Kammer-Delegiertenversammlung am 18. und 19. März 2016
Mitte März tagte die Delegiertenversammlung der hessischen Psychotherapeutenkammer in Wiesbaden. Sie stand nach meiner Einschätzung schon deutlich im Zeichen des anstehenden Kammerwahlkampfes und der im Juni stattfindenden Wahl einer neuen Delegiertenversammlung. Was sich in den letzten Vorstandssitzungen schon angedeutet hatte, kam diesmal auch in den Abstimmungen zum Ausdruck. Während die bisherige Koalition, die den Kammervorstand vor fünf Jahren wählte, aus unserer Verhaltenstherapie-Liste VT-AS, aus den psychodynamischen Listen und aus dem BVVP bestand, zeigten sich bei der Delegiertenversammlung nun andere Bündnisse. Bei den Abstimmungen, die kontrovers verliefen, wurde unsere Liste VT-AS von der DPtV und von der Liste der humanistischen Verfahren QdM unterstützt. Die psychodynamischen Listen verbündeten sich dagegen mit dem BVVP und einer KJP-Liste (dem BKJ).
Kontrovers war erneut die Frage, ob die Berufsordnung künftig mit einer Zweidrittelmehrheit beschlossen werden solle. Gegenwärtig genügt eine einfache Mehrheit. Wir sahen in diesem Antrag der psychodynamischen Listen und ihrer Verbündeten den Versuch, die Regeln der Berufsordnung zu betonieren und damit künftige Weiterentwicklungen zu erschweren. Unsere Liste VT-AS vertrat die Position, dass es durch die verschiedenen Psychotherapieverfahren verschiedene Kulturen von Psychotherapie gibt, die alle ihren Entwicklungsspielraum haben sollten. Für uns VerhaltenstherapeutInnen sind zum Beispiel die Einbeziehung neuer Medien in den psychotherapeutischen Prozess oder auch die aufsuchende Psychotherapie (Psychotherapie nicht nur im Praxissetting, sondern auch im Pflegeheim oder in der Wohnung von PatientInnen) Entwicklungen, denen wir uns stellen wollen und die gegenwärtig von der Berufsordnung noch behindert werden. Bei diesem Thema erreichten die psychodynamischen Listen und ihre Verbündeten nicht die erforderliche Mehrheit, um ihr Anliegen durchzusetzen.
Ein weiterer kontroverser Punkt war die Frage, wie die PsychotherapeutInnen damit umgehen sollten, wenn Verwandte oder enge Bekannte von PatientInnen eine Psychotherapie bei demselben/derselben PsychotherapeutIn machen möchten. Unsere Liste VT-AS vertrat zusammen mit der DPtV und QdM die Position, dass unsere Kolleginnen und Kollegen fachkundig genug sind, mit dem Thema sorgsam umzugehen. Dagegen setzten die psychodynamischen Listen mit ihren Verbündeten einen Beschluss durch, wonach die gleichzeitige bei derselben PsychotherapeutIn durchgeführte Behandlung von Personen, die eine enge Beziehung zueinander haben, die absolute Ausnahme bleiben soll.
Kontrovers verlief auch die inhaltliche Diskussion in einer öffentlichen Veranstaltung am Freitagabend. Thema war erneut die Nutzung neuer Medien im Kontext der Selbsthilfe bei psychischen Problemen. Unsere Liste VT-AS versah Selbsthilfe mit einer eindeutig positiven Konnotation, auch wenn diese Selbsthilfe eine Kommunikation über das Internet beinhalten würde. Natürlich kann nicht genug vor den Datenschutzproblemen des Internets gewarnt werden. Aber diese Form der Selbsthilfe unter Verweis auf die Datenschutzprobleme in Frage zu stellen, soweit wollte VT-AS nicht gehen.
Andere Tagesordnungspunkte der Delegiertenkonferenz wurden im Konsens behandelt, zum Beispiel das Thema Finanzen oder die Weiterbildungsordnung für Klinische Neuropsychologie, deren Übergangsregelungen endlich einstimmig verabschiedet wurden.
Mit dieser Delegiertenkonferenz deutet sich meines Erachtens an, dass unsere beiden Bündnispartner die jetzige Koalition aus VT-AS, psychodynamischen Listen und bvvp nicht mehr fortführen möchten. Aber letztendlich haben immer noch die Wählerinnen und Wähler das entscheidende Votum, wenn es um die Ausrichtung der Kammerpolitik in den nächsten fünf Jahren geht. Deshalb möchte ich meine Berichte von den Delegiertenkonferenzen mit einem Appell beenden: Bitte geht wählen!
Kammerwahlkampf in Hessen
Im Juni wird eine neue Delegiertenversammlung der hessischen Kammer gewählt. In einer ersten Aussendung an die Kammermitglieder hat die Liste VT-AS folgende Positionsbestimmungen vorgenommen (auszugsweise):
Fünf Jahre erfolgreiche Arbeit im Kammervorstand und in den Kammergremien liegen hinter uns:
Wichtige berufs- und fachpolitische Entscheidungen stehen in den kommenden fünf Jahren an:
Mit Ihrer Unterstützung wollen wir diese Ziele in Kammervorstand und Delegiertenversammlung umsetzen.
„Wir“ – das sind KollegInnen aus allen Berufsfeldern: niedergelassen in freier Praxis, angestellt in Kliniken, Instituten oder Beratungseinrichtungen, in Ausbildung, Supervision und in Forschung. Wir werden unterstützt von der Deutschen Gesellschaft für Verhaltenstherapie (DGVT) e. V., vom Deutschen Fachverband für Verhaltenstherapie (DVT), von Klinisch-Psychologischen Instituten der hessischen Universitäten sowie von staatlich anerkannten verhaltenstherapeutischen Ausbildungsinstituten in Hessen.
Wir verstehen die Verhaltenstherapie als eine entwicklungsoffene therapeutische Grundorientierung, die sich durch Transparenz, Kooperation, Hilfe zur Selbsthilfe, Lösungs- und Ressourcenorientierung sowie eine enge Zusammenarbeit von Wissenschaft und Praxis auszeichnet. Die moderne Verhaltenstherapie leistet einen, wenn nicht sogar den wesentlichen Beitrag zu einer qualifizierten psychotherapeutischen Versorgung in der Gesellschaft. Sie hat entscheidenden Anteil daran, dass das Ansehen und die Akzeptanz der Psychotherapie in Politik und Gesellschaft deutlich gewachsen sind. Die Berufe des Psychologischen Psychotherapeuten und des Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapeuten zu stärken, ist und bleibt aber gerade in den kommenden Jahren eine zentrale Aufgabe.
In der Kammerarbeit wird es auch weiterhin unser politischer Stil sein, dialogbereit und undogmatisch eine Einigung in Sachfragen zu suchen, und, wo es der Umsetzung gemeinsamer Anliegen dient, auch Kooperationen mit anderen ListenvertreterInnen einzugehen. Dabei werden wir aber immer die Anliegen der verhaltenstherapeutisch tätigen KollegInnen klar und deutlich vertreten.
Berufspolitisch und sozialrechtlich steht die Psychotherapie vor großen Herausforderungen. Wir sind überzeugt, diese mit dem Entwicklungspotenzial der Verhaltenstherapie, ihrer Lernbereitschaft und Kreativität, erfolgreich meistern zu können. Wir sind bereit, diesen Prozess in der Kammer mit Achtsamkeit und Weitsicht zu gestalten.
Mittlerweile sind wir über eine eigene E-Mail-Adresse (vt-as@web.de) und eine eigene Homepage (www.vt-as-hessen.de) erreichbar.
Karl-Wilhelm Höffler
Landessprecher Hessen
Kontakt: hessen(at)dgvt(dot)de; hessen(at)dgvt-bv(dot)de