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Verbändeveranstaltung am 05.11.2015 – Unverzichtbare Praxisinhalte für die psychotherapeutische Aus- und Weiterbildung [1]

Positionspapier anlässlich der Diskussionsveranstaltung von 12 Fachverbänden [2] „Reform des PsychThG – Unverzichtbare Praxisinhalte für die psychotherapeutische Aus- und Weiterbildung“ am 5.11.2015 in Berlin


Nach dem Beschluss des 25. Deutschen Psychotherapeutentags hat das Bundesministerium für Gesundheit nun die konkrete Arbeit an einer grundlegenden Reform der PsychotherapeutInnenausbildung aufgenommen. Ein erster Diskussionsentwurf einer Approbationsordnung ist noch für dieses Jahr angekündigt. Die Bundespsychotherapeutenkammer leistet fachliche Unterstützung und hat hierfür einen strukturierten Transitionsprozess in die Wege geleitet.

Es dürfen nun also weitreichende Konktretisierungsvorschläge erwartet werden. In dem anstehenden Prozess wird es wichtig sein, die fachlichen Bedingungen an eine Reform, wie sie im Beschluss des 25. DPT umrissen sind, als Prüfsteine für konkrete Vorschläge zu nutzen.

Die ausrichtenden Verbände haben sich auf die Mindestkriterien in nachfolgendem Positionspapier geeinigt.

Mindestvoraussetzungen für die Umsetzung der Forderungen des 25. Deutschen Psychotherapeutentages zur Reform der
Psychotherapeutenausbildung

Die Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) klärt derzeit die Möglichkeit der Realisierung einer Reform der Psychotherapeuten-Ausbildung in Anlehnung an die Strukturen der medizinischen Heilberufe, d.h. die Einführung eines Hochschulstudiums Psychotherapie, mit dessen Abschluss die Approbation als Psychotherapeut beantragt werden kann,  sowie die Einführung einer mehrjährigen Weiterbildung zur Erlangung einer Fachkunde.

Der Berufsstand zielt mit dieser Reform u.a. auf die Umsetzung der seit Jahren erhobenen Forderungen ab,  insbesondere die bundeseinheitliche Regelung des Zugangs zur Psychotherapeutenausbildung und die Schaffung angemessener finanzieller Rahmenbedingungen für die Vergütung der von den Ausbildungs- bzw. WeiterbildungsteilnehmerInnen erbrachten Versorgungsleistungen in allen für die Weiterbildung zugelassenen Verfahren.

Die Umsetzung dieser Reform erfordert zur Sicherung der hohen Qualifikation des psychotherapeutischen Heilberufs folgende Kernpunkte:

  1. Ausreichende Praxisanteile im Hochschulstudium der Psychotherapie, einschließlich einer gesicherten Finanzierung der Anleitung durch fachkundige Lehrkräfte.
  2. Gesicherte Finanzierung der ambulanten Weiterbildung und der an der Weiterbildung beteiligten Einrichtungen.

Nur so sind jene Versorgungsqualität und der Patientenschutz zu gewährleisten, die in der Bevölkerung von einem akademischen Heilberuf erwartet werden. Für Studium und Weiterbildung werden im Folgenden Mindestvoraussetzungen formuliert, deren Unterschreitung bei der Umsetzung einer solchen Reform gegenüber PatientInnen und dem psychotherapeutischen Nachwuchs unverantwortlich wäre.

A  Hochwertige und differenzierte Versorgung aller Patientengruppen erfordert ein Studium mit hoher Strukturqualität

Für die Zulassung zu einem Heilberuf (mit Approbation) ist es unabdingbar, dass der Antragsteller ein Hochschulstudium der Psychotherapie absolviert hat, mit dem er auf seine eigenverantwortlichen und selbständigen psychotherapeutischen Tätigkeiten angemessen vorbereitet wurde. Deshalb muss das Studium so strukturiert sein,

  1. dass der Absolvent über fundierte praktische Kenntnisse und Kompetenzen verfügt, die er über anteilige Lehre im Kontakt mit Patienten der gesamten Lebensalterspanne erworben hat;
  2. dass die vier Grundorientierungen der Psychotherapie und die zugehörigen psychotherapeutischen Verfahren mit konkreten Bezügen zum psychotherapeutischen Arbeitsalltag ebenso vermittelt werden, wie die grundlegenden, vertieften und angewandten Kenntnisse und Kompetenzen aus Psychologie, Medizin, Erziehungswissenschaften, Sozialer Arbeit und weiteren Bereichen der Humanwissenschaften, wobei die Lehre auf praxisrelevante Inhalte fokussiert sein sollte;
  3. dass die Studierenden sich in geeigneten und verbindlich anzubietenden Selbsterfahrungslehreinheiten (im Umfang von mind. 40 Doppelstunden) ihrer persönlichen Voraussetzungen für eine psychotherapeutische Behandlungstätigkeit bewusst werden können;
  4. Die Unterzeichner dieser Stellungnahme sehen folgende Mindestvoraussetzungen hinsichtlich der Ausstattung der Hochschulen für die Umsetzung eines Hochschulstudiums der Psychotherapie, die vollständig erfüllt sein müssen:
    4.1  Für die klinisch-praktische Ausbildung muss die Besetzung fester  Stellen mit praxiserfahrenen, fachkundigen Psychotherapeuten für alle Altersgruppen erfolgen.
    4.2    Ein Hochschulstudium der Psychotherapie muss von Anfang an einen hohen Praxisbezug aufweisen, d.h. mindestens 40 ECTS[3] praxisbezogene Lehre in Lehreinrichtungen mit unmittelbarem Patientenkontakt in geeigneten Lehrformen (z.B. Kleingruppen). Für die Akkreditierung eines Studiengangs sind entsprechende Lehreinrichtungen unter Wahrung der inhaltlichen Grundsätze bezüglich Altersgruppen und Therapieverfahren nachzuweisen.
    4.3    Methodische Qualität: Die Hochschulen müssen Lehrkräfte für Supervision, Anleitung und Begleitung dieser Praxisanteile vorhalten, die die verbindlich festzulegenden Mindestanteile praktischer Lehrinhalte in angemessenen, d.h. in kleinen Lehreinheiten sicherstellen. Die Lehrkräfte müssen über die notwendigen psychotherapeutischen Qualifikationen mindestens analog der bisherigen Vorgaben des PsychThG - unter Wahrung der inhaltlichen Grundsätze bezüglich Altersgruppen und Therapieverfahren - verfügen.
    4.4    Zugang zum Beruf: Studienanfänger müssen ihren angestrebten Abschluss zur Erreichung des Berufsziels „Psychotherapeut“ ohne Blockade (Flaschenhals) erreichen können.
    4.5    Im Dienste der Versorgungssicherheit müssen bundesweit Studienplätze für jährlich mindestens 2500 Absolventen garantiert sein. Dies gilt auch für die Gestaltung der Umstellungsphase bestehender Studiengänge auf ein neu einzuführendes Hochschulstudium der Psychotherapie.

B   Hochwertige und differenzierte Versorgung aller Patientengruppen erfordert eine Weiterbildung aus einer Hand

Das Herzstück der heutigen qualitativ hochwertigen Psychotherapeutenausbildung bilden die staatlich anerkannten Ausbildungsstätten mit ihren koordinierenden Strukturen für die Vermittlung theoretischen und praktischen Wissens. Für die sukzessive Entwicklung der praktischen Fertigkeiten und Kompetenzen der zukünftigen Psychotherapeuten wirken in den jetzigen Ausbildungsstätten langjährig berufserfahrene Lehrkräfte, Supervisoren und Selbsterfahrungsleiter mit. Eine zukünftige Weiterbildung zum Fachpsychotherapeuten, die an die jetzige hohe Ausbildungsqualität anknüpfen soll, kann nur unter Wahrung und Nutzung der koordinierenden Strukturen der derzeitigen Ausbildungsstätten umgesetzt werden.

Die Unterzeichner dieser Stellungnahme fordern für die Realisierung einer (Gebiets-) Weiterbildung folgende Mindestvoraussetzungen, die vollständig erfüllt sein müssen:

  1. Eine im Sinne der zu wahrenden Qualität und des PatientInnenschutzes zu verantwortende Weiterbildung in psychotherapeutischen Verfahren ist nur mit einer einheitlichen strukturierten Weiterbildungskonzeption vertretbar. Der modulare Erwerb von Weiterbildungsinhalten ist nicht sachgerecht und führt gegenüber der heutigen Psychotherapeutenausbildung zu Qualitätseinbußen. Deshalb müssen bei einer Reform der Psychotherapeutenausbildung rechtliche Rahmenbedingungen geschaffen werden, bei denen Weiterbildungsstätten die Gesamtverantwortung für die psychotherapeutische Weiterbildung haben und den WeiterbildungsteilnehmerInnen eine Weiterbildung „aus einer Hand“ für den ambulanten, teilstationären, stationären und komplementärem Bereich angeboten werden kann.
  2. Alle Weiterbildungsstätten müssen durch eine ausreichende Finanzierung in die Lage versetzt werden, den in der Weiterbildung befindlichen PsychotherapeutInnen ein angemessenes Gehalt zahlen zu können. Sie müssen darüber hinaus finanziell in die Lage versetzt werden, die für die Weiterbildung notwendige personelle und räumliche Ausstattung vorhalten zu können. Auch für theoretische Weiterbildung, Supervision, Selbsterfahrung etc. sind geeignete Finanzierungsformen gesetzlich zu verankern.
  3. Es muss sichergestellt werden, dass in den Versorgungseinrichtungen pro Jahr für mindestens 2250 WeiterbildungsteilnehmerInnen entsprechende Stellen zur Verfügung stehen, deren Finanzierung gesichert ist; davon sollten mindestens 20% für Weiterbildungsplätze im Bereich der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie vorgesehen sein. Die Auswirkungen auf die Bedarfsplanung und  -deckung sind vorab zu prüfen.

Im Interesse der Versorgungssicherheit und des psychotherapeutischen Nachwuchses appellieren wir an alle Entscheidungsträger in Politik und Berufsstand, die Erfüllung dieser Mindestvoraussetzungen im Vorfeld einer Novellierung des Psychotherapeutengesetzes sicherzustellen.

 


[1] Positionspapier anlässlich der Diskussionsveranstaltung „Reform des PsychThG – Unverzichtbare Praxisinhalte für die psychotherapeutische Aus- und Weiterbildung“ am 5.11.2015 in Berlin

[2] Arbeitsgemeinschaft Ausbildungsinstitute und VPP für Wissenschaftlich begründete Psychotherapieausbildung (AVP)
Arbeitsgemeinschaft für Verhaltensmodifikation (AVM)
Arbeitsgemeinschaft Humanistische Psychotherapie (AGHPT)
Berufsverband der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutinnen und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten e. V. (bkj)
Berufsverband der Vertragspsychotherapeuten e. V. (bvvp)
Verband Psychologischer Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten im BDP e.V. (VPP)
Deutsche Fachgesellschaft für Tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie e. V. (DFT)
Deutsche Gesellschaft für Psychoanalyse, Psychotherapie, Psychosomatik und Tiefenpsychologie e. V. (DGPT)
Deutsche Gesellschaft für Systemische Therapie, Beratung und Familientherapie (DGSF)
Deutsche Gesellschaft für Verhaltenstherapie e. V. (DGVT)
Gesellschaft für Personzentrierte Psychotherapie und Beratung e. V. (GwG)
Systemische Gesellschaft (SG)

[3] Ein ECTS entspricht 30 Stunden.


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