So geschieht es derzeit mit dem Entwurf des BMGS für eine "Verordnung zur Früherkennung und Frühförderung behinderter und von Behinderung bedrohter Kinder (Frühförderungsverordnung - FrühV)", zu dem der Bundesrat am 20. Juni einen sogenannten Maßgabebeschluss gefasst hat (Zustimmung nur mit bestimmten Maßgaben, wobei die Verordnung nur in Kraft treten kann, wenn die Bundesregierung allen Maßgaben zustimmt - BR-Drs. 205/03 - Beschluss). Interessant und spannend sind aber weniger diese - stark fachlich geprägten - Maßgaben, sondern bemerkenswert ist vor allem die erwähnte Unklarheit der rechtlichen Situation, zumal finanzielle Interessen der GKV mit im Spiel sind.
Worum geht es? Mittels des am 1. Juli 2001 in Kraft getretenen Neunten Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB IX), welches das Rehabilitationsrecht neu kodifiziert hat, wurden die verschiedenen Leistungen, die das Sozialrecht zur Früherkennung und Frühförderung von behinderten bzw. von Behinderung bedrohten Kindern bereithält, zu einer sogenannten Komplexleistung zusammengefaßt, um den betroffenen Kindern und ihren Eltern die Inanspruchnahme der erforderlichen Leistungen zu erleichtern. Verankert wurde die neue Komplexleistung im § 30 SGB IX, dessen durchaus nicht klare Formulierung und dessen gesetzessystematische Stellung (im Kapitel 4 des SGB IX über die "medizinische Rehabilitation") zu Auslegungsstreitigkeiten geführt hat.
Unter Berufung auf diese Gesetzessystematik wird nämlich von den Sozialhilfeträgern die Rechtsauffassung vertreten, dass im Hinblick auf die Früherkennungs- und Frühförderungsmaßnahmen die alleinige Kostentragungspflicht der GKV gegeben sei. Die GKV und das BMGS sind dagegen der Auffassung, dass keine Verlagerung der bisherigen, vor dem Inkrafttreten des SGB IX vorhanden gewesenen Zuständigkeiten zu verzeichnen sei. Die bisherige Zuständigkeitssituation war dadurch gekennzeichnet, dass die Krankenkassen für die medizinischen und die Sozialhilfeträger für die sozialpädagogischen Maßnahmen aufkamen.
Angesichts dieser Umstände erscheint es geradezu irreführend, dass im Vorblatt des Entwurfs der Frühförderungsverordnung davon gesprochen wird, dass die geplante Verordnung das geltende Recht "verdeutlicht und klärt", weshalb keine Kosten verursacht werden. Im Übrigen lassen sich die Mehrkosten, die der GKV bei einer "sozialhilfefreundlichen" Auslegung des § 30 SGB IX entstehen, nicht genau beziffern; diese Kosten dürften aber durchaus nicht geringfügig
[1] Abdruck mit freundlicher Genehmigung des gid, Gesundheitspolitischer Informationsdienst Nr. 22, 26.6.2003, S. 22 f.