Das zweimal im Jahr stattfindende Treffen der Psychotherapeutenverbände (derzeit sind 34 Fach- und Berufsverbände im sog. Gesprächskreis II – GK II – zusammengeschlossen) fand am 31. Oktober in Berlin statt. Über 40 VerbändevertreterInnen waren der Einladung des geschäftsführenden Verbands, der Deutschen Gesellschaft für Psychoanalyse, Psychotherapie, Psychosomatik und Tiefenpsychologie (DGPT), gefolgt. Eva-Maria Schweitzer-Köhn, Mitglied im Vorstand der Landespsychotherapeutenkammer, begrüßte uns in Vertretung des Präsidenten, Michael Krenz, in den Räumen der Landespsychotherapeutenkammer Berlin.
Nach Abstimmung der Tagesordnung berichtete in der Eröffnungsrunde jeder Verband über seine derzeit zentralen Aktivitäten. In der Berichtsrunde wurden bereits die zentralen Themen deutlich, die dann nachfolgend vertiefend diskutiert wurden.
Fast alle Verbände erwähnten in ihrem Bericht Treffen und Diskussionsrunden zur anstehenden Reform des Psychotherapeutengesetzes sowie die Mitarbeit am Transitionsprozess der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK). Es steht viel auf dem Spiel bei der Reform, und es wurde die Befürchtung geäußert, dass die Länder und die Hochschulen die erforderlichen Kosten, die insbesondere durch die Praxisanteile und die notwendige Einstellung psychotherapeutisch qualifizierter Lehrkräfte entstehen, nicht zur Verfügung stellen können. Dadurch werde die jetzige qualitativ hochwertige Ausbildung in ihrem Bestand gefährdet - mit derzeit noch ungewissem Ausgang. 12 Verbände werden sich am 5. November 2015 in einer Veranstaltung in Berlin mit den Mindestvoraussetzungen für die Umsetzung der Forderungen des 25. Deutschen Psychotherapeutentages zur Reform der Psychotherapieausbildung beschäftigen.
Bevor wir in die weitere Diskussion einstiegen, hielt Norbert Bowe, kooptiertes Vorstandsmitglied des Bundesverbandes der Vertragspsychotherapeuten (bvvp), seine Abschiedsrede, da er zum letzten Mal an dieser Sitzung teilnahm. Er war Gründungsmitglied der ‚Freiburger Vertretung ärztlicher und nichtärztlicher Psychotherapeuten’, die zur Keimzelle des bvvp wurde. Die Gründung war im Februar 1993 angesichts der bevorstehenden Bedarfsplanung wegen der zu erwartenden Honorarabsenkung aufgrund von Budget und Niederlassungswelle erfolgt. Norbert Bowe erläuterte in seiner Rede eindrucksvoll die Bedeutung des GK II, dessen Geschichte nach dem Psychotherapeutengesetz begann. „Anders als in den Psychotherapeutenkammern sind hier auch die gemischten Verbände mit inbegriffen, sodass ein Stück Integration gelebt und gefördert werden kann. Die Stärke des GK II hat sich u.a. darin gezeigt, dass hier die Nicht-Richtlinienverfahren ein wichtiges Forum hatten und haben, bzw. aus dem GK II heraus sich auch Kreise dazu bilden konnten. Es ist wohl die größte Schwachstelle des Psychotherapeutengesetzes (PsychThG), dass hier eine Integration nicht erreicht werden konnte. Die wichtige Funktion des GK II hat sich auch darin gezeigt, dass er mit mehreren Symposien wesentlich zur inhaltlichen Bearbeitung von Themen beigetragen hat, die höchst relevant für die Psychotherapie sind. Diese inhaltliche Arbeit ist nicht zu unterschätzen.. Sie ist weniger beeinflusst und anfällig für Begrenzungen aufgrund von machtpolitischen Konstellationen oder Gremienrepräsentanzen. Dadurch können inhaltlich begründete Argumente ihre Überzeugungskraft leichter entwickeln, die auf die Verbände und deren Austausch sowie die Gremienpolitik zurückwirken. Insofern hat der GK II auch in Zukunft eine unverzichtbare Bedeutung. Er ist ein Baukasten, mit dessen Hilfe die eine Stimme sich immer wieder bilden kann, die die PsychotherapeutInnen brauchen, damit sie in den Gremien und in der Öffentlichkeit ihren Einfluss geltend machen können“. Unter großem Beifall danken die GK II–VertreterInnen Norbert Bowe für seine wichtige und kontinuierliche Arbeit in diesem Gremium.
Die deutlich gestiegenen Flüchtlingszahlen weltweit, in Europa und in Deutschland, die Berichte und Bilder über die Schicksale der Flüchtlinge vor Ort oder auf der Flucht, aber auch konkret die großen Herausforderungen, die sich hier in Deutschland bei der Aufnahme der Flüchtlinge stellen - all dies führt dazu, dass dem Flüchtlingsthema innenpolitisch aktuell eine zentrale Bedeutung zukommt. Auch wenn gegenwärtig der Schwerpunkt auf dem unmittelbaren Bedarf an überlebensnotwendigen Leistungen liegt, ist zu bedenken, dass viele Flüchtlinge psychisch schwer traumatisiert sind. Für sie müssen zukünftig mehr PsychotherapeutInnen verfügbar sein. Dazu hat die Bundesregierung auf Initiative der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) die Zulassungsverordnung für Ärzte geändert. Danach sind die Zulassungsausschüsse zukünftig verpflichtet, PsychotherapeutInnen, ÄrztInnen und psychosoziale Einrichtungen zur psychotherapeutischen und psychiatrischen Versorgung von Flüchtlingen zu ermächtigen. Der Austausch dazu im GK II ergab, dass es noch wenige Erfahrungen mit der Umsetzung dieser neuen Verordnung gibt. DGVT-Mitglieder berichten allerdings, dass die KVen die Anträge erst mal ruhend stellen, was angesichts des steigenden Bedarfs unverständlich ist.
Wie im letzten Bericht des GK II (siehe rosa Beilage 2/15) bereits ausgeführt, hatte der GK II eine Arbeitsgruppe zu dem für die gesamte Berufsgruppe wichtigen Thema „Internettherapie“ eingerichtet, an der auch Kerstin Burgdorf von der DGVT beteiligt war. Das Papier lag nun nach der Einarbeitung der Rückmeldungen durch die Verbände im Ergebnis vor. Es wurde beschlossen, das Papier nach einer letzten Rückmeldefrist von 14 Tagen als gemeinsames Positionspapier zu veröffentlichen. Die Bandbreite der internetgestützten Angebote ist sehr groß und damit ist auch ihr therapeutischer Nutzen sehr unterschiedlich, sodass Standards in diesem Bereich äußert wichtig sind.
Zum Dauerthema wird der Beschluss des Erweiterten Bewertungsausschusses zur Anpassung der Psychotherapiehonorare vom 22. September 2015. Bedenkt man, dass die GK II-Verbände sich bereits im März 2012 an den Bewertungsausschuss gewandt hatten mit der Forderung, die Rechtmäßigkeit der Psychotherapiehonorare entsprechend der Vorgaben des Bundessozialgerichts zu prüfen, wird deutlich, wie groß die Widerstände in den Gremien der sogenannten Gemeinsamen Selbstverwaltung bezüglich der angemessenen Honorierung der PsychotherapeutInnen sind. Verbände und Kammern haben den aktuellen Beschluss kritisiert und in ihren Stellungnahmen das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) zur Beanstandung aufgerufen (siehe auch Pressemeldung des DGVT-BV in dieser Ausgabe). Das BMG hat bisher noch keinen Kommentar abgegeben.
Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) soll bis zum 30. Juni 2016 in der Psychotherapierichtlinie Regelungen zur Flexibilisierung des Therapieangebotes, insbesondere zur Einrichtung von psychotherapeutischen Sprechstunden, zur Förderung der frühzeitigen diagnostischen Abklärung, der
Akutversorgung, zur Förderung der Gruppentherapien und der Rezidivprophylaxe sowie zur Vereinfachung des Antrags- und Gutachterverfahrens beschließen. Bei der Sprechstunde für die PsychotherapeutInnen geht es um ein niedrigschwelliges Angebot für das psychotherapeutische Erstgespräch, mit dem ein schnellerer Zugang zur Psychotherapie ermöglicht werden soll. Zurzeit wird noch darüber verhandelt, inwieweit die Sprechstunde freiwillig oder verbindlich sein wird. Die Diskussion um die Sprechstunde wird heiß geführt und die Frage wird sein, ob sich die beteiligten VertreterInnen der PsychotherapeutInnen kompromissbereit zeigen sollten oder ob letztendlich der Vorsitzende Josef Hecken entscheidet. Bei der Ausgestaltung der Akutversorgung ist noch unklar, ob differenzierte Ziffern für die unterschiedlichen Bereiche von Akutversorgungen (wie z. B. Diagnostik etc.) wirklich eingesetzt werden.
Waltraud Deubert
Quelle: Rosa Beilage zur VPP 4/2015