Liebe Babette,Sehr geehrte Damen und Herren.
Es ist mir eine große Freude, die Laudatio zur Verleihung des diesjährigen DGVT-Preises an Frau Professorin Dr. Babette Renneberg zu halten. Der DGVT-Preis wird bereits seit dem Jahr 2000 verliehen und wird auch liebevoll als „Distinguished German Visionary Trophy“ bezeichnet, die für (und hier zitiere ich aus den Richtlinien zur Vergabe des Preises) „hervorragende Leistungen auf den Gebieten der Entwicklung der Verhaltenstherapie/Psychotherapie in gesundheitspolitischer Verantwortung und der Weiterentwicklung gesundheitsförderlicher psychosozialer Prävention und Intervention“ verliehen wird. Welches sind nun die hervorragenden Leistungen von Frau Prof. Dr. Renneberg, die das DGVT-Preiskuratorium zur einstimmigen Entscheidung für sie als Preisträgerin des Jahres 2018 bewegt haben?
Zunächst die berufbiografischen Eckdaten: Babette Renneberg ist seit 2008 Professorin für Klinische Psychologie und Psychotherapie HIER, also an der Freien Universität Berlin. Sie leitet die Hochschulambulanz der Freien Universität und das Zentrum für Seelische Gesundheit (ZGFU), ein staatlich anerkanntes Ausbildungsinstitut für Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie (VT) hier an der FU. Sie ist approbierte Psychologische Psychotherapeutin, Supervisorin und Ausbilderin in Verhaltenstherapie, ihr wissenschaftliches Werk umfasst weit über 100 wissenschaftliche Originalarbeiten, die größtenteils in sehr renommierten Fachzeitschriften veröffentlich wurden sowie mehrere Bücher. Ihre Arbeiten umfassen dabei das ganze Spektrum der klinischen Psychologie und Psychotherapie von experimentalpsychologischer Grundlagenforschung (aktuell zu sozialer Interaktion und sozialem Ausschluss bei Borderline-Störung) über die Anwendung klinisch-psychologischen Wissens im Bereich von Störungen, die in der kognitiven Verhaltenstherapie bereits gut „erschlossen“ sind (wie etwa soziale Angststörungen) bis hin zur Entwicklung und Evaluation von Behandlungsprogrammen für Menschen mit besonders ausgeprägten Beeinträchtigungen. Insbesondere diese letztgenannten Arbeiten entsprechen aus Sicht des Preiskuratoriums in hervorragender Weise „der Entwicklung der Verhaltenstherapie/Psychotherapie in gesundheitspolitischer Verantwortung und der Weiterentwicklung gesundheitsförderlicher psychosozialer Prävention und Intervention“.
Beispielhaft sollen an dieser Stelle drei Forschungsprogramme etwas ausführlicher dargestellt werden, die diese besondere gesundheitspolitische Verantwortung durch die Entwicklung von Behandlungsansätzen für Menschen mit ausgeprägter Beeinträchtigung von Babette Rennebergs Arbeit exemplarisch zeigen:
Bei einer so vielfältigen und reichen Tätigkeit in der Klinischen Psychologie und Verhaltenstherapie dürfte es äußerst schwer sein, einen „roten Faden“ von der Grundlagenforschung bis zur Anwendung zu identifizieren (wie in ihrem jüngst bewilligten Forschungsprojekt zur Evaluation des Trainings für Mütter mit Borderline-Störung, das „von Epigenetik bis zum Jugendamt“ reicht) – und doch ist dies im Falle von Babette Renneberg verblüffend klar und sogar einfach: im Zentrum ihrer Arbeit standen und stehen stets Menschen in ihren teils belastenden und oft widrigen sozialen Beziehungen: sei es im familiären Verbund, sei es in vielfältigen sozialen Interaktionen, auf dem Hintergrund von Entstellungen und schwierigen sozialen Lagen. Gerade ihre grundlagenorientierten Arbeiten zur Verarbeitung von sozialem Ein- und Ausschluss bei der Borderline Persönlichkeitsstörung und der sozialen Angststörung (für die sie den Hamburger Preis Persönlichkeitsstörungen erhalten hat) zeigen dieses zentrale Interessens- und Forschungsfeld. Im Laufe der letzten Jahre hat sich das Forschungsinteresse zunehmend auf Kinder und Jugendliche ausgedehnt – obwohl dieses Feld verglichen mit der Erwachsenentherapie schwieriger ist, bietet es die Möglichkeit, psychische Störungen „an der Wurzel“ zu behandeln und damit präventiv zu wirken. Und das ist Babette Renneberg ein besonders wichtiges Anliegen.
Wer Babette Renneberg persönlich kennt (und ich bin persönlich sehr froh und dankbar, sie seit ihrer Vertretungsprofessur an der Universität Frankfurt am Main 2006 als “befreundete Kollegin” und “kollegiale Freundin” sehr zu schätzen) mag sich zunächst wundern, wie eine durch und durch sozial kompetente und engagierte Kollegin, die seit Jahrzehnten erfolgreich in Teams arbeitet, neben der anspruchsvollen Arbeit eine tolle Ehe führt und dabei auch zwei Kinder großgezogen hat und über einen ausgedehnten Freundes- und Kollegenkreis verfügt, sich auf dieses Forschungsfeld verlegen kann – aber auch das mag sich leicht erklären: nur wer wie Babette den Wert und die Bedeutung sozialer Unterstützung spürt und zu schätzen weiß, kann die Verzweiflung erahnen, die Menschen mit Problemen und Defiziten im sozialen Bereich erleben.
Liebe Babette, herzlichen Glückwunsch zu diesem mehr als verdienten Preis! Trotz der im 16./17. Jahrhundert noch nicht geläufigen Gender-gerechten Sprache möchte ich diese Laudatio mit John Donnes berühmten Zeilen beenden:
No man (and no woman) is an island
Entire of itself
Every man (and woman) is a piece of the continent
A part of the main
(...)
Deine Arbeit aktuell und in der zurückliegenden Zeit zeigt (um in der Metaphorik von John Donne zu bleiben), dass Du Dich vor allem für die Menschen interessierst, die drohen, vom gesellschaftlichen Kontinent wegzubrechen und „ins Meer gewaschen zu werden“.
Thomas Heidenreich und Ulrike Willutzki