GESUNDHEITSPOLITISCHE NOTIZEN
Die von der Bundesregierung geplanten Kürzungen bei Leistungen der Freien Wohlfahrtspflege sind nach Ansicht der Wohlfahrtsverbände eine Bedrohung für den Sozialstaat. Sie würden zu Einschnitten bei vielen sozialen Angeboten führen und den Zusammenhalt in der Gesellschaft schwächen, heißt es in einer Erklärung. Demnach sieht der Bundeshaushalt für 2024 Kürzungen von 25 Prozent für Leistungen der Freien Wohlfahrtspflege vor. Laut BAGFW-Präsident Michael Groß werden sich die Kürzungen besonders auf Menschen in sozialen Not- und Ausnahmesituationen auswirken. So drohten Kürzungen in Höhe von etwa 30 Prozent im Bereich der Migrationsberatung für erwachsene Zugewanderte. Dies treffe mit allein 1,2 Millionen Geflüchteten aus der Ukraine zusammen. Bewährte Strukturen des Beratungsangebotes gerieten massiv unter Druck. Schon jetzt seien viele Traumatisierte unterversorgt. Scharfe Kritik übte Groß auch an Kürzungen bei den Freiwilligendiensten. Hier sei eine Absenkung um 78 Millionen Euro vorgesehen. Das seien knapp 24 Prozent der Bundesmittel für das Lern- und Orientierungsjahr. Damit würde jeder vierte Freiwilligenplatz wegfallen. Das betreffe bundesweit rund 30.000 Freiwillige.
Der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege (BAGFW) gehören die Arbeiterwohlfahrt, der Caritasverband, der Paritätische Wohlfahrtsverband, das Rote Kreuz, die Diakonie sowie die Zentralwohlfahrtsstelle der Juden an.
Weitere Info: www.bagfw.delveroeffentlichungen/pressemitteilungen/detail/scharfe-kritik-an- kuerzungsplaenen-der-bundesregierung
Kindergesundheitsbericht 2023: Jugendliche haben besondere Bedürfnisse
Am 18. September 2023 wurde der zweite Kindergesundheitsbericht 2023 in Berlin vorgestellt. Der Report umfasst eine breite Palette an Themen der mentalen und körperlichen Gesundheit Jugendlicher und führt die wichtigsten Daten aus Studien der letzten Jahre zusammen. Renommierte Forscher*innen geben einen vertieften Einblick in ihr Fachgebiet. Ziel ist es, wissenschaftliche Erkenntnisse für die notwendige gesundheitspolitische Diskussion nutzbar zu machen. Darüber hinaus liefern die Autor*innen konkrete Maßnahmenvorschlägen und Lösungsansätze.
Laut Kindergesundheitsbericht sind Jugendliche in Deutschland starken Belastungen ausgesetzt. Demnach leiden die zwölf- bis 21-Jährigen vor allem unter aktuellen Krisen wie Klimawandel, Pandemie und Ukrainekrieg. Diese Entwicklungen führten zu seelischen und körperlichen Störungen, resümieren die Autor*innen. Dem Bericht zufolge waren Heranwachsende während der Coronazeit hohem psychischen Druck ausgesetzt, der teilweise zu emotionalen Ausnahmesituationen bis hin zu Suizidversuchen geführt hatte. Von schweren Symptomen seien besonders Mädchen betroffen gewesen. Klimaangst sei dagegen keine psychische Störung, sondern eine angemessene Reaktion auf sich ändernde Lebensbedingungen, konstatieren die Autor*innen. Bei Einzelnen könne die Furcht jedoch zu Krankheitserscheinungen führen.
Auf der Homepage der Stiftung Kindergesundheit ist der aktuelle Bericht sowie die Aufzeichnung der Veranstaltung zur Veröffentlichung des Kindergesundheitsbericht abrufbar.
(Quelle: https://www.kindergesundheit.de/kindergesundheitsbericht/ vom 25.09.2023)
EU-Parlament beschließt besseren Schutz von Frauen
Mehrere EU-Staaten haben bislang die Umsetzung eines internationalen Abkommens zum Schutz von Frauen vor Gewalt unterlassen. Die Istanbul-Konvention zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen soll auch in jenen EU-Staaten Geltung bekommen, die das Abkommen bisher nicht ratifiziert haben. Für einen entsprechenden Abschluss stimmte das Europäische Parlament in Straßburg. Jetzt kann der Ministerrat der Union in einer Mehrheitsentscheidung die Ratifizierung EU-rechtlich relevanter Teile der Konvention beschließen - auch gegen einzelne Mitgliedstaaten. Das nach dem Ort seiner Unterzeichnung benannte Istanbul-Übereinkommen schafft einen umfassenden Rahmen für rechtliche und politische Maßnahmen zur Verhütung von Gewalt gegen Frauen, zur Unterstützung der Opfer und zur Bestrafung der Täter. Als völkerrechtlicher Vertrag des Europarats, also nicht der Europäischen Union, wurde es von 45 Staaten unterzeichnet und von 37 ratifiziert. Von den EU-Staaten leisteten zwar alle 27 ihre Unterschrift; Bulgarien, Lettland, Litauen, die Slowakei, Tschechien und Ungarn verzichteten aber bislang auf eine Ratifikation. Nach Auffassung des Rechtsausschusses des Europäischen Parlaments würde ein Beitritt der EU zum Übereinkommen für ein systematisches, EU-weites Vorgehen gegen geschlechtsspezifische Gewalt sorgen. So könnte häusliche Gewalt bei der Erteilung von Sorge- und Besuchsrechten eine Rolle spielen. Auch würde die Konvention eine geplante, im März 2022 von der EU-Kommission vorgeschlagene Richtlinie zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt ergänzen. Nachdem eine EU-weite Umsetzung der Konvention seit 2017 auf Rats-Ebene stockte, stellte der Europäische Gerichtshof auf Ersuchen des Europaparlaments in einem Gutachten vom Oktober 2021 klar, dass die EU dem Übereinkommen beitreten kann, auch ohne dass alle Mitgliedstaaten es ratifiziert haben. Ferner müsse die Entscheidung im Rat über den Beitritt nicht auf Einstimmigkeit beruhen.
Weiter Info: www.europarl.europa.eu/news/de/press-room/2023050SIPR85009/gewalt- gegen-frauen-ep-unterstutzt-beitritt-der-eu-zur-istanbul-konvention
Alkoholwerbung: Suchtbeauftragter dringt auf engere Grenzen
Der Drogen- und Suchtbeauftragte der Bundesregierung dringt auf umfangreichere Einschränkungen bei der Alkoholwerbung und auf mehr Jugendschutz in Deutschland. „Um dem bestehenden Wildwuchs bei Alkohol und Tabakangeboten endlich den Riegel vorzuschieben, brauchen wir viel stärkere und ganz eindeutige Leitplanken etwa bei den Werbebeschränkungen“, sagte Burkhard Blienert der Deutschen Presse-Agentur. Der Umgang mit Alkohol sei in Deutschland zu lax.
Warnhinweise auf Etiketten, wie sie das EU-Mitglied Irland 2026 einführen will, seien ein Schritt in die richtige Richtung. „Information über Risiken und mögliche Gesundheitsgefahren sind sicherlich in Irland wie auch bei uns ein guter Baustein, um Menschen aufzuklären, wie ungesund selbst kleine Alkoholmengen sind“, sagte Blienert. Aber das reiche nicht. Warnhinweise zielten oft nur auf eine Gruppe ab, etwa Schwangere. Frankreichs Weg, bereits bei der Alkoholwerbung auf Risiken hinzuweisen, finde er ebenfalls gut.
Diskussion über Altersgrenze beim Alkoholkauf
Werbung bestimme maßgeblich mit, ob und wie viele Menschen auf Alkohol aufmerksam würden. Das betreffe auch Menschen, die schon ein erhebliches Suchtproblem hätten und sich dadurch noch weniger schützen könnten. Alkoholwerbung müsse zuallererst dort unterbunden werden, wo sie vor allem Kinder und Jugendliche wahrnähmen: in sozialen Medien, im Internet, in den Hauptsendezeiten von Fernsehen und Radio bis 23.00 Uhr. Ihm gehe es außerdem um inhaltliche Beschränkungen.
Um striktere Regulierungen in dieser Legislaturperiode durchzusetzen, sei er in Gesprächen unter anderem mit Bundesfamilienministerin Lisa Paus und Bundesminister Robert Habeck, sagte Blienert. Ihm gehe es auch darum, dass die Altersgrenze beim Alkoholkauf von derzeit 16 Jahren angehoben werde. Die Regelung, dass Jugendliche ab 14 Jahre im Beisein ihrer Eltern Alkohol trinken dürfen, sollte aus Sicht des Suchtbeauftragten abgeschafft werden.
(Quelle: https://www.faz.net/agenturmeldungen/dpa/alkoholwerbung-suchtbeauftragter-dringt-auf-engere-grenzen-19184186.html vom 25.09.2023).
Mehr Drogentote in Europa
Immer mehr Menschen in Europa sterben durch illegalen Drogenkonsum. In Deutschland lag die Zahl der Drogentoten laut Jahresbericht der Europäischen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht im Jahr 2021 bei mindestens 1.826. Das seien 245 Fälle mehr als im Jahr zuvor, teilte die Behörde in Lissabon mit. Für die 27 EU-Länder insgesamt verzeichnete die Beobachtungsstelle 2021 mindestens 6.166 Todesfälle durch Überdosierung im Zusammenhang mit illegalen Drogen. Das sind den Angaben zufolge fast 17 Todesfälle pro Tag und deutlich mehr als in den Jahren 2020 (5.796) und 2019 (5.141). Dem Bericht zufolge bleibt Cannabis die am häufigsten konsumierte illegale Droge in Europa. Schätzungen zufolge haben etwa acht Prozent der Erwachsenen zwischen 15 und 64 Jahren im vergangenen Jahr Cannabis konsumiert. Geschätzte 97.000 Menschen suchten sich 2021 laut des Berichts europaweit Hilfe wegen Problemen im Zusammenhang mit dem Cannabiskonsum. Im Berichtsjahr wurde außerdem eine Rekordmenge Kokain von EU-Mitgliedstaaten beschlagnahmt: insgesamt 303 Tonnen - fast 75 Prozent davon in Belgien, den Niederlanden und Spanien.
Weitere Info: emcdda.europa.eu > publications
Mehr Essstörungen und Depressionen
Infolge der Corona-Pandemie haben Essstörungen und Depressionen bei Jugendlichen zugenommen. Laut einer Studie des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung (Zi) waren Mädchen besonders stark betroffen. Von 2019 auf 2021 sei die Inzidenz depressiver Störungen insgesamt um 27 Prozent angestiegen. Im gleichen Zeitraum habe die Diagnose von Essstörungen um 74 Prozent zugenommen. Die ausgewerteten Abrechnungsdaten deuteten auf eine zum Teil erhebliche Verschlechterung der psychischen Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in den Corona-Pandemiejahren 2020 und 2021 hin, sagte Zi-Vor- standschef Dr. Dominik von Stillfried. Es sei davon auszugehen, dass durch einen erschwerten und verzögerten Zugang zur psychotherapeutischen Versorgung die Zahl der psychisch belasteten Kinder und Jugendlichen sogar noch höher sei. Mit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine sei 2022 noch eine weitere globale Krise hinzugekommen.
Weitere Info: zi.de > Medieninformationen
Leichte Fortschritte bei Gleichstellung
Bei der Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau har sich Deutschland verbessert. Auf dem internationalen Index des Weltwirtschaftsforums (WEF), der 146 Länder vergleicht, rückte die Bundesrepublik in diesem Jahr auf Platz sechs vor. Die Verbesserung um vier Plätze im Vergleich zu 2022 ist jedoch vor allem dem Umstand geschuldet, dass sich die Zahl der Parlamentarierinnen und Ministerinnen erhöht hat. In puncto Verdienst und Karriere nahm das Gefälle zwischen Männern und Frauen in Deutschland hingegen sogar noch zu. Der Anteil von Frauen in Führungspositionen fiel mit nur 29 Prozent auf den Wert von 2018 zurück. Positiv bewertet das WEF dagegen die sehr hohen Gleichstellungswerte im deutschen Bildungs- und Gesundheitswesen. Weltweit am besten bei der Gleichberechtigung schneidet das 14. Jahr in Folge Island ab. Auf Platz zwei und drei folgen Norwegen und Finnland. Global gesehen verringerte sich der Abstand zwischen den Geschlechtern 2022 nur minimal.
Quelle: Das AOK-Forum für Politik, Praxis und Wissenschaft; Ausgabe 7-8/23,26 Jahrgang