DGVT-Interview mit Prof. Dr. JARG BERGOLD und Prof. Dr. EVA JAEGGI
Vorspann:
Der DGVT-Vorstand hat beschlossen, in loser Reihenfolge Interviews mit wichtigen früheren Förderern des Verbandes führen zu lassen. Damit soll zum einen eine Ehrung und Wertschätzung dieser Kolleginnen und Kollegen für ihr Engagement verbunden sein. Zum anderen können die heutigen Mitglieder mehr über die Historie, die Wurzeln und die zum Teil sehr spannungsgeladenen Entwicklungslinien der DGVT und die Entwicklung der Verhaltenstherapie in Deutschland kennen lernen/typo3/.
Steffen Fliegel wurde vom Vorstand gebeten, die Gespräche zu führen und zu dokumentieren. Nach dem ersten Gespräch mit Peter Gottwald und Dietmar Schulte (siehe VPP 4/2010) kommen nun gemeinsam Jarg Bergold und Eva Jaeggi zu Wort.
STEFFEN FLIEGEL:
Liebe Eva, lieber Jarg, ich freue mich sehr, dass wir heute hier in Berlin zusammenkommen, um über die früheren Zeiten zu sprechen, als sich die Deutsche Gesellschaft für Verhaltenstherapie noch in ihren Kinderschuhen bewegte und sich die Verhaltenstherapie erst langsam und dann rasant in Deutschland entwickelt hat. In dieser Zeit haben wir ja auch sehr persönliche Beziehungen aufbauen können. Ich möchte gerne mit der Vergangenheit und auch mit Persönlichem beginnen. Eva, wie würdest du deinen Weg zur Psychotherapie beschreiben?
EVA JAEGGI:
Schon als ich Gymnasiastin war, hatte ich den Wunsch: ich will Psychotherapeutin werden. Das Psychologiestudium hat mir das Ganze zunächst etwas madig gemacht. Das war für mich nichts. Die Psychoanalyse war in Wien, wo ich studierte, nur dünn vertreten, wie an allen Universitäten. Aber gerade die Psychoanalyse hätte mich interessiert. Diesen Wunsch habe ich dann irgendwie aufgegeben und bin zuerst an ein wissenschaftliches Institut nach Dortmund gegangen, später als ich geheiratet habe, war Bern die nächste Station. Dort habe ich Schüler-Beratung gemacht, was mich sehr interessiert hat. Aber ich hatte den Eindruck, ich müsste doch noch ein bisschen mehr wissen, wie man überhaupt ein Beratungsgespräch führt, wie die Hintergründe sind und so weiter. Und so habe ich mich bei einem Psychoanalytiker gemeldet und eine Lehranalyse begonnen. Ich habe damals auch Freud gelesen und habe dann ein Buch gefunden von einem mir unbekannten Mann namens Wolpe. Und das hat mich fasziniert.
STEFFEN FLIEGEL:
Was war das in Dortmund für eine wissenschaftliche Arbeit, und wie ging es nach Bern weiter?
EVA JAEGGI:
Ja, ich bin nach dem Studium an ein Institut in Dortmund gegangen, ein sozialwissenschaftliches Institut, wo wir zunächst über die Lebenswelt von Arbeitern geforscht haben, dann auch über Tagesschulen. In Bern habe ich zuerst ein Jahr lang als Betriebspsychologin bei der Schweizer Post gearbeitet, ich habe Instrumente zur Auswahl der Postangestellten evaluiert. Und nach einem Jahr habe ich eine Stelle an der Akademischen Berufsberatung bekommen, da habe ich hauptsächlich Diagnostik gemacht. Und natürlich hat sich im Laufe meiner Berufstätigkeit immer klarer herausgestellt, Diagnostik allein genügt nicht, man muss natürlich sehr viel mehr Hintergründe erfahren. Es hat mich sehr interessiert, mit Eltern zu sprechen, auch mit solchen von erwachsenen Schülern.
STEFFEN FLIEGEL:
Und so hast du bestimmt viel auch über familiäre Hintergründe erfahren...
EVA JAEGGI:
Genau, und auf diese Weise bin ich dann auf die Idee gekommen, meinen Ursprungswunsch, doch Psychotherapeutin zu werden, weiter zu verfolgen.
STEFFEN FLIEGEL:
Ist dann nicht deine Tochter geboren geworden?
EVA JAEGGI:
Ja, während meiner Analyse ist meine Tochter zur Welt gekommen. Wir sind dann nach Bochum übersiedelt. Aber vorher hatte ich schon, das war noch die Psychoanalyse-Zeit, eben das Buch gefunden von Wolpe. Das war eines der ersten Verhaltenstherapie-Bücher über die systematische Desensibilisierung, auch über einige Methoden bei Zwangsstörungen. Das hat mich so fasziniert, weil es vorgegeben hat, dass man in zehn, zwölf Stunden schwerste Störungen beheben kann.
STEFFEN FLIEGEL:
Dann bist du ja mit den allerersten Anfängen der Verhaltenstherapie in Deutschland konfrontiert worden. Wie ist es nach deinem Aufenthalt in Bern weitergegangen?
EVA JAEGGI:
Von Bern bin ich dann nach Bochum gegangen und habe bei Professor Heckhausen gearbeitet. Der hatte gerade eine Studentenberatungsstelle gegründet und war auch sehr interessiert an der noch sehr neuen Verhaltenstherapie (lächelt). Ich habe behauptet, dass ich schon „fast“ Verhaltenstherapeutin sei, weil ich ein halbes Buch gelesen habe, das war eben das Buch von Wolpe. Und weil er mich aufgrund meiner „Verhaltenstherapie-Kenntnisse“ eingestellt hat. Und dann habe ich mich sehr bemüht, alles auch wirklich zu erlernen. In Bochum wurde damals Professor Fred Kanfer öfter eingeladen, auch mal ein ganzes Forschungssemester lang. Er hat ein paar junge Psychologen aus unserer Studentenberatungsstelle supervidiert und uns beigebracht, was damals überhaupt Verhaltenstherapie war. So bin ich in die VT hineingewachsen, habe meine Anfänge in der Psychoanalyse beiseitegelassen und mich ganz auf die Verhaltenstherapie konzentriert.
STEFFEN FLIEGEL:
Dann hast du ja früh mit Kanfer einen der wichtigsten Vertreter einer modernen VT kennengelernt. Aber dich hat es ja dann von Bochum auch wieder weggetrieben .
EVA JAEGGI:
Ja, von Bochum bin ich dann nach Berlin gegangen und habe eine Assistenzprofessur an der FU gehabt. Da war ich sechs Jahre lang, habe ein wenig Psychotherapie gemacht, Verhaltenstherapie, aber ich habe mich damals schon sehr auch für andere Therapierichtungen interessiert, so zum Beispiel für Gestalttherapie und Körpertherapie. So konnte ich auch über die Verhaltenstherapie ein bisschen rausgucken. Nach meiner Habilitation im Jahr 1978 bin ich dann an die TU gekommen als Professorin für Klinische Psychologie und habe dann natürlich auch Psychotherapie gelehrt. Im höheren Alter habe ich mich dann auf Grund meines Interesses an psychodynamischen Ansätzen entschlossen, noch eine psychoanalytische Ausbildung zu machen.
STEFFEN FLIEGEL:
Jarg, jetzt würde ich gerne etwas über dich erfahren. Wie hast du begonnen, dich für Psychotherapie zu interessieren. Wir kommen dann noch auf deine kritische Haltung zur Psychotherapie, die ja irgendwann auch auf andere Wege geführt hat.
JARG BERGOLD:
Das ist auch eine lange Geschichte. Ich habe erst Jura studiert und dann in Freiburg Psychologie. In Freiburg, weil ich mich damals schon für Klinische Psychologie interessiert habe. Das war damals noch ein ungewöhnliches Fach. Freiburg und Hamburg waren die einzigen Universitäten, wo man Klinische Psychologie studieren konnte. In Freiburg wurde versucht, die Psychoanalyse akademisch hoffähig zu machen. Und auch ich war damals sehr interessiert an der Psychoanalyse. Aber: Ich war gleichzeitig HIWI in der Bibliothek, und über meinen Schreibtisch liefen alle Bücher und Zeitschriften. Ich habe natürlich auch immer eifrig gelesen. Dabei haben mich die Klinische Psychologie und die Psychoanalyse und Psychotherapie überhaupt sehr interessiert.
STEFFEN FLIEGEL:
Ein spannender Weg zur Psychotherapie…
JARG BERGOLD:
Ich habe dann ein Praktikum gemacht in der psychoanalytischen Abteilung in Umkirch. Aber durch diese Zeitschriften wurde ich aufmerksam auf die Verhaltenstherapie, das muss 1963 gewesen sein. Im Examen 1966 haben mich die Prüfer, die mich ja kannten, dann gefragt: „Was interessiert Sie denn besonders?“ Und ich habe geantwortet: „Verhaltenstherapie“. Und die haben dann gesagt: „Ach, interessant, was ist denn das, erzählen sie mal.“ Damit war die Hälfte der Prüfung bereits vorbei. Aber nichtsdestotrotz hat mich die Verhaltenstherapie interessiert.
STEFFEN FLIEGEL:
Du bist dann ja bei Professor Görres in München gelandet, der war doch Psychoanalytiker. Wie kam das?
JARG BERGOLD:
Görres war damals Professor in Frankfurt war und bekam einen Ruf nach München. Dort sollte er die Klinische Psychologie aufbauen. Und er wollte, damals revolutionär, Psychoanalytiker und Verhaltenstherapeuten in seinem zukünftigen Institut zusammenbringen. Aber es gab ja keine Verhaltenstherapeuten in Deutschland. Und Dr. Michel, damals Assistent am Institut, brachte mich mit Görres zusammen. Ich fuhr dann nach München, und Görres hatte mir dann vorgeschlagen: „Ja, wenn sie sich für Verhaltenstherapie interessieren, hätten Sie nicht Lust, eine Assistentenstelle anzunehmen, aber dann auch ein Jahr nach London zu gehen ….“. Und dann habe ich mir gesagt, ganz wurscht was dabei herauskommt, das ist etwas, was interessant ist. Und ich bin nach London gegangen und war dann erst einmal ein halbes Jahr im Institute of Psychiatry im Maudsley-Hospital. Ich habe da auch Jack Rachmann kennengelernt, mit dem ich dann später auch noch ein bisschen weiter zusammen gearbeitet habe…
STEFFEN FLIEGEL:
….„Rachman und Bergold: Verhaltenstherapie bei Phobien“, eines der ersten VT-Bücher, die bei mir meine heutige Begeisterung für die Behandlung von Angststörungen bewirkt hat. Auch wenn damals die Panikstörungen noch „frei flottierende Ängste“ hießen…..
JARG BERGOLD:
…trotzdem habe ich aber auch bald gemerkt, das ist nicht die Praxis, die ich mir vorstelle. Es gab allerdings einen sehr faszinierenden Mann, der häufig in der Entwicklung der Verhaltenstherapie unterschlagen wird, nämlich Monti Shapiro. Er war der Chef der klinischen Ausbildung und hat die Verhaltenstherapie in London vorangetrieben mit der Idee, Therapie ist ein Experiment mit n = 1. Das heißt, man darf alles tun als unabhängige Variable und hat die Störung sozusagen als abhängige Variable. Man muss wie ein eigenständiger Experimentalpsychologe kontrollieren, ob und wie die Störung sich kurz- und langfristig verändert. Und wenn sie sich verändert, dann kann man das Therapie nennen. Das fand ich hochinteressant. Und dann habe ich den Vic Meyer kennengelernt. Er hat mir sehr imponiert, und so war ich dann ein halbes Jahr am Middlesex Hospital in der Abteilung von Vic Meyer. Und da habe ich schon sehr viel auch gelernt, weil der Vic fantastische Erfolge hatte. Er gab mir ganz bestimmte Patienten, weil für ihn die Passung von Patient und Therapeut sehr wichtig war. Damals ist mir die Bedeutung der Beziehung ganz, ganz deutlich geworden - und auch, wie stark diese Beziehung ist. Danach bin ich zurück nach München und habe dann angefangen, zusammen mit Wolfgang Tunner (der war mal drei Monate bei Wolpe gewesen war) diese verhaltenstherapeutische Abteilung aufzubauen. Und parallel dazu gab es im Max-Planck-Institut eine Truppe, die auch sich für Verhaltenstherapie zu interessieren begann. Das war vor allem Peter Gottwald, der in den USA operant conditioning kennengelernt hatte und das dann auch in München einführte.
STEFFEN FLIEGEL:
Es gab ja mehrere Bewegungen in der verhaltenstherapeutischen Entwicklung in Deutschland. Das letzte Interview habe ich mit Dietmar Schulte und Peter Gottwald geführt, die beide – wie du auch - zur ersten Riege gehörten. Du hast jetzt Wolfgang Tunner genannt, der eng mit Irmela Florin zusammengearbeitet hat. Und dann gab es in München ja auch noch Hans Brengelmann.
JARG BERGOLD:
Irmela Florin hatte zunächst noch gar nichts mit Verhaltenstherapie zu tun. Durch ihre Freundschaft mit Wolfgang Tunner kam sie ganz langsam in die Verhaltenstherapie herein. Wir drei haben z. B. einen Film gemacht mit einem mongoloiden Kind zum Operant Conditioning. Aber ich will eines noch erzählen, weil das meinen Weg erhellt: In der Nacht, in der ich aus London nach München gefahren bin, war ich plötzlich von einem Studierenden (vorher war ich ja Studierender in London und habe mich als Lernender gefühlt) zum Spezialisten geworden. Ich habe jahrelang noch das Gefühl gehabt, ich bin Hochstapler. Das war so dominant, denn plötzlich wurde ich überall als VTler angefragt. Und jetzt komme ich dann auf Brengelmann. Er war ein Motor für die Öffentlichkeit. Aber wir – Eva, du hast es ja auch gerade geschildert - waren plötzlich Spezialisten. Wir haben ein halbes Buch gelesen oder wie ich mal ein Jahr in London verbracht, aber im Grunde genommen eigentlich nichts gewusst. Dieses Hochstaplergefühl hat mich lange, lange begleitet. Das ist auch ein Teil dieser Geschichte der Verhaltenstherapie, glaube ich.
STEFFEN FLIEGEL:
Ein offenes Wort, auf das ich gleich noch einmal zurückkommen möchte. Aber vielleicht erzählst du erst nochmal die nächsten Schritte in deiner beruflichen Entwicklung?
JARG BERGOLD:
In München gründete sich dann mit Brengelmann der Vorläufer der DGVT, die Gesellschaft zur Förderung der Verhaltenstherapie (GVT). Dann kamen die Studentenauseinandersetzung und die Trennung von GVT und Deutschem Berufsverband der Verhaltenstherapeuten. Für mich erwuchs daraus, weil ich das nicht so absurd fand, was die Studenten gesagt haben, ein schwerer Konflikt mit Görres. Und in diesem Konflikt bin ich dann nach Bern gegangen an die psychiatrische Poliklinik. Deren Chef war Spoerri, und es gab Psychoanalytiker jeglicher Couleur, Gesprächstherapeuten und mich als Verhaltenstherapeuten. Wir waren an der Ausbildung der Assistenzärzte in Psychiatrie beteiligt. Spoerri starb dann sehr früh mit 49, und ich habe mich nach Alternativen umgesehen. Eine der Alternativen war dann Berlin, denn Eva Jaeggi hatte mir auf einem Kongress in München gesagt: „Wir haben da eine Stelle, willst du dich nicht bewerben?“ Ich hatte aber auch noch ein Angebot in Hannover, aber als ich dort vorgesungen habe, kam zum selben Zeitpunkt ein Ruf nach Berlin auf eine Ordinariatsstelle. Gut, dann bin ich nach Berlin gegangen in dieses Institut an der Freien Universität, das geprägt war durch Klaus Holzkamp.
STEFFEN FLIEGEL:
Danke, Eva und Jarg, für die ersten Eindrücke eures beruflichen Werdegangs. Welches sind die wichtigsten Menschen in eurem beruflichen Leben, die euch geprägt haben, die euch Impulse gegeben haben, ja, die vielleicht so etwas wie Ziehväter oder Ziehmütter waren?
EVA JAEGGI:
Neben Wolpe und Kanfer war wichtig für mich meine Kollegin in Berlin,Irma Gleiss, die mich durch die Wirren der Psychologie am Holzkamp-Institut durchgeleitet hat und die sich aber auch von mir über Verhaltenstherapie hat informieren lassen. Wir haben eine Zeit lang zusammen gearbeitet und auch zusammen Seminare gemacht. Da habe ich ganz viel begriffen, was die Kritische Psychologie eigentlich bewegen wollte. Es ist mir durch den Ansatz von Holzkamp klar geworden, in welchem gesellschaftichen Umfeld eine Psychotherapie angesiedelt ist, welche sozialen Bewegungen auch eine bestimmte psychologische Theorie hervorbringen. Später habe ich dies auch in Bezug auf die Psychoanalyse besser begriffen. In New York, wohin ich mit meiner Familie ein Jahr lang einen Abstecher gemacht habe, lernte ich dann Allen Bergin kennen. Er hat mir - natürlich neben Frederic Kanfer auch eine ganze Menge beigebracht, vor allem in Bezug auf Psychotherapie-Forschung, aber auch in einer anderen Hinsicht. Bergin war oder ist, ich weiß gar nicht, ob er noch lebt, ein gläubiger Mormone und hat sich neben seiner glasklaren Wissenschaft auch mit seiner Religion befasst. Er hat immer sehr scharf unterschieden, was für ihn Religion, was Wissenschaft und was Therapie ist. Aber trotzdem hat er uns erzählt, dass er bei gläubigen Menschen, aber nur bei solchen, Religion und Psychotherapie durchaus vermischt, also über die engen Grenzen hinaus gegangen ist und auch mal ein Segensgebet spricht. Das hat bei mir großen Eindruck hinterlassen, und insofern war er für mich ein wichtiger Mann.
JARG BERGOLD:
Meine wichtigsten: Ich habe ein Jahr in Saarbrücken studiert und da gab es den Ernst Boesch. Den fand ich absolut faszinierend, seine Vorlesungen und alles. Der war Entwicklungspsychologe, Piaget-Schüler, aber gleichzeitig auch Psychoanalytiker. Er hat mich vorgeprägt, vor allem die Psychologie in ihrer Breite zu sehen. Er war sehr, sehr wichtig für mich. Und dann prägte mich Vic Meyer. Er war eindrucksvoller Lehrer und Modell. Und auch er hat Psychologie und dann auch Verhaltenstherapie ganz, ganz breit definiert. Der hatte einen Spruch, er hatte ja bei Hans Eyenck promoviert, drauf: „ Eyenck found two dimensions: Shit and Corruption.“ Diese ganze Enge war ihm absolut zuwider. Er kam aus Polen und war Airforce Fighter gewesen im Zweiten Weltkrieg. Als dritte wichtige Person in meinem Leben möchte ich Klaus Holzkamp nennen. Seinetwegen hatte Berlin eine bestimmte Attraktivität für mich. Ich hatte zwar gesagt, ich werde nie ein enger Holzkampianer, ich werde auch nie Marxist. Aber in den Diskussionen mit ihm habe ich viele Anregungen bekommen. Wir waren auch befreundet und haben zusammen Musik gemacht, Jazz.
STEFFEN FLIEGEL:
Zu unseren therapeutischen Anfangszeiten gab es ja noch keine strukturierte Psychotherapie-Ausbildung oder -weiterbildung im heutigen Sinne. Trotzdem haben wir auch Psychotherapie im Sinne Verhaltenstherapie gelernt. Was würdet ihr sagen, waren für euch die wichtigen Aspekte einer psychotherapeutischen Kompetenz?
EVA JAEGGI:
Nachdem ich nach einiger Zeit einmal begriffen hatte, was es mit dieser Verhaltensgleichung S-O-R-K-C auf sich hat, war es mir ganz wichtig, mich daran zu halten. Ich war ganz ungebildet, was Psychotherapie betrifft, und habe mich, weil ich wirklich Verhaltenstherapie machen wollte, sehr genau bei jeder Anamnese und bei jedem Vorgehen zuerst einmal an diese Formel gehalten. Das war für mich eine Kernkompetenz.
STEFFEN FLIEGEL:
War es eher das Lesen oder das Zuschauen bei anderen?
EVA JAEGGI:
Das Lesen war sehr wichtig, und zum Zugucken gab es nicht viel. Das war dann trial and error. Aber im Kopf hatte ich immer die Verhaltensgleichung.
JARG BERGOLD:
Bei mir war es natürlich und ganz eindeutig das Zuschauen bei Vic Meyer. In München war ich schon ein Stück mutiger und habe Dinge auch ausprobiert, immer auf dem Hintergrund des Respekts vor dem Menschen, also dem sogenannten Patienten. Das habe ich zum Beispiel in der Psychiatrie häufig vermisst. Und das hat mich auch sehr bewegt und geprägt. Ich habe viele Jahre nach dieser Zeit Interviews mit Patienten aus der allerersten Zeit gemacht. Und als Verhaltenstherapeut erwartete ich dann, dass die einem erzählen, was für wunderbare Desensibilisierungen und sonstige Technik man verwendet hat. Der Tenor war ungefähr so: „Ich (z.B. als 45-jährige Frau) bin plötzlich auf einen jungen Mann getroffen, der war voll von Optimismus. Und der hat mir wieder die Möglichkeit gegeben zu hoffen und zu sehen, dass bei meinen schlimmen Problemen Veränderung möglich ist.“ Und diese Idee, Veränderung ist möglich, war, glaube ich, ein ganz zentrales Ingredienz der damaligen Verhaltenstherapie - im Gegensatz zum Beispiel zur Psychoanalyse.
STEFFEN FLIEGEL:
War denn diese anfängliche Euphorie, von der du gerade erzählt hast, überzogen? Gehörte sie einfach zur Aufbruchsstimmung?
JARG BERGOLD:
Es war eine absolute Aufbruchsstimmung. Das ist ein Faktor, der bei jeglicher neuer Therapie eine Rolle spielt. Das ist auch eine Beobachtung, die wir als Forscher machen, wenn eine neue Therapiemethode aufkommt, kann sie häufig doch erstaunlich viele Erfolge aufweisen. Das ebbt dann langsam ab. Ob das jetzt überzogen war oder nicht, das kann ich jetzt nicht sagen. Auf alle Fälle war es wirksam.
STEFFEN FLIEGEL:
In dieser Phase sind ja auch die Überlegungen gekommen, diesen angesprochenen Verein zu gründen, in dem sich die Fachleute, die sich der Verhaltenstherapie genähert haben oder von ihr auch begeistert waren, zusammenfinden konnten. Wie habt ihr denn die Anfänge dieses Verbandes erlebt, der ja damals noch „Gesellschaft zur Förderung der Verhaltenstherapie“ hieß, und in dem du, Jarg, ja auch Gründungsvorstand dabei warst?
JARG BERGOLD:
Na ja, der Verband war im Grunde genommen eine Brengelmann’sche Idee, muss man ganz klar sagen. Brengelmann war von London an das Max-Planck-Institut nach München berufen worden und wollte dort analog dem Londoner Institute of Psychiatry etwas mit einer entsprechenden Außenwirkung aufbauen. Und da passte für ihn die Verhaltenstherapie hervorragend rein. Wir haben vorher schon immer wieder Treffen bei ihm in seinem Büro gehabt, mit viel Alkohol und Wein. Und es war klar, um das durchzusetzen, müssen wir einen Verein gründen. Brengelmann hat das dann mit den Geldern des Max-Planck-Instituts initiiert. Das Ganze wurde zunächst etwas spöttisch als „Verhaltenstherapiezirkus“ bezeichnet. Wir sind dann mit einer Truppe(Wolfgang Tunner und der Peter Gottwald waren dabei) durch den deutschsprachigen Raum gereist und haben Verhaltenstherapie gepredigt. Wir waren auch in Wien in so einem Hörsaal, der wie eine gotische Kathedrale war, wo Freud auch schon seine Vorlesung gehalten hat, da haben wir über VT erzählt. Wir waren bei den Lindauer Therapiewochen. Wir tauchten in Münster auf, das weißt du selbst, und haben überall Verhaltenstherapie gepredigt.
STEFFEN FLIEGEL:
Im Gründungsprotokoll der „Gesellschaft zur Förderung der Verhaltenstherapie GVT“ steht: „Am 19. Januar 1968 versammelten sich die Herren Bergold, Brengelmann, Cohen, Görres, Gottwald, Ploog und Tunner im Max-Planck-Institut für Psychiatrie in München und beschlossen die Gründung der GVT, also der Gesellschaft zur Förderung der Verhaltenstherapie. Ziel: Die GVT soll die Förderung der auf Lernprinzipien und experimentellen Erkenntnissen beruhenden Methode der Behandlung von psychischen Störungen ohne Festlegung auf eine besondere Technik oder ein besonderes theoretisches Prinzip fördern.“ Eva, wann bist du denn mit diesem Verband in Kontakt gekommen?
EVA JAEGGI:
Ich muss gestehen, wer mich damals auf München aufmerksam gemacht hat, weiß ich nicht mehr ganz genau. Ich weiß nur, dass ich ähnlich wie Jarg hell begeistert war von meiner neuen Entdeckung Verhaltenstherapie. Und auch ich war übrigens der Meinung, dass man alles damit heilen kann. Und ich war eingeladen zu einem psychoanalytischen Kongress in München. Die wollten wissen, was das Neues ist, diese VT. Warum sie auf mich verfallen sind, weiß ich nicht mehr, auf jeden Fall haben sie mich als Verhaltenstherapeutin dementsprechend furchtbar angegriffen und hatten alles drauf, was den Verhaltenstherapeuten damals nachgesagt wurde, die würden nur Symptome wegkurieren, und die Symptome würden alle wiederkommen usw. Von da an war ich irgendwie geprägt auch als Verteidigerin der Verhaltenstherapie. Und bei diesem Münchener Psychoanalytiker-Kongress habe ich Wolfgang Tunner kennen gelernt. Und der hat gesagt, ich sollte doch zu den Seminaren dazukommen, die sie immer wieder machen. Und von da an bin ich auch immer wieder mal nach München gefahren. Das war damals eigentlich so das Mekka der Verhaltenstherapie. Ich habe relativ bald das Bestreben verspürt, die Verhaltenstherapie ein bisschen zu öffnen. Neulich hat mir jemand einen Artikel geschickt über einen Vortrag, den ich damals gehalten habe: die Rolle des Gesprächs in der Verhaltenstherapie. Wir haben damals noch nicht viel von Beziehung gesprochen, aber wir haben gewusst oder geahnt, die Methoden allein machen es nicht aus. Ich habe dann relativ rasch in Bochum mit Dietmar Schulte, Monika Hoffmann und Margret Dross aus Braunschweig den verhaltenstherapeutischen Berufsverband gegründet. Das war aber später als die GVT-Gründung.
STEFFEN FLIEGEL:
Über die Konflikte, die dann auch innerhalb der GVT aufgetreten sind, haben im letzten Interview Peter Gottwald und Dietmar Schulte schon recht ausführlich berichtet. Jarg, mich würde einmal deine Sichtweise dieser Konflikte und Spannungen interessieren. Ich glaube, es waren Konflikte, die sich an Themen festmachten, die eigentlich die DGVT immer noch bewegen: Sozialpolitik versus Psychotherapie oder Psychotherapie versus psychosoziale Versorgung. Und diese Kontroversen machen sich an politischen Ausrichtungen fest. Wie hast du dies damals erlebt, und welche Konsequenzen hast du daraus gezogen.
JARG BERGOLD:
Erlebt habe ich zunächst einmal ein Überschwappen der studentischen Opposition gegen Autoritäten an der Universität in diesem Feld. Dazu gehörte die GVT, die ja vorwiegend von Uni-Leuten geprägt wurde. Autoritäten wurden angegriffen. Das hat zum Beispiel meinem damaligen Chef Görres schwer zu schaffen gemacht. Er war damals der Studentenliebling gewesen und wurde plötzlich angegriffen. Und niemand hat sich im VT-Bereich besser für Angriffe geeignet als Brengelmann. Er hat auch den Studenten gegenüber die Autoritätsrolle gespielt. Und dann kamen natürlich alle diese Argumente auf den Tisch .
STEFFEN FLIEGEL:
…zum Beispiel, dass Verhaltenstherapie an herrschende Verhältnisse anpasst…
JARG BERGOLD:
…ja, das Anpassungsargument war ein ganz starkes Argument. In der allerersten Zeit ging es in der GVT noch nicht so viel um Versorgungskonzepte. Das kam erst später und wurde dann später ganz, ganz wichtig und führte sicherlich zu einer zentralen Auseinandersetzung. Aber der Ausgangspunkt war eher der Autoritätskonflikt mit Brengelmann durch die Studierenden. Ganz vorne war eine Truppe mit Heiner Keupp, August Rüggeberg, Manfred Cramer usw. Die haben aber bei uns studiert und haben Verhaltenstherapie-Ausbildung bei uns gemacht. Sie haben die damalige VT kennen gelernt. Sie haben ja nicht die VT im engeren Sinne bekämpft, sondern die Brengelmann’sche Art der Führung, auch in der GVT. Das war der Ausgangspunkt, und im Weiteren kam erst die Frage von einer breiteren Versorgung hinzu.
STEFFEN FLIEGEL:
Ich habe von Dietmar Schulte erfahren, dass die Gründung des Deutschen Berufsverbandes für Verhaltenstherapie, DBV, die du ja mitbewirkt hast, Eva, und du warst ja auch im ersten Vorstand des DBV, nicht eine Konsequenz aus diesen Konflikten innerhalb der GVT war, sondern die Notwendigkeit, kommerziell Ausbildung anbieten zu dürfen. Wie hast du diese Gründung erlebt?
EVA JAEGGI:
Die Frage der Ausbildung war für mich natürlich auch wichtig. Ich habe damals an der Bochumer Universität auch Lehraufträge gehabt und mich sehr für Ausbildungsfragen interessiert. Ich hatte am Anfang einfach ganz naiv gefunden, dass es vernünftig ist, wenn man Ausbildungspläne entwirft. Und ich dachte auch, dass wir dafür die geeigneten Leute waren. An kommerzielle Nutzung habe ich gar nicht gedacht. Es hat sich dann im Laufe der Zeit herausgestellt, auch in der Auseinandersetzung mit der GVT, dass wir alle eigentlich relativ naiv in diese Gründung des DBV (Deutscher Berufsverband der Verhaltenstherapeuten) hineingegangen sind. Die sozialpolitischen Ziele der GVT unterstützten wir nämlich alle. Und eines Tages waren wir alle auch der Meinung, dass es ganz vernünftig sei, uns aufzulösen beziehungsweise dann mit der GVT zu verschmelzen. Und seither heißt sie auch DGVT.
JARG BERGOLD:
Falls ich mich recht erinnere, entstand die Idee, den DBV zu gründen im Brengelmann’schen Arbeitsraum, und war möglicherweise sogar mit von ihm ausgeheckt worden. Es war klar, dass es Ausbildung geben sollte und dass die GVT die Möglichkeit haben sollte, breiter zu agieren und dass die Idee war: Getrennt marschieren, gemeinsam schlagen. Und im Grunde genommen ging auch die Auswahl der Mitgewählten, wer jetzt nun in der GVT blieb und wer in den DBV ging, nach dem Prinzip: Du und du und du. Wir haben uns sozusagen einfach aufgeteilt. Ich finde das eine ganz, ganz spannende Sache, weil die Aufteilung von Gleichgesinnten in zwei Vereine, die dann unterschiedliche Funktionen haben, provoziert hat, dass diese Gleichgesinnten plötzlich angefangen haben, gegeneinander zu kämpfen. Das ist ein sehr schönes Beispiel dafür, wie abhängig von der Funktion plötzlich Konflikte entstehen, die eigentlich vorher gar nicht da waren.
EVA JAEGGI:
Und ich habe mich plötzlich auf der Seite von Reaktionären gefunden und war völlig verblüfft, dass es so reaktionär sein soll, eine vernünftige Ausbildung zu gründen. Ich habe erst in der Auseinandersetzung mit der GVT begriffen, worum es da überhaupt geht und habe damals übrigens den Jarg als ausgesprochen angenehm vermittelnd empfunden. Der hat das relativ rasch aufgegriffen und hat diese unsinnigen Vorwürfe verworfen. Ich meine die Vorwürfe, die sich dann so zugespitzt haben: wir vom DBV waren die Kapitalisten und die Reaktionäre und die anderen waren die edlen Sozialisten, die an das arme Volk denken.
STEFFEN FLIEGEL:
Jarg, du hast dann ja auch eine sehr kritische Haltung zur Verhaltenstherapie als reiner Therapieform eingenommen und zunehmend auch sozialkritische Konzepte mit entwickelt beziehungsweise dich der Sozialpsychiatrie und Gemeindepsychologie zugewendet. Dafür hast du ja in der GVT und auch in der DGVT (sage ich mal so) ein gutes Wirkungsfeld gefunden. Aus meiner Erinnerung hast du einerseits auch die kognitive Wende in der Verhaltenstherapie begleitet und andererseits immer wieder gefragt, was Menschen brauchen, damit sie nicht immer wieder an psychischen Störungen erkranken. Dass wir eben nicht nur kurativ, sondern auch präventiv handeln. Was waren für dich denn die Impulse, auf diesen Weg der Sozialpsychiatrie/Gemeindepsychologie zu gehen?
JARG BERGOLD:
Ich hatte schon früh in der Londoner Zeit erfahren, komme jetzt wieder auf Vic Meyer, wie stark die Lebenswelt an der Produktion von Störungen beteiligt ist. Ich habe dann in meiner Zeit an der Psychiatrie an der Poliklinik in Bern gesehen, dass mit Psychotherapie im Endeffekt nur ein kleiner Prozentsatz der Bevölkerung überhaupt behandelbar ist oder auch behandelt wird. Sagen wir mal so: Verhaltenstherapie machte da sicherlich eine Ausnahme. Wir haben schon relativ früh in psychiatrischen Abteilungen Token-Systeme eingeführt, also mit Operant Conditioning gearbeitet. Aber ansonsten gab es auch da nicht so viel. Und ich bin dabei immer stärker auf die Idee gestoßen, dass man den ganzen sozialen Kontext einbeziehen muss. Wenn der psychologische Blick immer nur auf das Individuum schaut, ist das zu eng. Und von da an habe ich auch Familientherapie gemacht und mich für Systemtheorie interessiert, insbesondere für die Einbeziehung der unmittelbaren Umgebung des Patienten. Von Bern bin ich nach Berlin mit einem expliziten Programm gegangen: Ich wollte eine Forschungsabteilung gründen, die einen etwas holprigen Namen hatte: „Psychotherapie für Unterschichtklienten“. Und das haben Eva und ich damals in Berlin auch angefangen, und von da an war schnell klar, dass man mit Unterschichtklienten nicht im herkömmlichen Sinn therapeutisch arbeiten kann, nicht in Einzeltherapie, manchmal vielleicht in Familientherapie, aber eigentlich braucht es ganz andere Konzepte.
STEFFEN FLIEGEL:
Auch heute erreichen die herkömmlichen Psychotherapien viele Menschen nicht, weil diese Betroffenen keine Komm-Struktur gewohnt sind. Eva, du bist ja auch fachpolitisch noch einmal aktiv geworden und hast dich mit der Neuen Gesellschaft für Psychologie gegen die Deutsche Gesellschaft für Psychologie gewendet.
EVA JAEGGI:
Ja, aber das hat mit der Psychotherapie im engeren Sinn nichts zu tun. Ich habe mich mit vielen Kollegen, Jarg war ja auch dabei, vor allem Wissenschaftler, die an der Universität arbeiteten, gegen die Mainstream-Psychologie mit ihren positivistischen Methoden gewandt. Wir hatten uns alle schon längere Zeit mit qualitativen Methoden befasst und haben aus dem Ungenügen an der Mainstream-Wissenschaftlichen Psychologie heraus diese neue Gesellschaft gegründet. Wir haben versucht zu bewirken, dass zum Beispiel qualitative Methoden ernst genommen werden, dass man soziologische Theorien beachtet und historisch denkt in der Psychologie. Es ist uns nur sehr begrenzt gelungen, das in die Lehrstühle einzubringen. Aber ich glaube, es ist doch einiges durchgedrungen, dass zum Beispiel qualitative Methoden jetzt nicht mehr nur so ein Schmuddelkind der Psychologie sind.
STEFFEN FLIEGEL:
Ich würde gerne noch einmal zur DGVT kommen. Ich weiß nicht, wie weit ihr die Entwicklung in der DGVT noch verfolgt habt von den Anfängen her bis heute. Was gibt es denn in diesem Verband, womit ihr im Nachhinein hadert?
EVA JAEGGI:
Ich könnte gar nicht sagen, dass ich mit etwas hadere. Ich habe mich, als ich die Psychoanalyse-Ausbildung gemacht habe, nur sehr entfernt. Wann immer ich aber mit der DGVT zu tun gehabt habe, ich war ein paar Mal zu Kongressen eingeladen, habe ich das Klima als äußerst angenehm empfunden, als sehr tolerant, und - im Gegensatz zu vielen psychoanalytischen Kongressen - als sehr freundlich. Meine „Abweichung“ wurde mir nicht übel genommen. Für mich waren es immer sehr angenehme Begegnungen.
STEFFEN FLIEGEL:
Worauf beziehst du die Toleranz?
EVA JAEGGI:
Darauf, dass jemand eigentlich die VT mehr oder weniger verlassen hat, eine ganz andere Ausbildung macht, sich auch sehr im veränderten Sinne äußert - das durfte ich ohne dass ich von VT-Kollegen geschnitten wurde. Ich habe aber auch nie die Verhaltenstherapie runtergemacht. Und heute denke ich, dass man sehr Vieles ineinander überführen kann. Auch im Sinne von Klaus Grawe muss man nicht „Entweder-Oder“ denken. Und auch wenn ich die Verhaltenstherapie nicht so weiterverfolgt habe, kann ich sagen, dass ich ihr immer sehr verbunden war und dass ich mit der Gründung der Berliner Akademie für Psychotherapie es für ganz wichtig gehalten habe, dass hier beide Zweige, nämlich TP und VT, gelehrt werden.
STEFFEN FLIEGEL:
Was würdest du sagen, inwiefern kann jemand, der verhaltenstherapeutisch arbeitet, von Konzepten der Tiefenpsychologie profitieren, und inwiefern kann jemand, der tiefenpsychologisch arbeitet, von Konzepten der Verhaltenstherapie profitieren?
EVA JAEGGI:
Ich denke, dass die Ausleuchtung der biografischen Dimension, wie es Tiefenpsychologen/Psychoanalytiker tun, für viele Patienten sehr wichtig ist und auch für die Therapeuten, um besser verstehen zu können. Dazu gehören auch übergreifende Lebenspläne, was im Übrigen in der Verhaltenstherapie heutzutage ja auch eine Rolle spielt, z.B. durch die Plananalyse, die man noch vertiefen könnte. Und die dialektisch-behaviorale Therapie ist schon sehr nahe an Konzepten, die von der Tiefenpsychologie tatsächlich schon vor vielen Jahren erfunden und praktiziert wurden. Und wenn man nicht die große Analyse macht, was ja immer seltener der Fall ist, können tiefenpsychologische Therapien viel von der Realitätszugewandtheit der Verhaltenstherapie profitieren. Zum Bespiel durch die Möglichkeit, Bestimmtes auszuprobieren, also übende Teile einzubauen. Ich glaube, es gibt noch viele Elemente, die wir in diesem Zusammenhang besprechen könnten. Ich denke, beide Richtungen können eine ganze Menge voneinander profitieren, die Verhaltenstherapie vielleicht am meisten von den Beziehungskonzepten der Psychoanalyse.
STEFFEN FLIEGEL:
Klaus Grawe hat ja einmal gesagt, dass die Patienten nicht zu uns kommen, weil sie ihre Symptome loswerden wollen, sie möchten vor allem, dass es ihnen besser geht, sie möchten mehr Lebensqualität haben, sie möchten mehr Wohlbefinden verspüren. Dazu ist die Symptomreduktion ein Weg, für den die Verhaltenstherapie natürlich sehr prädestiniert ist. Ein anderer Weg, den Klaus Grawe vorschlägt, ist der Weg der Bedürfnisbefriedigung. Bei fast allen Menschen mit psychischen Problemen sind die Grundbedürfnisse gestört, blockiert, werden nicht erfüllt. Und wenn es uns gelingt, in der therapeutischen Arbeit Menschen zu mehr Bedürfnisbefriedigung bei Bindung, Kontrolle, Selbstwerterhöhung, Lustgewinn und Unlustvermeidung zu verhelfen, dann haben wir einen wichtigen Schritt in die Richtung getan, dass sie sich wohler fühlen und dass es ihnen besser geht. Dass sie dann vielleicht sogar mit dem einen oder anderen Symptom besser leben können, als es nur reduziert haben zu wollen. Würdest du da eine gute Kombination zwischen den verschiedenen therapeutischen Ansätzen sehen?
EVA JAEGGI:
Ja, ich finde dies einen sehr klugen Ausspruch. Und wenn man den auf verschiedenste therapeutische Richtungen und Methoden anwendet, könnte man im Einzelnen sehr klar darlegen, was eine Symptomreduktion bewirkt. Und auch was die Befriedigung solcher Grundbedürfnisse, wobei es ja meist um Beziehungsbedürfnisse geht, bewirken kann. Auch wenn sich ein Symptom nicht unbedingt so sehr verändert, was bei psychosomatischen Symptomen häufig der Fall ist, kann eine Psychotherapie mehr Lebensqualität geben.
STEFFEN FLIEGEL:
Jarg, ich komme noch einmal zurück zur Frage des Haderns mit dem Verband DGVT. Es ist ja auch dein Verband gewesen, du hast ihn mit ins Leben gerufen und hast ja auch ganz lange Zeit im Verband mitgewirkt, hast sehr viel Einfluss genommen auf die Ausrichtung hin zu Versorgungskonzepten oder zur Haltung, sich mit psychosozialer, psychotherapeutischer Versorgung zu befassen und dort auch der Verhaltenstherapie einen wichtigen Stellenwert zukommen zu lassen. In der DGVT gab es ja immer ein Hin und Her zwischen diesen beiden Orientierungen. Womit haderst du in diesem Verband oder in der Entwicklung dieses Verbandes?
JARG BERGOLD:
Hadern wäre zu viel gesagt. Wenn ich ernsthaft hadern würde, wäre ich nicht mehr Mitglied. Ich habe mich woanders hin entwickelt. Und insofern haben sich DGVT und ich etwas auseinander entwickelt. Ich sehe immer noch, dass es der einzige Verband in Deutschland ist mit so einem breiten Verständnis. Manchmal hatte ich in der Vergangenheit an der einen oder anderen Stelle, aber das kann ich jetzt nicht konkret replizieren, schon das Gefühl: jetzt wird der Verband DGVT immer stärker auf eine engere therapeutische Schiene gestellt. Aber dann kommt wieder plötzlich ein anderer Einfluss. Also, ich sehe einfach, dass die DGVT ein Verband ist mit vielfältigen Möglichkeiten, auch bestehend aus vielfältigen Menschen mit vielfältigen Ideen, und das finde ich absolut positiv. Ich überlege wieder, ob ich nicht vielleicht doch mal wieder auf einem Kongress über etwas rede, was mir im Moment am Herzen liegt, weil die DGVT wirklich der Ort ist, wo man so etwas unterbringen kann. Ich habe mich sehr viel stärker zur Gemeindepsychologie hin entwickelt, wo der engere therapeutische Aspekt keine solche Rolle spielt. So würde ich das beantworten.
STEFFEN FLIEGEL:
Die DGVT ist ja ein sehr großer Ausbildungsverband geworden mit parallel mehr als 1000 Auszubildenden in 24 Instituten. Wir denken viel über Curriculumsveränderungen nach: Natürlich wie es mit den therapeutischen Verfahren weitergeht, aber auch wie wir das andere Originäre, nämlich Versorgungskonzepte, die Gemeindepsychologie, die Prävention, stärker in die psychotherapeutischen Curricula integrieren können. Hättest du Ideen, wo die Gemeindepsychologie in so einem psychotherapeutischen Ausbildungscurriculum Platz finden könnte.
JARG BERGOLD:
Das Grundproblem, das ich sehe, liegt nicht bei der DGVT. Das Grundproblem ist in dem Moment geboren worden, als die Verhaltenstherapie krankenkassenfinanziert wurde, mit der Einschränkung auf möglichst einen Therapieraum und eine ganz bestimmte Therapiezeit. Wenn ich mir vorstelle, wie ich es früher gemacht habe. Da habe ich, egal ob in München oder in London, höchstens zwanzig, na ja, sagen wir mal dreißig Prozent meiner Zeit mit dem Patienten in meinem Therapieraum verbracht. Wir sind rausgegangen. Ich habe die Patienten in ihrer Lebenswelt erfahren und habe mit ihnen in ihrer Lebenswelt gearbeitet. Damit war ich, auch wenn damals noch nicht so formuliert, ein Stück weit mit gemeindepsychologischen Konzepten befasst. Und das lag mir nahe. Das heißt, es ist nicht die prinzipielle Entwicklung von VT oder von DGVT als Verein, sondern es ist ein Kontext gegeben, in dem viele Dinge schlicht nicht mehr möglich sind und daher auch nicht mehr gedacht werden. Das hängt zusammen.
STEFFEN FLIEGEL:
Klaus Dörner hat damals in Gütersloh seine Klinik völlig umfunktioniert, indem er Angehörigenarbeit und auch Regionalität in den Vordergrund gestellt hat, also das Leben in der Gemeinde stärker ins Visier genommen hat, obwohl die Kliniken ja auch von den Krankenkassen bezahlt wurden. Unsere zukünftigen Therapeutinnen und Therapeuten werden zu einem großen Teil in der privaten Praxis arbeiten, hoffentlich aber viele auch in Kliniken, in Beratungsstellen und in anderen Einrichtungen. Wir wollen ja nicht nur für die krankenkassenfinanzierte ambulante Psychotherapie ausbilden. Lassen sich nicht auch gemeindepsychologische Konzepte wie Partizipation, Empowerment und so weiter als Methodik und Intervention nutzen, sondern auch für eine Haltung, mit der wir unsere zukünftigen Therapeutinnen und Therapeuten ausbilden können?
JARG BERGOLD:
Ja, da kann ich nur sagen, im Prinzip hast du da völlig recht. Es ist möglich so etwas auch in die Problemanalyse einzubauen. Um es technisch zu sagen eine Lebensweltanalyse. Aber anderes herum greift eine Lebensweltanalyse eben auch schon zu kurz. Es sind die erweiterten Kontexte, die zunächst einmal im Bewusstsein des Einzelnen gar nicht präsent sind. Ein banales Beispiel, was aber für denjenigen natürlich nicht banal ist: wenn man einen 1-Euro-Job macht, dann ist man in einem ganzen System drin, aus dem man praktisch nicht ausbrechen kann. Man hat also auch die Unveränderbarkeit einzubeziehen oder im Sinne von Partizipation, Empowerment zu überlegen, wo könnte man sich denn mit anderen Fachleuten oder Institutionen zusammenschließen, um die Situation doch ein Stück zu verändern. Solche Überlegungen gehören meiner Ansicht nach in eine solche therapeutische Ausbildung hinein. Ich fürchte, im Moment wird so etwas kaum mehr gesehen.
STEFFEN FLIEGEL:
Wir haben beschlossen, einen Teil unserer Psychotherapie-Ausbildung in einem Master-Studiengang zu integrieren, einem Master of Advanced Studies, angesiedelt an einer früheren Heimat von euch, nämlich der Universität Bern. Das heißt, dass viele, die in der DGVT-Akademie ihre Ausbildung in Psychologischer Psychotherapie machen, gleichzeitig an der Universität Bern eingeschrieben sind und parallel zu dem hiesigen privaten Ausbildungskonzept einen Master-Studiengang absolvieren. Wir sind da in Verhandlungen in Bern. Mal schauen, ob es klappt. Es geht uns dabei nicht nur um die Attraktivität der Ausbildung, sondern vor allem an die noch engere Anbindung an die Wissenschaft. Die DGVT war immer schon ein hochschulnaher Verband. Und viele der heutigen Hochschullehrerinnen und Hochschullehrer kommen aus der DGVT oder haben ihre Wurzeln auch in der DGVT. Hochschule und DGVT, vielleicht noch ein paar Stichworte, die euch dazu einfallen
EVA JAEGGI:
Also diese Idee, das an die Universität zu koppeln mit einem Master, ist uns ja auch in der Berliner Akademie schon gekommen. Und es ist das einzige, was mich zum Beispiel an der Gründung des Wiener Sigmund-Freud-Instituts fasziniert, wo Psychotherapiewissenschaften gelehrt werden. Ich bin nicht der Meinung, dass diese Art von Ausbildung in Wien unbedingt der richtige Weg ist, aber dass Psychotherapie sich nicht abkoppeln kann und die Ausbildung zum Psychotherapeuten sich nicht abkoppeln sollte von der Wissenschaft - das ist mein Credo, seit ich überhaupt über Psychotherapie nachgedacht habe. Und das würde uns viele Irrwege ersparen, wie wir sie ja immer wieder in der Psychotherapie sehen.
STEFFEN FLIEGEL:
Jarg, du hast dich ja vor ein paar Jahren sehr kritisch mit der Bologna-Reform auseinandergesetzt und mit der Frage, wie praxisnah die Psychologie-Ausbildung eigentlich ist. Wie schätzt du für die Psychotherapie-Ausbildung den engen Kontakt zur Hochschule ein?
JARG BERGOLD:
Also ich kann das wirklich nur begrüßen. Ich sehe in der Hochschulausbildung genau das, was ich da in diesem Artikel geschrieben habe. Bei uns zum Beispiel, in meinem ehemaligen Institut, ist die Ausbildung in Klinischer Psychologie und Psychotherapie so, wie wir es damals, also sprich Anfang der 1970er Jahre, in München gemacht haben. Es geht nicht darüber hinaus. Es sind Trockenkurse auf weiten Strecken. Also insofern verspreche ich mir von den jetzigen Universitäten nicht sehr viel, und insofern finde ich das sehr, sehr begrüßenswert. Denn ich glaube tatsächlich, nur in der Auseinandersetzung mit der konkreten Praxis können Studierende Erfahrungen machen mit Therapie, die – und das halte ich genauso für essentiell - dann auch wissenschaftlich reflektiert werden. Das ist die ganz große Chance, die eigentlich da ist. Und wenn euch das mit der Uni Bern gelingen würde, würde ich dastehen und klatschen.
STEFFEN FLIEGEL:
Bevor ich euch jetzt frage, was ihr denn im Moment in nächster Zeit so treiben werdet, nochmal zur DGVT. Ihr kennt die DGVT von früher oder habt sie auch ein kürzeres oder längeres Stück mit begleitet. Was würdet ihr denn der DGVT für eine Zukunftsvision auferlegen oder was würdet ihr euch für die Entwicklung dieses Verbandes wünschen?
EVA JAEGGI:
Ja, als Psychoanalytikerin würde ich natürlich ganz egoistisch sagen: Noch ein bisschen mehr psychodynamisches Denken einzuschleusen, kann nicht schaden, sollte vielleicht noch gefördert werden. Vielleicht könntet Ihr in die Ausbildung ruhig ein paar psychodynamisch ausgebildete Therapeuten hineinnehmen. Ich erlebe es so, dass die Verhaltenstherapeuten oft sehr, sehr begierig danach sind, auch etwas über das Innenleben, die Beziehungen, die Entwicklung von Beziehungen im biografischen Kontext zu erfahren, weil das manchmal dort zu kurz kommt.
JARG BERGOLD:
Ich habe einen ganz anderen Punkt. Ich möchte noch einmal anknüpfen an dem Punkt, an dem wir versagt haben. Die Generation, die sich in die Verhaltenstherapie und auch in die Gemeindepsychologie hineinbegeben hat, hat zwar sehr viel über Empowerment, über Macht und über die Notwendigkeit der Analyse von Macht geredet hat, war aber selber machtscheu, mich eingeschlossen. Wir sind nicht in die Positionen hineingegangen, die es eigentlich erlaubt hätten, die Entwicklungen stärker mitzubestimmen. Ein Beispiel: Statt in die Deutsche Gesellschaft für Psychologie zu gehen und die Deutsche Gesellschaft von innen aufzurollen, was damals möglich gewesen wäre, haben wir eine neue Gesellschaft gegründet und sind in die Bedeutungslosigkeit abgeglitten. Der DGVT würde ich für die Zukunft wünschen, dass sie und ihre Mitglieder, auch akademische Mitglieder, sich stärker dieser Notwendigkeit der Nutzung von Macht bewusst sind. Ein Stück weit macht ihr das, indem ihr in Kommissionen seid, das halte ich für ganz zentral und ganz wichtig. Aber gleichzeitig neben der Förderung individueller Veränderung den größeren Kontext einbeziehen, in dem diese Veränderungen stattfinden müssen; Sozialpolitisches, Institutionspolitisches und das vielleicht auch unter dem Aspekt von gemeindepsychologischen Überlegungen, also Partizipation und Empowerment.
STEFFEN FLIEGEL:
Herzlichen Dank. Und jetzt die letzte Frage: Was treibt ihr eigentlich so? Jarg, genießt du deinen Ruhestand?
JARG BERGOLD:
Also das ist ganz schön. Morgen treffen Eva und ich uns wieder, gemeinsam mit Heiner Legewie und seiner Frau, und mit Ulrike, meiner Frau als Fotografin. Wir haben ein kleines Projekt über Kreativität im Alter und haben dort bildende Künstler interviewt, wie sie mit dem Alter umgehen und wie das Alter sich in der Kreativität zeigt. Und wir sind gerade dabei, diese Interviews aufzuarbeiten. Das andere, was ich im Moment mache: in Offenburg am Rhein gibt es ein Obdachlosenheim, das St.-Ursula-Heim. Dort haben wir so viel Emanzipation, Partizipation und Empowerment vorgefunden, wie ich noch nie gesehen habe. Seit drei Jahren machen wir mit denen partizipative Forschung. Das heißt, wir fahren mit dem Stefan Thomas und ein paar Studenten dorthin und machen Forschungsworkshops. In denen entwickeln wir mit den Mitarbeitern und Bewohnern zusammen Interviewleitfäden, machen gemeinsam Interviews in Teams und werten diese gemeinsam aus. Ungeheuer spannend finde ich die Frage, wie in einem solchen Milieu von Heimen, die in traditioneller Weise ganz eng und autoritär geführt werden, so etwas wie Partizipation und Empowerment stattfinden kann. Da ist mein gemeindepsychologisches Interesse, aber auch mein Grundinteresse an menschlicher Entwicklung.
STEFFEN FLIEGEL:
Eva, wir sitzen hier in deinem Therapiezimmer. Das heißt, du bist therapeutisch weiterhin aktiv. Was bewegt dich zurzeit?
EVA JAEGGI:
Ich war bis zum Sommer in der Schwerpunktleitung der Berliner Akademie für Psychotherapie, die mir nach wie vor sehr am Herzen liegt. Aber da bin ich jetzt zurückgetreten. Ich mache Therapie und Supervisionen. Und in der Therapie habe ich mich jetzt doch spezialisiert. Ein Schwerpunkt ist die Therapie mit älteren Menschen, zum Teil mit sehr alten Menschen. Meine älteste Patientin wird jetzt 79. Und da hat man natürlich wieder andere Herausforderungen, muss sich wieder andere Dinge überlegen. Und sicher wird irgendwann daraus auch mal ein kleinerer Artikel. Zwischendurch werde ich mal angefragt zu einem Vortrag oder einem Workshop. In Maßen mache ich das auch noch. Aber da ich ja ein Enkelkind habe, das mir sehr wichtig ist, und da ich einen Mann habe, der reisen will, mache ich auch sehr viel Privates.
STEFFEN FLIEGEL:
Ganz herzlichen Dank, Eva und Jarg, für dieses sehr angenehme und offene Gespräch. Es hat mich wieder sehr meinen beruflichen Wurzeln näher gebracht und viele alte Erinnerungen an gemeinsam Zeiten und Aktivitäten möglich gemacht. Und ich danke euch auch ganz herzlich für euer Mitwirken bei der Entwicklung der DGVT und der Psychotherapie in Deutschland bzw. beim immer wieder Anmahnen, den fachlichen Blick nicht zu eng werden zu lassen. Für mich war das wirklich ein bewegender Rückblick, aus dem viele Gedanken für die Zukunft abgeleitet werden können. Ich wünsche euch für die kommende Zeit alles, alles Gute.
Hinweis auf Veröffentlichungen zur Geschichte der Verhaltenstherapie und der DGVT
Interessenten und Interessentinnen für die Geschichte der Verhaltenstherapie und der DGVT seien verwiesen auf folgende Veröffentlichungen von Christine Daiminger, die auf Basis der Förderung durch ein Promotionsstipendium der DGVT entstanden sind:
Daiminger, C. (2007). Eine Erfolgsgeschichte mit Differenzen. Tübingen: dgvt-Verlag.
In diesem Buch finden Sie eine ausführliche Rekonstruktion der Geschichte des Aufbaus und der Ausformung der Verhaltenstherapie in der BRD von Anfang der 60er Jahre bis zur Verabschiedung des Psychotherapeutengesetzes unter besonderer Berücksichtigung der Bedeutung des größten verhaltenstherapeutischen Fachverbands, der Deutschen Gesellschaft für Verhaltenstherapie.
Daiminger, C. (2010). Vom begeisterten Aufbruch zu ersten Richtungsauseinandersetzungen: Ein Lesebuch mit Interviews zur Geschichte der Verhaltenstherapie in der Bundesrepublik Deutschland. Tübingen: dgvt-Verlag.
Dieser Band beinhaltet Interviews mit wichtigen Akteurinnen und Akteuren der Geschichte der Verhaltenstherapie und der DGVT: Über die Phase des Aufbruchs und die beginnenden Richtungsauseinandersetzungen bis Anfang der 70er Jahre berichten Jarg Bergold, Niels Birbaumer, Manfred Cramer, Alexa Franke, Peter Fiedler, Steffen Fliegel, Irma Gleiss, Peter Gottwald, Klaus Grawe, Georg Hörmann, Eva Jaeggi, Lilly Kemmler, Heiner Keupp, Christoph Kraiker, Hans Reinecker, Bernd Röhrle, August Rüggeberg, Michael Schalkhaußer, Dietmar Schulte, Dirk Zimmer
Daiminger, C. Website zum Projekt „ZeitzeugInnen zur Geschichte der Verhaltenstherapie und der DGVT“. Online verfügbar unter: www.dgvt-geschichte.de.
Auf dieser Website sind grundlegende Informationen und Ergebnisse des Forschungsprojekts dokumentiert.