< vorheriger Artikel

Bundessozialgericht: Ambulante neuropsychologische Therapie (noch) nicht erstattungspflichtig

Das Bundessozialgericht (BSG) hat am 26.9.2006 entschieden, dass gesetzliche Krankenkassen nicht verpflichtet sind, eine ambulante neuropsychologische Therapie zu erstatten.


Sachverhalt:

Die Klägerin hatte im April 2003 mit einem befürwortenden ärztlichen Schreiben die Gewährung einer ambulanten neuropsychologischen Therapie durch einen Psychologischen Psychotherapeuten beantragt. Der von der Beklagten eingeschaltete MDK hielt die Therapie für medizinisch indiziert, um irreversible schwere alltagsrelevante Beeinträchtigungen zu vermeiden; konventionelle Therapien (z.B. Ergotherapie) seien nicht ausreichend. Die beklagte Krankenkasse lehnte den Antrag gleichwohl ab, weil der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen (seit 1.1.2004 Gemeinsamer Bundesausschuss) nicht den diagnostischen und therapeutischen Nutzen der begehrten Behandlung in seinen Richtlinien (RL) anerkannt habe.

Entscheidung und Entscheidungsgründe:

Der Klägerin wurde kein Anspruch auf Erstattung der Behandlungskosten für die von April 2003 bis November 2004 ambulant durchgeführte neuropsychologische Therapie nach § 13 Abs. 3 Satz 1 Alt. 2 Sozialgesetzbuch (SGB) V zugesprochen.

Das BSG führt in seiner Entscheidungsbegründung aus, dass der Wissenschaftliche Beirat Psychotherapie (§ 11 PsychThG), der die Wissenschaftlichkeit der neuropsychologischen Therapie im Jahr 2000 teilweise bejaht hatte, nur berufsrechtliche Aufgaben wahrnehme, ohne den Leistungsumfang in der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) verbindlich festlegen zu können. Für die Leistungsgewährung wäre grundsätzlich erforderlich gewesen, dass der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen in Richtlinien bereits eine positive Empfehlung zur neuropsychologischen Therapie abgegeben hätte. Hieran fehle es jedoch. Die Therapie sei bei der gebotenen formalen Betrachtungsweise "neu", gleich, ob man sie den im Einheitlichen Bewertungsmaßstab  (EBM) geregelten ärztlichen Leistungen, den Psychotherapie-Richtlinien oder den Heilmittel-Richtlinien zuordne. Die in den Heilmittel-Richtlinien vorgesehene Ergotherapie in Form von "Hirnleistungstraining/neuropsychologisch orientierter Behandlung" beziehe sich nicht auf die Behandlung durch Psychologen.

Das BSG lehnt auch einen Analogie-Schluss zu der im Rahmen der stationären Versorgung bereits möglichen Leistungsgewährung ab, da dies wegen der strukturellen Unterschiede beider Bereiche nichts für die ambulante Versorgung besage. Auch für ein Systemversagen mit der Folge, dass die Verbreitung der Methode für die Leistungspflicht der Krankenkasse hätte ausreichen können, sieht das BSG keinen Anhaltspunkt.

Ein formeller Anerkennungsantrag für die neuropsychologische Therapie wurde erst im Juli 2003 gestellt. Aus Sicht des BSG habe der Ausschuss, als er sich im September 2000 eigeninitiativ mit der neuropsychologischen Therapie befasste, auf der Grundlage der Erkenntnisse des Beirats trotz bejahter Wirksamkeit des Funktionstrainings annehmen dürfen, dass die Wissenschaftlichkeit für die beiden weiteren therapie-immanenten Elemente (Kompensations- und integrative Therapien) nicht belegt sei und unerwünschte Wirkungen und Risiken nicht geprüft worden waren.

Az: Sozialgericht Hamburg - S 48 KR 1620/03 – Bundessozialgericht B 1 KR 3/06 R-

Kerstin Burgdorf

Quelle: 'Rosa Beilage' zur VPP 4/2006


Zurück