Der Diotima-Ehrenpreis 2016 geht an Prof. Dr. Christine Knaevelsrud, Berlin
(wd). Am 22. April 2016 wurde Prof. Dr. Christine Knaevelsrud der Diotima-Ehrenpreis der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) für ihre außerordentlichen Leistungen in der Versorgung von traumatisierten Kriegs- und Folteropfern verliehen. Christine Knaevelsrud ist Professorin für Klinisch-Psychologische Intervention an der Freien Universität Berlin und als Psychologische Psychotherapeutin in der psychotherapeutischen Praxis tätig. Von 2007 bis 2010 war sie wissenschaftliche Leiterin im Behandlungszentrum für Folteropfer in Berlin. Dort half sie in beträchtlichem Ausmaß bei der Entwicklung, Evaluierung und Distribution einer internetbasierten Schreibtherapie zur Behandlung von traumatisierten Menschen im Irak.
Bei diesem Therapieansatz findet die Behandlung komplett über das Internet statt, was es möglich macht auch Menschen in Ländern wie dem Irak, wo der Großteil der qualifizierten psychotherapeutischen Fachkräfte das Land verlassen hat, eine Behandlung zu ermöglichen. Die Behandlung der PatientInnen erfolgt dabei durch Fachkräfte aus Drittstaaten, welche die PatientInnen in ihrer Muttersprache behandeln. Inzwischen wurde das Potential der internetbasierten Schreibtherapie auch für Menschen in palästinensischen Gebieten, in Syrien und im Iran erkannt. Prof. Kneavelsrud untersucht zudem, inwiefern sich die Anhörungen, denen sich Asylsuchende stellen müssen, auf deren psychische Gesundheit auswirken, und sie ist an der Entwicklung von neuen Behandlungsprogrammen für traumatisierte Menschen beteiligt.
Schon 2008 verlieh die DGVT Prof. Knaevelsrud den DGVT-Förderpreis für herausragende Nachwuchsleistungen auf dem Gebiet der Entwicklung der Verhaltenstherapie, damals für ihre Dissertation. Diese erforschte die Wirksamkeit der an der Universität Amsterdam entwickelten internetbasierten Schreibtherapie „Interapy“ für posttraumatische Belastungsstörungen im deutschsprachigen Raum. Zudem beschäftigte sich die Dissertation mit der Qualität und Entwicklung der therapeutischen Beziehung in der internetbasierten Therapie.
Obwohl Christine Knaevelsrud der Online-Therapie anfangs skeptisch gegenüberstand, überzeugten sie die Erfolge und das Potential dieses Ansatzes. Zum Beispiel die Möglichkeit zur Anwendung der Therapie bei traumatisierten Menschen aus Kriegsgebieten. Auch Menschen, die aufgrund von Stigmatisierung, Schamgefühl oder fehlender Mobilität normalerweise nicht therapeutisch behandelt werden bzw. nicht bereit sind, eine/n PsychotherapeutIn aufzusuchen, könnten von einer internetbasierten Therapie profitieren. Trotzdem betonte Prof. Kneavelsrud 2008 in ihrer Danksagung auch die Grenzen der Online-Therapie und ermutigte dazu die internetbasierte Therapie als Ergänzung statt Konkurrenz zur traditionellen Psychotherapie weiterzuentwickeln.
Christine Knaevelsrud trägt mit ihrer Arbeit umfangreich dazu bei, dass psychotherapeutische Versorgungslücken geschlossen werden. Besonders hervorzuheben ist, dass ihre Forschung einen hohen Bezug zur therapeutischen Praxis hat. Insbesondere ihre Innovationen in der Erschließung von neuen Behandlungsmöglichkeiten für Menschen in therapeutisch unterversorgten Gebieten tragen zur Verbesserung der Lebensqualität vieler Menschen bei.
Quelle: Rosa Beilage zur VPP 2/2016