Dieser empfiehlt, die im Entwurf vorgesehene SOLL-Reglung zum Abbau von Praxissitzen für die Psychotherapeuten bundesweit und allgemein für das Ruhrgebiet bis einschließlich 2017 auszusetzen. Begründet wird dies mit der Diskrepanz bei der psychotherapeutischen Versorgung „zwischen den tatsächlichen Versorgungsgraden im Sinne der Bedarfsplanungs-Richtlinie, die häufig eine rechnerische Überversorgung aufweisen, und der tatsächlichen Versorgungssituation mit langen Wartezeiten“.

Frankfurt, den 06. März 2015

Unterzeichnende Verbände und Ansprechpartner:

Berufsverband der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten (BKJ), Landesgruppe Hessen, Marion Schwarz

Berufsverband für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie in Deutschland e. V. (BKJPP), Regionalgruppe Hessen, Dr. med. Andreas Rave

Bundesverband der Vertragspsychotherapeuten – Hessen (bvvp Hessen), Dr.med. Irina Prokofieva

Deutsche Gesellschaft für Psychoanalyse, Psychotherapie, Psychosomatik und Tiefenpsychologie (DGPT) - Landesverband Hessen, Gabriele Peter

Deutsche Gesellschaft für Psychosomatische Medizin und Ärztliche Psychotherapie (DGPM), Landesverband Hessen, Dr. med. Ulrike Spengler

Deutsche Gesellschaft für Verhaltenstherapie – Berufsverband Psychosoziale Berufe (DGVT-BV), Karl-Wilhelm Höffler

Deutsche Psychotherapeutenvereinigung, Landesgruppe Hessen (DPtV), Else Döring

Vereinigung analytischer Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten (VAKJP), Maria Spies

Ansprechpartner:

Karl-Wilhelm Höffler (DGVT-BV), E-Mail: hessen(at)dgvt-bv(dot)de


[1] Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen:
   Bedarfsgerechte Versorgung, Perspektiven für ländliche Regionen und ausgewählte Leistungsbereiche.
   Gutachten 2014.    Kurzfassung, S. 170 f., Rn. 255.


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