Als Andreas Veith mich bat, einige Zeilen über Kognitive Verhaltenstherapie in der Türkei zu schreiben, dachte er sicherlich nicht daran, wie schwierig es für jemanden ist, über "sein eigenes Kind" zu schreiben, über etwas, das ihm sehr wichtig ist, ohne dabei befangen zu sein.
Vor 15 Jahren habe ich meine Ausbildung in kognitiver Verhaltenstherapie in Großbritanien absolviert und hatte die Möglichkeit, mit jemandem zusammen zu arbeiten, den ich in höchstem Maße schätze: Isaac Marks. Damals hatte ich einen Traum, und ihn zu verwirklichen wurde mein Ziel: Eine türkische Gesellschaft für Verhaltenstherapie zu gründen, in der PsychiaterInnen, PsychologInnen und andere psychosoziale Berufgruppen zusammenkommen, um gemeinsam harmonisch und friedlich unter dem gleichen Dach zu arbeiten. Leider hatten mich frühere Erfahrungen in der Türkei gelehrt, dass es sehr schwierig sein würde, die unterschiedlichen Berufsgruppen zusammen zu bringen. Genauer gesagt: Aufgrund der Dominanz der analytischen Schule, die damals Psychologie und Psychiatrie beherrschte, standen viele PsychiaterInnen dem verhaltenstherapeutischen Ansatz - im Glauben, dass Verhaltenstherapie nur aus Techniken besteht, die darauf abzielen, Symptome zu beseitigen, ohne den zugrundeliegenden "Ursachen" irgendeine Bedeutung zu geben - kritisch gegenüber. Biologisch orientierte PsychiaterInnen auf der anderen Seite lehnten jede Form von Psychotherapie ab. Sowohl die biologisch als auch die analytisch orientierten TherapeutInnen bewerteten Verhaltentherapie als zu vereinfachend, mechanistisch, oberflächlich und manipulativ. Zu dieser Zeit gab es nur sehr wenige qualifizierte PsychologInnen, die der Verhaltenstherapie positiv gegenüberstanden. Sie gaben ihr Bestes, um die verhaltenstherapeutische Idee zu verbreiten, indem sie Vorlesungen hielten oder Workshops anboten. An den Universitäten machten sie es sich zur Aufgabe, ihren StudentInnen Verhaltenstherapie nahe zu bringen. Diese wenigen StudentInnen, die sie damals ausgebildet haben, sind heute die Moderatoren, die in der Türkei gemeinsam mit ihren erfahrenen - nicht alten - Lehrern innerhalb der Türkischen Gesellschaft für Kognitive und Verhaltentherapie verhaltenstherapeutische Ausbildung anbieten.
Ein weiteres wichtiges Ziel war, eine enge Zusammenarbeit mit Mitgliedern anderer verhaltenstherapeutischer Verbände zu etablieren und mehr über die EABT herauszufinden. Deswegen bin ich der Britischen Gesellschaft für Verhaltentherapie beigetreten und wurde dort herzlich aufgenommen. Mein Dank gilt Rod Holland und Howard Lomas, die mir Einblick in Aufbau und Organisation der EABT gaben. Als ich in die Türkei zurückkehrte, begann ich, Seminare und Workshops anlässlich verschiedener Kongresse in der ganzen Türkei durchzuführen. Ich fühlte mich wie ein Missionar, ein "Psychiaterpionier", dessen Aufgabe es war, das Konzept der Verhaltenstherapie zu verbreiten. Ehrlich gesagt erhielt ich von meinen Kollegen mehr Unterstützung als ich erwartet hatte. Die Tatsache, dass ich selbst Psychiater bin, erleichterte mir an diesem Punkt meine "Mission". Um überzeugender zu werden, musste ich zu unterschiedlichsten Themen- und Störungsbereichen verhaltenstherapeutische Konzepte anbieten. Die meiste Zeit verbrachte ich damit, neuere Forschungsberichte zu lesen und verhaltenstherapeutische Kongresse und Seminare zu besuchen, um alles Neue aufzunehmen und in meinem eigenen Land zu verbreiten. Deshalb bin ich auch heute noch an vielen therapeutischen Handlungsfeldern interessiert, von der Schizophrenie bis zur Paar- und Sexualtherapie, natürlich auch an den Angststörungen und Depressionen. Als die EABT ihren Namen in EABCT änderte, um dem durch die Integration kognitiver Ansätze veränderten Bild der Verhaltenstherapie gerecht zu werden, war auch die Zeit reif, um die Türkische Gesellschaft für Kognitive und Verhaltenstherapie zu gründen. Die Kognitive Therapie brachte neue wichtige Inhalte in die verhaltenstherapeutische Arbeit ein und vervollständigte das verhaltenstherapeutische Konzept: Dies machte aus der Verhaltenstherapie einen für viele PatientInnen und TherapeutInnen bedeutungsvolleren und brauchbareren Ansatz und reduzierte den anfänglichen Widerstand der psychodynamisch orientierten KollegInnen. Gleichzeitig wurde der psychoanalytische Ansatz, der das psychotherapeutische Feld dominiert hatte, weniger attraktiv.
Eine zu dieser Zeit innerhalb der Psychiatrieausbildung durchgeführte Umfrage kam gerade rechtzeitig: Sie zeigte, dass die meisten AusbildungskandidatInnen in der Türkei eine Ausbildung in kognitiver Verhaltenstherapie und Forschungsmethodik bevorzugten, wohingegen sich das Interesse der Ausbilder vor allem auf Psychopharmakologie richtete. Diese wenig zueinander passenden Vorstellungen von Auszubildenen un AusbilderInnen zeigte einmal mehr, dass die jüngere Generation an kosteneffektiven, wissenschaftlich fundierten Behandlungsmethoden interessiert war, deren AusbilderInnen ihnen mehr anbieten konnten als nur Psychopharmakologie.
Nun war es auch an der Zeit, sich mit den PsychologInnen, die sich der Idee der Verbreitung der Verhaltenstherapie in der Türkei verschrieben hatten, zusammen zu tun. Die ersten, zu denen ich Kontakt aufnahm, waren zwei erfahrene und anerkannte Psychologen, die während meines Studiums meine Lehrer gewesen waren. Sie schlossen sich der Idee der Gründung einer türkischen verhaltentherapeutischen Gesellschaft enthusiastisch an, was unseren Einfluß in beiden Berufsgruppen wachsen lieÿ.
Leider ist die eine dieser beiden nicht mehr unter uns, sie starb im letzten Jahr. Der andere ist noch immer Vize-Präsident unserer Vereinigung. Wir gründeten die türkische Gesellschaft für kognitive und Verhaltenstherapie 1995, mit damals fast 40 Mitgliedern traten wir 1996 der EABCT bei. Heute hat die Gesellschaft 200 Mitglieder, hauptsächlich PsychologInnen, PsychiaterInnen, einige in der Psychiatrie tätigen PflegerInnen und BeraterInnen aus anderen Berufsgruppen. Seit unserer Gründung haben wir viele anerkannte Autoritäten in die Türkei geholt, die einen erheblichen Beitrag zu Qualifizierung unserer Mitglieder geleistet haben: Isaac Marks, Michael Crowe, Paul Salkovskis, Padmal de Silva, Thomas Dowd, Frank Dattilio, Patricia Gillan, Patricia D'ardenne, Jeff Qureshi und viele andere mehr. In zweijährigen Intervallen organisieren wir Kongresse zur Sexual- uns Paartherapie, führen Kongresse über kognitive Verhaltenstherapie durch und präsentieren uns auf fast jedem nationalen Kongress in der Türkei.
1998 verabschiedeten wir ein Ausbildungscurriculum und starteten einen ersten offiziellen Ausbildungsgang, der 2002 abgeschlossen sein wird. Unter unseren Mitgliedern herrschte ein großes Interesse, teilzunehmen, aber da wir nur wenige qualifizierte SupervisorInnen haben, konnten wir nur 50 Auszubildende zulassen. Die Kurse finden an den Wochenenden in Istanbul und Ankara statt, mit dem unglaublichen Engagement von nur sechs qualifizierten SupervisorInnen, die in Ankara, der Haupstadt der Türkei, leben und an den Wochenenden nach Istanbul kommen um zu lehren und zu supervidieren.
Unsere Ausbildung besteht aus theoretischen und praktischen Modulen. Am Ende jedes Ausbildungsmoduls absolvieren die TeilnehmerInnen ein Examen. Diejenigen, die bestehen, können am nächsten Modul teilnehmen. Die Gruppe in Ankara hat ihre theoretische Ausbildung schon abgeschlossen und erhält zur Zeit Peer-Group Supervision. Die Istanbuler Ausbildungsgruppe befindet sich gerade am Ende der theoretischen Ausbildung. Unsere AusbildungsteilnehmerInnen kommen aus allen Teilen der Türkei, einige nehmen zehn- bis fünfzehnsündige Busfahrten in Kauf, um drei Stunden Supervision zu erhalten. Dieses beidseitige Engagement motiviert Auszubildende und AusbilderInnen gleichzeitig.
Nun organisieren wir den 31. EABCT-Kogress in der Türkei. Ich muß sagen: Das ist harte Arbeit! Aber die Mühe lohnt sich, denn für mich ist dies die erfreulichste und ehrenvollste Aufgabe, die ich jemals übernommen habe, und meine Träume sind wahr geworden: Kognitive Verhaltenstherapie hat sich in der Türkei etabliert, das Interesse von Angehörigen unterschiedlicher Berufsgruppen, am nächsten Ausbildungsgang teilzunehmen ist enorm, unsere Gesellschaft richtet den nächsten EABCT-Kongress aus - was mehr kann man sich wünschen!
Ich will nun versuchen, ein guter Gastgeben zu sein, damit der Kongress mit seinen wissenschaftlichen Veranstaltungen und auch dem Rahmenprogramm ein Ereignis wird, an das man sich gern erinnert.
Im März dieses Jahres fand in Istanbul das Halb-Jahres-Treffen (HAM) der EABCT statt. Noch nie vorher haben so viele RepräsentantInnen der einzelnen nationalen Verbände ein HAM besucht, und ich hoffe nun, dass dies ein vertrauenswürdiger Prädiktor für die Zahl der KongressbesucherInnen in Istanbul sein wird.
Der 31. EABCT-Kongress wird fünf Tage dauern, die ganztägigen Workshops am 11. September - vor Beginn des eigentlichen Kongresses - eingeschlossen. Das ist länger als frühere EABCT-Kongresse, die im allgemeinen dreieinhalb Tage dauern. Ich bin der Überzeugung, dass der Erfolg eines Kongresses von den Beiträgen der BesucherInnen abhängt und hoffe, dass viele von Ihnen den Kongress besuchen werden und so zu seinem Gelingen beitragen.
Ich verspreche, dass wir versuchen werden, gute Gastgeber zu sein und den Besuch des Kongresses und Ihren Aufenthalt in der Türkei zu einem erfreulichen Ereignis zu machen. Eine Informationsbroschüre wurde Ihnen dankenswerterweise schon mit der letzten Ausgabe dieser Zeitschrift von der DGVT zugesandt. Zögern Sie nicht, mich für weitere Informationen auch persönlich zu kontaktieren!
Prof. Dr. Mehmet Sungur
Präsident der EABCT