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Hauptstadtkongress: Gesundheitspolitik der 18. Legislaturperiode – Rückblick und Perspektiven


Unter der Moderation von Ulf Fink, Senator a. D., Kongresspräsident, diskutierten auf dem Podium Maria Klein-Schmeink, MdB, Bündnis/Die Grünen-Fraktion im Deutschen Bundestag, Jens Spahn, MdB, CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag, und Harald Weinberg, MdB, Fraktion Die Linke im Deutschen Bundestag. Prof. Karl W. Lauterbach von der SPD-Fraktion fehlte wegen einer Sondersitzung im Deutschen Bundestag.

Die Frage nach dem Fazit der bisherigen Gesundheitspolitik der 18. Legislaturperiode beantwortete zunächst Jens Spahn zusammenfassend mit den Worten „Wir haben die Regelungen im Koalitionsvertrag so verbindlich vereinbart, dass wir in den vergangenen Monaten das Ganze ruhig und gelassen – ohne Streit - abarbeiten konnten.“ Wenn es in der Koalition Streit gegeben hat, dann nicht im Gesundheitsbereich“, so Jens Spahn. Deshalb konnten auch große Reformpakete konstruktiv umgesetzt werden. Hinzu käme außerdem, was er nie für möglich gehalten hätte, dass aufgrund der guten Finanzsituation kein Spargesetz im Gesundheitsbereich erforderlich war, wie sonst direkt nach den Regierungsbildungen in der Vergangenheit. Dies würde natürlich mit der guten wirtschaftlichen Situation zusammenhängen, die dem Gesundheitswesen mehr BeitragszahlerInnen beschert habe. Wenn alle Gesetze unter Dach und Fach seien, werde man sich auch darüber Gedanken machen müssen, wie die Finanzen im Gesundheitsbereich langfristig gesichert werden könnten. „Wir brauchen eine konstruktive Debatte darüber, wie wir steigenden Kosten zukünftig begegnen können – ob hierfür mehr Beitrags- oder mehr Steuergelder notwendig sind, wird man sehen“.

Maria Klein-Schmeink beurteilte die Gesundheitspolitik der 18. Legislaturperiode als Oppositionsabgeordnete verständlicherweise schon nicht mehr so positiv wie Jens Spahn. Sie sehe rasant steigende Ausgaben, deren Lasten die Versicherten alleine tragen müssten, da die Koalition den Arbeitgeberbeitrag eingefroren hätte. Jetzt würde sich rächen, dass die große Koalition das Geld der Versicherten mit vollen Händen ausgibt, Strukturreformen aber nicht anpacke und eine solide und gerechte Finanzierung der Gesundheitsversorgung durch eine Bürgerversicherung in ihrem Koalitionsvertrag ausgeschlossen hat. Dass die SPD sich in die Koalitionsverhandlungen mit der Union auf Zusatzbeiträge und den eingefrorenen Arbeitgeberbeitrag eingelassen hat, sei nicht nachzuvollziehen. Sie forderte regional abgestimmte Behandlungswege und eine Stärkung der Primärversorgung.

Harald Weinberg von den Linken meinte, man könne der Koalition wirklich keine Arbeitsverweigerung vorwerfen. Das Grundproblem der Gesundheitspolitik in der Koalition sei, dass sie zu wettbewerbslastig wäre. Wettbewerb in der Gesundheitsversorgung führe aber dazu, dass viele Akteure nicht im Interesse der Patientinnen und Patienten, sondern im eigenen Interesse handeln würden. Wettbewerb führe nicht zu einer höheren Versorgungsqualität – im Gegenteil, Gesundheit werde zur Ware und das Gesundheitssystem zu einem Markt. Die Änderungen im Versorgungsstärkungsgesetz beim Abbau von Praxen bei Überversorgung von zunächst 110% und dann 140% zu erhöhen, bezeichnete Weinberg als die „Echternacher Springprozession“.

Weitere Themen, die auf der Podiumsdiskussion angesprochen wurden, waren die stationäre Versorgung und die Telematik. Für Jens Spahn gibt es in Deutschland keine Unterversorgung mit Kliniken, so dass er sich durchaus vorstellen könnte, dass Kliniken geschlossen werden, ohne dass die Versorgung vor Ort zusammenbricht. In der Telematik habe man bisher sehr viel Geld investiert, ohne dass man einen „Mehrwert“ sehen würde, so Jens Spahn. Bund und Länder hätten sich auf eine „Reform“ geeinigt, die möglichst wenig kosten solle, sagte dagegen Harald Weinberg von den Linken. Das Pflegeförderprogramm sei ein „schlechter Witz“ und der Strukturfonds diene nicht einer verbesserten Versorgungsstruktur, sondern nur als „Abwrackprämie für unwirtschaftliche Abteilungen und Kliniken“. Laut Maria Klein-Schmeink werden in der Krankenhausreform die zentralen Baustellen nicht angegangen. Es fehle die längst überfällige Reform der Investitionsfinanzierung ebenso wie eine stärkere Verzahnung von ambulanter und stationärer Versorgung. Auch die Vorschläge zur Pflegefinanzierung seien „völlig unzureichend“.

Jens Spahn hatte den größten Redeanteil, da er für sich auch die Redezeit seines abwesenden Koalitionspartners Karl Lauterbach reklamierte und da sich auch die meisten Fragen aus dem Publikum an ihn richteten.

Ein Student aus dem Publikum wollte von Jens Spahn wissen, ob es denn wirklich sinnvoll sei, sich von einer Landarztquote im Studium eine Verbesserung des Ärztemangels zu erhoffen? Jens Spahn verteidigte die Idee und meinte, man müsse dem ja nicht folgen, aber angesichts der Tatsache, dass der Steuerzahler für das Medizinstudium zahle, dürfe es kein Tabu sein, darüber zu diskutieren.

Auf die Frage nach der Quersubventionierung der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) im Entwurf zum Präventionsgesetz, meinte Jens Spahn, er könne keine Quersubventionierung erkennen. Eine Finanzierung der BZgA durch Mittel der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) sei nicht vorgesehen. Vorgesehen sei, dass der GKV-Spitzenverband die BZgA ab 2016 vor allem „mit der Entwicklung kassenübergreifender Leistungen, deren Implementierung und deren wissenschaftlicher Evaluation beauftragen soll“. Das Geld dürfe nur für diese Aufgabe eingesetzt werden. Deshalb handele es sich nicht um eine Querfinanzierung.

Waltraud Deubert

Quelle: Rosa Beilage zur VPP 3/2015


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