Im August hat der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) eine Position zur Reform der Psychotherapie-Ausbildung vorgelegt. Um die bisherige Qualität der psychotherapeutischen Versorgung zu sichern, wird eine veränderte dreigliedrige Ausbildungsstruktur vorgeschlagen: Ein grundlegendes Bachelorstudium in Psychologie, Pädagogik oder Soziale Arbeit, danach ein viersemestriger Studiengang „Klinische Psychologie“ und anschließend ein dreijähriger v.a. praxisbezogener Ausbildungsteil. Weiter wird empfohlen, die Berufszweige Psychologische Psychotherapie und Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapie beizubehalten. Die in der ambulanten Psychotherapie geplanten neuen Leistungen wie „psychotherapeutische Sprechstunde“ bzw. „psychotherapeutische Akutversorgung“ werden als Ausbildungsbausteine ebenfalls berücksichtigt.
Der Vorschlag des GKV-Spitzenverbandes für eine Reform der Psychotherapieausbildung bietet interessante und zielführende Vorschläge. Er beinhaltet die im BMG-Forschungsgutachten 2009 belegte Qualität der heutigen Psychotherapie-Ausbildung und bietet Lösungen für den heute notwendigen Änderungsbedarf der Ausbildungsstruktur: Uneinheitlicher Zugang zur Psychotherapie-Ausbildung nach der Bologna-Reform und unzureichende Finanzierung der Praktischen Tätigkeit. Gleichzeitig hebt sich der GKV-Entwurf wohltuend von einer ordnungs- und berufspolitisch begründeten Brechstangenreform ab, wie sie vom BMG favorisiert und vom Deutschen Psychotherapeutentag bevorzugt wird, eine fünfjährige Direktausbildung nach dem Abitur mit anschließender Weiterbildung.
Das Modell der GKV, vergleichbar mit einer sog. dualen Direktausbildung, vermeidet die Entstehung eines versorgungspolitisch problematischen „Psychotherapeuten ohne Fachkunde“ sowie die enormen Kosten einer fragwürdigen Weiterbildung, deren Finanzierung nach wie vor völlig ungeklärt ist.
Der 2. Ausbildungsteil würde mit einem ersten Staatsexamen abschließen. Ein dritter praxisorientierter Ausbildungsabschnitt, der in Form von bewährten Ausbildungsgängen bereits existiert, würde unter staatlicher Aufsicht erfolgen und in ein zweites Staatsexamen und die Approbation münden.
Die Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapie bliebe in ihrer Eigenständigkeit und Bedeutung für die psychotherapeutische Versorgung erhalten. Auch hätten die heutigen Ausbildungsstätten mit ihrer qualitätsgesicherten Ausbildung Zukunft und würden die Vernetzung von theoretischen und praktischen Ausbildungsteilen sicherstellen. Wichtig ist auch, dass eine Entscheidung zum Psychotherapieberuf erst nach einem grundlegenden Studium erfolgt und so eine gereiftere Persönlichkeit voraussetzt, die sich bereits qualifizieren und orientieren konnte. Die Approbation erfolgt zum verantwortungsvollen Schutz der Patienten als Zulassungsinstrument zur Ausübung von Heilkunde nach Abschluss aller Ausbildungsteile. Psychologie und Pädagogik bleiben eine hochwertige Eingangsqualifikation und behalten als grundlegende Studienfächer ihre Bedeutung. So werden Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten ausgebildet, denen es nicht an notwendigem Grundlagenwissen zum Erleben und Verhalten des Menschen fehlt.
Die Beherrschung wissenschaftlich anerkannter Verfahren wäre weiterhin Voraussetzung für die Berufserlaubnis als einheitlicher qualifikatorischer Maßstab für Psychotherapie. Es gäbe dann Ärztliche und Psychologische Psychotherapeuten mit Fachkunde und keine Psychologische Psychotherapeuten ohne Fachkunde, letzteres unvereinbar mit dem Patientenschutz.
In ihren Finanzierungsüberlegungen geht die GKV auf aktuelle Nachfrage davon aus, dass in dieser Ausbildung neben einem stationären und einem ambulanten Praktikum selbstverständlich weiterhin psychotherapeutische Leistungen erbracht werden, die nach § 117 SGB V im Rahmen der GKV zu finanzieren sind. Was nach geltender Rechtslage nicht für eine geplante heilkundliche Weiterbildung zutreffen würde. Darüber hinaus soll ein „Referendarsgehalt“ Ausbildungskosten und Lebensunterhalt finanzieren. An dieser Stelle wäre sicherlich zu prüfen, wie eine angemessene Mischfinanzierung solcher Ausbildungsvergütung durch die Versichertengemeinschaft unter Einbeziehung anderer Finanzquellen in ausreichender Höhe gestaltet werden kann.
Die GKV zeigt in ihrem Positionspapier einen strukturellen Rahmen auf, der zu begrüßen ist, der aber noch weiterer inhaltlicher Konkretisierungen und auch rechtlicher Problemlösungen durch den Gesetzgeber bedarf.
Dr. Steffen Fliegel
Mitglied der ehem. Forschergruppe der Bundesregierung zur Ausbildung in Psychologischer Psychotherapie und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie
c/o Gesellschaft für Klinische Psychologie und Beratung GmbH, Wolbecker Str. 138, D-48155 Münster, fliegel@klipsy-ms.de, +49-170-9699813
[1]www.gkv-spitzenverband.de/media/
dokumente/presse/publikationen/Positionspapier_
Reform_Psychotherapie-Ausbildung_barrierefrei.pdf