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Ethische Rahmenrichtlinien der DGVT

Präambel

Die Ethischen Rahmenrichtlinien benennen Grundhaltung und Maximen professionellen Handelns und gelten für alle Mitglieder der Deutschen Gesellschaft für Verhaltenstherapie (DGVT) e.V.. Sie sollen die kritische Auseinandersetzung mit der eigenen Haltung unterstützen. Als Basis dienen die Resolution 217 A (III) der Menschenrechte der Generalversammlung der Vereinten Nationen vom 10. Dezember 1948, das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland von 1949 sowie die die vier Prinzipien der Medizinethik nach Beauchamp & Childress und die Ethical Charter European Association for Behavioural and Cognitive Therapies (EABCT) vom 5. Juli 2022.
 

Haltung

Alle in der Psychotherapie und im psychosozialen Bereich tätigen Menschen erhalten sich Offenheit in der Auseinandersetzung und Begegnung mit sich selbst und der Umwelt. Sie übernehmen Verantwortung für die Unterstützung eines bedürfnisgerechten Lebens ihrer Auftraggeber*innen. Sie treten menschlicher Destruktivität zum Wohl der Einzelnen und der menschlichen Gesellschaft entgegen. Dazu gehören auch der Schutz der Umwelt, denn eine lebenswerte Umwelt ist eine Basis für psychosoziales Wohlergehen, und aktiver Kinderschutz. Die Mitglieder der DGVT sind sich dabei der Grenzen ihrer Wahrnehmung und ihres Verstehens bewusst und schulen ihre Kompetenzen und ihre Fähigkeit zur Einnahme unterschiedlicher Perspektiven.

Die Mitglieder der DGVT sind sich eigener Normen und Werte bewusst und verpflichten sich zu einem transparenten und kultur- und diversitätssensiblen Umgang damit. Sie achten Andere in ihrer Ganzheit, Eigenart und Lebensweise auf Basis von Gewaltfreiheit, gegenseitiger Achtung und Respekt.

Sie reflektieren und benennen die eigenen Grenzen und hinterfragen kritisch die eingesetzten Methoden.

Die Weiterentwicklung der oben beschriebenen Haltung vor dem Hintergrund bestehender und sich ändernder gesellschaftlicher Verhältnisse sowie wissenschaftlichen Fortschritts in ernsthafter Auseinandersetzung mit eigenen Erfahrungen, im kollegialen Austausch, in Intervision und Supervision ist unerlässlich.
 

Parteinahme

Professionelles Handeln erfordert Parteilichkeit für Patient*innen, Supervisand*innen und alle, mit denen wir arbeiten entsprechend ihren biopsychosozialen Bedürfnissen. Die Ausgestaltung der Parteinahme achtet die Rechte aller, die es betrifft. Professionelles Handeln achtet die Anliegen und Werte von Patient*innen und Ratsuchenden und enthält sich jeder Beeinflussung jenseits des Auftrags. In Kontexten, in welchen eine Parteilichkeit vor dem Hintergrund des Arbeitsauftrages oder gegenläufiger ethischer Prinzipien nicht möglich ist, wird dieses transparent kommuniziert.
 

Beziehung

Psychosoziales Handeln bietet Beziehung an – in wacher, engagierter und mitfühlender Präsenz. Rolle, Auftrag und Grenzen des Möglichen bedürfen ständiger Reflektion in offenen Diskursen.

Psychotherapie und Beratung beinhalten strukturell ein Machtgefälle zwischen Professionellen und Klient*innen. Jede Ausnutzung dieses Machtgefälles zum privaten Vorteil der Therapeut*innen/Berater*innen ist unzulässig. Insbesondere sexuelle Beziehungen in Therapie und Beratung sind aufgrund des Machtgefälles immer als Machtmissbrauch zu betrachten. Die therapeutische und beraterische Beziehung achtet und würdigt die Bedürfnisse und Grenzen des Gegenübers in einem professionellen Rahmen, wie es auch in der Abstinenzpflicht der Berufsordnungen geregelt ist.

Abhängigkeiten, Verstrickungen und Unsicherheiten sind in Intervision oder Supervision zu hinterfragen und es ist ein geeigneter Umgang damit zu finden.

Die eigene Identitätskonstruktion beeinflusst jede Beziehung. Dies erfordert eine bewusste und achtsame Vorgehensweise im Umgang mit Anderen, besonders mit Schutz- und Hilfesuchenden.  

Der Arbeitsauftrag und dessen Rahmen sind im Verlauf der Zusammenarbeit regelmäßig zu überprüfen und bei Bedarf zu korrigieren.

Interesse, Routine und Engagement sind immer Bestandteil einer Beziehung. Ihre jeweilige Ausprägung soll achtsam gestaltet werden im Gleichgewicht von Empathie und professioneller Distanz.

Stetige Reflexion der Mitwirkungsbereitschaft des Gegenübers gewährleistet Freiwilligkeit und Einverständnis.

Bei Rahmenbedingungen, unter denen das Einverständnis des/der Klienten*in fehlt oder nur eingeschränkt einholbar ist (zum Beispiel geschlossene Unterbringung, Haft, Forensik, Kinder und Menschen mit eingeschränkten kognitiven Fähigkeiten), sind Auftrag und Ziel der psychosozialen Tätigkeit zu klären. Mitwirkungsbereitschaft und Einverständnis sind auch unter diesen Rahmenbedingungen immer wieder anzustreben. Gleichzeitig soll gerade in der Arbeit mit Kindern und kognitiv eingeschränkten Erwachsenen die Schweigepflicht und Parteilichkeit, u.U. auch gegen die für sie verantwortlichen Personen, berücksichtigt und auf ein Einvernehmen aller Beteiligten hingewirkt werden, soweit gesetzliche Regelungen dem nicht entgegenstehen.
 

Transparenz

Professionelles Wirken ist transparent und wo immer möglich einvernehmlich zu gestalten. Professionelle Kontakte sind unabhängig von der Dauer der Beziehung in geeigneter Form zu dokumentieren.

Über Auftraggeber*in, Inhalt, Form und Dauer des Angebots, über Kosten und Möglichkeiten der Finanzierung, über Erfolgs- und Abbruchkriterien, über Beschwerdemöglichkeiten sowie über gesellschaftliche, institutionelle oder persönliche Interessen, die die Zusammenarbeit beeinflussen, ist die größtmögliche Klarheit herzustellen. Der Informations- und Aufklärungspflicht über die Arbeit ist jederzeit nachzukommen.

Vereinbarungen zum Beispiel über Termingestaltung und -einhaltung, Hausaufgaben etc. sind transparent und wo immer möglich einvernehmlich zu gestalten.
 

Qualitätssicherung

Jede*r Anbieter*in psychosozialer Leistungen trägt die Verantwortung für die Qualität der Arbeit. Dies gilt für Therapeut*innen, Berater*innen, Ausbilder*innen, Gutachter*innen, Führungskräfte, aber auch für Institutionen, die psychosoziale Leistungen anbieten.

Fachgerechte Qualifikation ist nachzuweisen und kontinuierlich weiterzuentwickeln, zu überprüfen und gegebenenfalls überprüfen zu lassen.

Kontinuierliches überprüfen der therapeutischen Arbeit in Supervision und Intervision ist notwendiger Bestandteil professioneller Arbeit.

Für Forschung, Lehre, Beratung sind vergleichbare Reflexionsformate (Supervision, Coaching, Organisationsberatung, Ethikkommission oder ähnliche) angezeigt.

Qualität der Arbeit beinhaltet neben fachlicher und persönlicher Kompetenz auch die Fähigkeit zur interdisziplinären Kooperation.

Qualität der Arbeit ist unter anderem zu messen an Folgendem:

  • Adhärenz
  • Wirksamkeit
  • Verantwortungsvollem Umgang mit Ressourcen
  • Selbstfürsorge von professionellen Personen
  • Regelmäßige Überprüfung vereinbarter Ziele und des Grades ihrer Verwirklichung
  • Angemessene Honorargestaltung
  • Kenntnis gesetzlicher Bestimmungen sowie Berufspflichten und deren Einhaltung

(Anbieter*innen sind verantwortlich für die Einhaltung gesetzlicher Bestimmungen. Dazu gehört der achtsame Umgang mit personenbezogenen Daten in Dokumentationen und im Austausch mit Dritten.)
 

Diversität

Wir verstehen Ethik als die Übereinkunft von Menschen über Normen, Werte und Regeln in den verschiedenen Systemen, in denen Menschen zusammenleben. Ethische Normen und Werte unterliegen einem stetigen Aushandlungsprozess, der auch von Machtverhältnissen und Interessen geprägt ist.

Verschiedene Lebenswelten entwickeln unterschiedliche ethische Systeme. Bei Konflikten zwischen diesen Systemen ist ein Dialog herzustellen und offen zu halten, der die Bedingungen der Möglichkeit von gegenseitiger Perspektivübernahme fördert.

Bei Konflikten zwischen normativer gesellschaftlicher Erfolgserwartung (zum Beispiel Gesundheit = Arbeitsfähigkeit) und individuellen Zielen, sollen diese offengelegt und es soll Raum für einen transparenten bewertungsfreien Diskurs geboten werden. Das gleiche gilt für Konflikte zwischen den Erwartungen bei mehreren Auftraggebenden, besonders in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen.
 

Gesellschaftspolitische Verantwortung

Wir sind uns unseres Einflusses und unserer Verantwortung für menschenwürdige Lebensbedingungen bewusst und bemühen uns, diese zu verbessern oder zu erhalten, sowohl im individuellen und familiären Bereich als auch gesamtgesellschaftlich. Professionelles psychosoziales Handeln berücksichtigt die gesellschaftspolitische Dimension des eigenen Tuns und des ethischen Diskurses.

Verabschiedet auf der Mitgliederversammlung (Online) am 16.02.2024.

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Verfahrensordnung der DGVT zur Anhörung, Beratung und Hilfestellung bei Beschwerden über mögliche Überschreitungen ethischer Grenzen

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