von Ilse Eichenbrenner
Beim Umsteigen in Frankfurt warnt eine Durchsage vor organisierten Banden. Man möge sein Gepäck beaufsichtigen. Und ab zwei Uhr nachts werde der Personenverkehr bestreikt. Das neunte Mal in diesem Jahr – und ausgerechnet jetzt. Das fängt ja gut an.
Tatsächlich überschattet der Bahnstreik die Tagung. Manche suchen sich bereits beim Einchecken eine Verbindung heraus, mit der sie die Veranstaltung rechtzeitig wieder verlassen können. Diese Irritationen durchziehen die Tagung wie ein rotes Band. Müssten wir uns nicht solidarisieren? Doch ich bin stinksauer.
Bei den einführenden Worten in der Kirche der Evangelischen Friedensgemeinde wird die tragende Rolle der Hochschule Darmstadt deutlich. Deren Dekan, Dr. Eberhard Nölke, greift den dramatischen Titel der Tagung auf: „Überleben in der psychosozialen Arbeit“. Geht es wirklich um Leben und Tod? Von einem gemeinsamen Schicksal betroffen sind wir wegen der Verknappung der Mittel und der machtvoll sich ausbreitenden Diagnoseverfahren. Er sieht vor allem zwei sich ausbreitende Systeme: den Markt und die Bürokratie.
Constantin von Gatterburg begrüßt im Namen der DGSP ganz besonders den Nachwuchs an diesem ungewöhnlichen Tagungsort, in dem man sich gut auf das Tagungsthema konzentrieren könne. In der Tat ist dieses Gotteshaus schmucklos, protestantisch, klar. Von Gatterburg umreißt sehr prononciert die aktuelle Lage in der psychosozialen Arbeit. Streiks gehören auch hier dazu: Viele werden morgen nach Gießen zu einer Streikveranstaltung der Erzieher fahren. Frau Professor Niederreiter von der Hochschule Darmstadt ergänzt und übernimmt als Moderatorin das Steuer.
Grüß Gott, Homo oeconomicus
Prof. Dr. rer. pol. Walter Hanesch hält den ersten Hauptvortrag zur Ökonomisierung des Sozialen und deren Auswirkungen in der psychosozialen Arbeit. Der emeritierte Professor ist vor allem als Autor von zwei Armutsberichten bekannt geworden; er ist ausgewiesener Experte für soziale Fragen und berät entscheidende Gremien der Europäischen Union. Sein Vortrag ist hervorragend gegliedert und lässt sich gut verfolgen, da sich auf den PowerPoint-Folien alle entscheidenden Textpassagen finden. Er problematisiert insbesondere die zunehmende Ungleichheit der Ressourcen- und Lebenslagen, gekennzeichnet durch Individualisierung und Pluralisierungsprozesse. Diese Entwicklung geht einher mit einem Verlust an Sicherheit und Geborgenheit. Die Zahl sehr reicher und sehr armer Menschen nimmt kontinuierlich zu; ebenso der Anteil prekär Beschäftigter. Wie reagiert der Sozialstaat auf diese Entwicklung? Er propagiert das neue Leitbild des „aktiven Bürgers“, des Bürgers als Homo oeconomicus. Propagiert und bewundert wird der Egoist, Altruismus wird belächelt. Mit der „Neuen Steuerung“ haben betriebswirtschaftliche Prinzipien Einzug in den sozialen Diensten gehalten. Die öffentliche Verwaltung beauftragt, koordiniert und finanziert. Im Vordergrund steht der Preis, die Qualitätskriterien sind nachrangig. Der Manager ist das universelle Leitbild, auch in der psychosozialen Arbeit, der Klient wird zum Kunden. Hanesch warnt davor, die psychosoziale Arbeit zu idealisieren. Sie hatte immer gesellschaftliche Aufgaben, hat selektiert und etikettiert.
Hanesch spricht mit großem Engagement und führt uns ohne Umwege ins Herz der Finsternis – und ein wenig auch wieder heraus. Vor allem in der Gemeinwesenarbeit und auf Tagungen wie dieser sieht er eine kleine Chance. In der anschließenden Diskussion wird er sofort gefragt: Wo kann man auf der Ebene dieses Diskurses ansetzen? Hanesch meint, er sei von Hause aus Optimist. Aber: Er stelle eine Fixierung des gesamten Denkens in der EU auf Ökonomie fest. Dabei sei Konsens: „Es funktioniert doch alles!“ Und wie schätzt er die UN-Behindertenrechtskonvention ein? Es bleibe alles auf der rhetorischen Ebene, es seien keine Mittel dafür bereitgestellt worden. Abschließend: Je krisenhafter die Lage, desto ausgrenzender wird Sozialpolitik.
Kampf dem Zeit-Darwinismus
Es folgt Prof. Dr. Jürgen P. Rinderspacher vom Institut für Ethik und angrenzende Sozialwissenschaften der Universität Münster. Rinderspacher ist ein ausgewiesener Zeit-Experte und spricht heute über den „Umgang mit der Zeit und deren mögliche Auswirkungen auf die Gesellschaft“. Was hat eigentlich Zeit mit Ökonomisierung zu tun? Wie alle Referenten ist Rinderspacher im Hotel Ibis untergebracht und hat die Zettel auf den Tabletts im Frühstücksraum aufmerksam gelesen: „Bei uns geben Ihre Bedürfnisse den Takt an.“
Geben die Bedürfnisse von alten und behinderten Menschen bei uns ebenfalls den Takt an? Zeit ist inzwischen eine eigenständige Währung – alles muss sofort sein, siehe „WhatsApp“. Wie viel Zeit ich jemandem widme, hat mehr Bedeutung als der Inhalt des Kontakts. Und gerade Soziale Arbeit ist immer eine Form der Zeit-Arbeit. Was früher die Familie gemacht hat, ist jetzt eine Dienstleistung mit einem Preis. Noch die Diakonissen verrichteten „Liebes-Arbeit“ ohne wirtschaftliches Kalkül. Die Diakonissen orientierten sich an der Bedürftigkeit, am Bedarf. Dies führte sicher zu Willkür. Aber ist die Orientierung am Faktor Zeit unbedingt gerechter? Rinderspacher erwischt mich an einem besonders sensiblen Punkt, der Modularisierung sozialer und pflegerischer Leistungen, finanziert durch Sozial- und Staatskassen. Er kennt sich aus. Er weiß, mit welchem Punkt- bzw. Zeitwert die ambulanten und stationären Pflegeleistungen unterlegt sind. Wie viel Minuten Pflege braucht der Pflegebedürftige am Körper? Das fragt der Gutachter vom Medizinischen Dienst, bevor er den Menschen einer Pflegestufe zuordnet. Genau ist geregelt, wie viele Minuten die erweiterte Körperpflege, die „kleine“ oder „große“ Toilette dauern darf. Wir sind durchgetaktet nach vermeintlich objektivierbaren Zuteilungsregeln. Und genau dann, wenn wir als Demente aus der Zeit herausfallen, kommt die Taktung der Intimität. Auch Menschen mit geistiger oder seelischer Behinderung werden zunehmend im Takt der Fachleistungsstunden und der Hilfebedarfsgruppen gemäß Hilfeplanung versorgt – Face to Face. Einen ersten Schritt in die richtige Richtung sei die Berücksichtigung Demenzkranker mit der Pflegestufe null. Mit großer Leidenschaft warnt Rinderspacher davor, weiterhin soziale Prozesse in Effizienzlogiken zu pressen. Zeit für andere Menschen sei als „Gabe“ anzusehen. Rinderspacher, so verrät mir Google bei der Nachbereitung, hat in den Achtzigerjahren den Begriff des „Zeitwohlstands“ erfunden. Mein Ruhestand hat mich wahrlich reich gemacht!
Zur Mittagspause wandern die Tagungsteilnehmer Richtung Hochschule und Mensa. Mindestens die Hälfte von ihnen bewegt sich auf vertrautem Gelände, denn sie sind Studentinnen und Studenten der hiesigen Hochschule und befinden sich im Anerkennungsjahr. Im Anerkennungsjahr? Ich kann es kaum fassen: Hier gibt es noch das gute alte zusammenhängende Praktikum am Ende des Studiums, mit zirka der Hälfte dessen vergütet, was sie als fertige Sozialarbeiterinnen später erhalten werden. Ich bin neidisch. Ich denke an die zwanzig Wochen, die als integriertes Praktikum in Berlin und vielen anderen Bundesländern übrig geblieben sind – ohne Vergütung natürlich, sodass fast alle Studenten nebenher arbeiten müssen und völlig erschöpft an ihrem Studientag im Seminar hängen.
Ich folge Constantin von Gatterburg zu einem Pressegespräch, zu dem sich immerhin eine Journalistin eingefunden hat. Fritz Bremer von der #Brücke Neumünster^ berichtet von einer zunehmend schwierigen Situation in Schleswig-Holstein, wo viele Mitarbeiterinnen durch die Arbeit im strengen Takt der Fachleistungsstunden ausgebrannt und erschöpft sind. Psychosoziale Unterstützung in Form von Inter- und Supervision sei für sie inzwischen ein Luxus, den sie sich nicht mehr leisten können. Die Lösung liege in Budgets, mit denen flexibler und vor allem humaner auf die je aktuellen und individuellen Bedürfnisse der Klienten eingegangen werden kann. Die Journalistin gibt sich große Mühe, die komplexen Inhalte zu erfassen. Und tatsächlich ist ihre Berichterstattung im „Darmstädter Echo“ unter der Überschrift „Zu wenig Zeit für Betreuung“ kompetent und gut verständlich.
Zu zehn unterschiedlichen Foren konnten sich die Teilnehmerinnen der Tagung anmelden. Ich entscheide mich für ein Forum zum Thema „Systemsprenger“. Ich sitze in einem Seminarraum der Hochschule, zusammen mit vielen interessierten Studentinnen, psychosozial Tätigen und EX-INlern. Anne Sprenger und ihr Kollege Christian Nüther stellen zunächst ihren Träger vor: den Verbund für psychosoziale Dienstleistungen (VPD) Mettmann (www.vpd-mettmann.de). Mir scheint, dieser psychosoziale Träger verfügt über alle Bausteine, die in der gemeindepsychiatrischen Versorgung zurzeit im Angebot sind. Wenn wir in der Diskussion eine Lücke zu entdecken meinen, dann zieht Anne Sprenger den fehlenden Baustein schon aus der Tasche. Vom Sozialpsychiatrischen Zentrum über den Integrationsfachdienst und die Tagespflege wird alles vorgehalten, was Menschen mit seelischer Behinderung unterstützen kann. Am Beispiel einer sehr schwierigen, fünfzehn Jahre lang in der Klinik dauerfixierten Klientin zeigen die beiden auf, dass ungewöhnliche und extrem personalintensive Einzellösungen möglich sind. Viel Geduld und ein komplexes, gut vernetztes System machen es möglich, auch derart schwierige Menschen zu integrieren. Nun gibt es seit dem 1. September 2014 ein neues Angebot, zu dem leider noch nicht viel Erfahrungen vorliegen: „Place to be“. Es handelt sich um ein ganzes Haus, in dem sich auch ein Büro befindet. Die Bewohner werden in ihrer eigenen Wohnung durch je ein Tandem aus dem betreuten Einzelwohnen unterstützt; außerdem steht ein telefonischer Krisendienst zur Verfügung. Der VPD Mettmann ist Teil des #NetzWerks psychische Gesundheit^, einem Projekt der Integrierten Versorgung (IV), sodass für Klienten mit der „richtigen“ Krankenkasse noch weitere ambulante Angebote möglich sind. Der Aufenthalt im „Place to be“ ist zeitlich befristet, aber unterliegt nicht den üblichen Zugangskriterien.
Mir imponiert ganz besonders, dass der VPD eine EX-IN-Mitarbeiterin beschäftigt, deren einzige Aufgabe darin besteht, die Mitarbeiter unter dem Blickwinkel der Klientenperspektive zu beraten. Beispielhaft erscheint mir auch ein Projekt des betreuten Wohnens für Jugendliche ab sechzehn, das in Kooperation mit der Jugendhilfe aufgebaut wurde.
Anne Sprenger, die sich immer wieder zum Thema Systemsprenger und geschlossene Einrichtungen zu Wort gemeldet hat, ist allerdings der Ansicht, dass gemeindepsychiatrische Versorgung auch ihre Grenzen habe. Manch einer müsse eben in die Forensik, da gebe es keine Alternative. Wichtig ist ihr die Schaffung eines „Place to work“, die Weiterentwicklung des Trialogs und der Inklusion und die stärkere Aktivierung von Menschen aus der Gemeinde.
Nach den Foren treffen sich die ganz Alten und die ganz Jungen noch in der Hochschule, bei Salzletten und Saxofon. Chillen nannte man das mal – wie heißt es jetzt? Ich habe den Überblick verloren. Fast alle sind sehr zufrieden mit dem Verlauf ihrer gut besuchten Foren, z.B. Charlotte Köttgen (Kinder und Jugendliche) und Brigitte Geißler-Piltz (Supervision). Die Studentinnen im Anerkennungsjahr wirken gut vorbereitet und höchst motiviert.
Die Unruhe bleibt. Viele wandern zum Bahnhof, entweder um rechtzeitig vor Beginn des Streiks nach Hause zu kommen oder um sich nach dem Notfallfahrplan zu erkundigen. Ab und zu fährt ein Taxi vor.
Durch die lange Arkade zu den Menschenrechten
Am Abend gehe ich in kleiner Gruppe mit den Alt-DGSPlern Helga und Christian Nieraese durch Darmstadt. Christian erzählt von seiner Zeit als Sozialarbeiter im Sozialpsychiatrischen Dienst. Ich kann es kaum fassen: Er bot schon vor Jahrzehnten eigenhändig eine Sprechstunde in der Klinik an und eine im Knast. Also auch in dieser Hinsicht war Darmstadt revolutionär. Wir passieren die „Arkade der Grundrechte“ und lassen uns aufklären über den Vormärz und Büchner. Darmstadt ist wahrlich – passend zum Tagungsthema – ein guter Ort für rebellische Umtriebe.
Die werden am nächsten Morgen schnurstracks unter der Moderation von Joachim Speicher fortgesetzt. Serge Embacher zeigt zwar ebenfalls Folien, spricht aber frei und mit so großer Leidenschaft, dass sogar die sonst ewig nölenden Studentinnen in der Warteschlange zum Klo hinterher begeistert sind. Embacher kennt sich aus im Politikbetrieb und klärt uns zunächst einmal auf: Kampagnen werden von Werbeagenturen entwickelt, Politiker legen sich niemals fest, weil man sie sonst ja festlegen könnte. Die Liberalisierung schreitet fort, die Dehumanisierung ebenso. Alles wird nur noch unter dem Aspekt der Wirtschaftlichkeit gesehen. Beispiel öffentlicher Nahverkehr: Noch vor dreißig Jahren wäre kein Mensch auf die Idee gekommen, dass der ÖPNV Gewinn erwirtschaften muss. Nun zählt auch hier nur noch der zu erwirtschaftende Profit, koste es, was es wolle. Embacher prangert die Pseudorationalität der ökonomischen Perspektive an, die so tut, als sei die Globalisierung ein Naturgesetz und der Markt schlichtweg vollkommen. Gemeinsam mit Colin Crouch („Postdemokratie“) ist er befremdet darüber, dass gerade der Neoliberalismus aus der Bankenkrise gestärkt herausging. Er sieht die Politik in der Krise. Ein ganz bestimmter Politikertypus dominiere: medienfixiert, meinungsflexibel, karrierefixiert. Das sei Politik im 24/7-Stil, rund um die Uhr, sieben Tage die Woche. Kurzfristigkeit versus Strategie, keine oder banale oder Einheitsfloskeln, denn man muss ja jederzeit mit jedem koalieren können. Plastiksprech! Seiner Ansicht nach gibt es in der Politik kaum noch relevante Strategien. Embachers Analyse lässt keine Hoffnung. Ich ducke mich, denn dies ist nun der dritte Vortrag, der mich moralisch plattmacht. Ist denn das bürgerschaftliche Engagement ein Ausweg? Die Zivilgesellschaft ist nicht per se positiv, man denke nur an #Pegida^. Aber: Wir hätten keinen Atomaussteig ohne die AKW-Bewegung. Er finde es außerordentlich sympathisch, welche Prioritäten Griechenland derzeit setze: erst die Renten der kleinen Leute, danach die Schulden bei der Hochfinanz.
Gegen-Brandstifter unter sich?
So geht man dann doch ein wenig ermutigt in die abschließende Podiumsdiskussion, die von Joachim Speicher fachkundig moderiert wird. Immer wieder mal war während dieser Tagung Pierre Bourdieu zitiert worden: „Gegenfeuer“ entfachen! Speicher greift auf. Hat ehrenamtliches Engagement wirklich die Funktion des Gegenfeuers, oder wird es nicht viel eher einverleibt, absorbiert? Frau Dr. Jakob, Professorin an der Hochschule Darmstadt, bestätigt die Gefahr der Instrumentalisierung. Sie bevorzugt den Begriff „bürgerschaftliches Engagement“. Wilfried Nodes vom „Forum Sozial“ fordert eine Renaissance der guten alten Gemeinwesenarbeit. Viele Begriffe sind uns abgenommen worden und sind inzwischen Mittelschichtsveranstaltungen. Er fordert die klare Trennung von Gemeinwesen und Sozialraum – das ist etwas ganz anderes. Er schildert ein Beispiel aus seinem Dorf, wo der Erhalt eines Tante-Emma-Ladens erkämpft werden konnte.
Es sind eindrucksvolle, engagierte Akteure auf diesem Podium. Besonders charismatisch Werner Rätz, Mitglied von Attac Deutschland. Er weist darauf hin, dass er bereits 2003 fünfzehn Thesen formuliert habe, „wie man in eine andere Richtung gehen kann“.* Er bestätigt Embacher: Seit 1998 haben wir alle nur denkbaren politischen Konstellationen erlebt – es machte keinen Unterschied. Immerhin ist es gelungen, TTIP zum Thema zu machen. So kann und muss es gehen. Die nächsten Aktionen: Am 20. Juni Demonstration in Berlin unter dem Motto „Europa. Anders. Machen.“ – bundesweites Bündnis gegen die Griechenland- und Flüchtlingspolitik der Bundesregierung. Rätz klagt über die Fallpauschalen, DRGs, mit deren Einführung die Privatisierungswelle im Gesundheitswesen begann. Nun gilt es, gegen PEPP (das pauschalierende Entgeltsystem in Psychiatrie und Psychosomatik) zu mobilisieren; Kampagnen sind geplant.
Es gibt auch ein paar Erfolgsgeschichten zu erzählen, z.B. die Entwicklung des Bundesverbandes der Psychiatrie-Erfahrenen, repräsentiert durch Sylvia Kommann. Oder – von Constantin von Gatterburg aufgezeigt – die Kampagne der DGSP gegen das pharmagestützte IV-Modell in Niedersachsen.
Die Diskussion wird geöffnet, das Plenum steigt ein. Joachim Speicher weist darauf hin, dass Deutschland weltweit die höchste Rate der Freiwilligen in der Altersspanne von achtzehn bis fünfunddreißig hat. Natürlich sind das jede Menge freiwillige Feuerwehrmänner, aber eben auch jede Menge potenzielle Ungehorsame und Brandstifter. Wie können die vielen tausend sich erkennen, was könnten die Katalysatoren sein?
Weil Rätz vom Land kommt, muss nun eine heftige Metapher her: die Jauchegrube. Anscheinend an der Oberfläche ganz still, aber unten gärt es heftig. (Ich habe meine Zweifel und erinnere mich an ähnliche Beschwörungen des revolutionären Potenzials der Massen zu Zeiten der K-Gruppen …) Nodes: Wir müssen die großen Themen – Flüchtlinge, Armut, Pflege – wieder ins Auge fassen. Wir kümmern uns zu wenig um uns selber. Weg vom Case-Management, hin zur Beziehungsarbeit. Und zum Abschluss Constantin von Gatterburg: Nur Engagierte können Engagierte engagieren.
Da Renate Schernus von den #Soltauern^ streikbedingt nicht mehr anwesend ist, schnappe ich mir den „Denkzettel“ Nr. 5 der #Soltauer Initiative^, der auf der Tagung ausliegt. Ist es wirklich so einfach, wie es im Nationalen Aktionsplan der Bundesregierung formuliert ist? „Wir werden die Welt einfacher machen. Und das werden wir gemeinsam mit unseren Mitstreiterinnen und Mitstreitern einfach machen.“ Nein. Die Soltauer zerpflücken auch diese redundante Rhetorik. „Unter dem Stichwort #Inklusion^ werden wir mit einer trügerischen Hoffnung beschäftigt, während ökonomisch und politisch nicht #Einschluss^, sondern #Ausschluss^ betrieben wird.“
Zum Abschluss gibt Joachim Speicher den Reich-Ranicki und meint: „Und so sehen wir betroffen, den Vorhang zu und alle Fragen offen.“ Ich denke: Die Feuer sind gelöscht, die Tagung ist geschlossen.
PS: Auf der Website von Werner Rätz (siehe unten) finden sich nicht nur die sehr lesenswerten „15 Thesen“, sondern auch recht elaborierte Rezepte zur Pankreasdiät (Spargel mit Krabben …).
* http://www.werner-raetz.de/fileadmin/user_upload/Autor/gsr/15_thesen_Richtungsforderungen.pdf
[1]Quelle: soziale psychiatrie 150, Ausgabe 4; Nachdruck mit freundlicher Genehmigung der Redaktion und der Autorin.