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VPP 2/2024

Mehr Gleichheit – mehr Klimaschutz – mehr psychosoziale Gesundheit

07. Mai 2024

Die DGVT und der DGVT-BV sind sich des Zusammenhanges zwischen der menschengemachten Klimakrise und sozialer Ungleichheit bewusst und fordern daher ganzheitliche Lösungsansätze, die sowohl die ökologischen als auch die sozialen Aspekte berücksichtigen.

 

Bei allem Wissen um die der Klimakrise zugrundeliegenden physikalischen Prozesse ist es von großer Bedeutung, sie nicht nur als ein naturwissenschaftliches Problem zu betrachten, sondern auch und insbesondere als ein Problem sozialer Ungleichheit. 

Die Folgen der Klimakrise sind ungleich verteilt (Kurwan, 2023). Sie betreffen vorrangig vulnerable Personengruppen, wie zum Beispiel Menschen in ärmeren Ländern, insbesondere im globalen Süden, oder sozial benachteiligte Gemeinschaften. Diese Gruppen haben oft weniger Ressourcen, um sich vor den Folgen der Klimakrise zu schützen und sich anzupassen und es fehlt ihnen zumeist an geeigneten Unterstützungssystemen. So sind zunehmende Hitze, Wasserknappheit, Nahrungsmangel und Kämpfe um Ressourcen als Folgen der sich zuspitzenden Klimakrise eine zentrale Ursache für Flucht und Migration, insbesondere für Menschen im globalen Süden. Flucht geht wiederum häufig mit prä-, peri- und postmigratorischen Traumafolgestörungen und Stresssymptomen einher, die in der Folge – so wie andere psychische Erkrankungen auch – die Vulnerabilität des/der Einzelnen noch weiter erhöhen. Zudem zeigen Studien deutlich, dass insbesondere Kinder und Jugendliche von den Folgen der Klimakrise betroffen sind (Frick, Holzhauer & Gossen, 2022). Somit sind Faktoren wie Herkunft, Alter, prekäre Beschäftigungs- und Wohnbedingungen, Bildungsstand und gesundheitlicher Zustand, aber auch die Beschaffenheit von Gesundheits- und sozialen Sicherungssystemen innerhalb einer Gesellschaft von zentraler Bedeutung, wenn es um die Intensität der Folgen der Klimakrise und deren Bewältigung geht. Dasselbe Ereignis kann Menschen mit unterschiedlichen Voraussetzungen unterschiedlich stark belasten und betreffen.

Hinzu kommt, dass während die stark betroffenen vulnerablen Gruppen oft selber nur einen geringen Beitrag zur Verschärfung der Klimakrise leisten, privilegierte Personengruppen oft einen deutlich größeren ökologischen Fußabdruck haben (Ritchie & Roser, 2020). Sie tragen somit stärker zur Umweltbelastung und damit zur Verschärfung der Klimakrise bei.

Seit vielen Jahren lässt sich beobachten, dass die soziale Ungleichheit durch die Auswirkungen der Klimakatastrophe verschärft wird und sich Ungleichheit und Klimakrise gegenseitig verstärken. Je ungleicher eine Gesellschaft ist, desto instabiler wird sie und desto mehr erhöht sich die Wahrscheinlichkeit für Konflikte. Es handelt sich somit bei der Klimakrise auch und vor allem um ein soziales und politisches Problem, das auch auf sozialer und politischer Ebene angegangen werden muss. Darum ist das Hinwirken auf eine Reduzierung sozialer Ungleichheit und Armut eine zentrale Aufgabe, um auf individueller Ebene den Schutz der/des Einzelnen vor den Folgen der Klimakrise zu verringern und auf gesellschaftlicher Ebene nicht nur weitere Destabilisierung zu verhindern, sondern vielmehr zunehmende Stabilität zu erreichen. Diese kann und muss dann wiederum Grundlage sein, um allgemein notwendige Transformationsprozesse im Umgang mit der fortschreitenden Klimakrise anzugehen.

Als psychosozialer und psychotherapeutischer Fach- und Berufsverband sind wir uns bewusst, dass die durch soziale Ungleichheit verschärften Folgen der Klimakrise auch psychische Belastungen und Erkrankungen verursachen und verschlechtern können. Wir fordern daher verstärkte Maßnahmen zur Überwindung sozialer Ungleichheit und mehr ganzheitlichen Klimaschutz. Es braucht Unterstützung der Menschen, die besonders unter den Folgen dieser Probleme leiden. Dazu gehören unter anderem auch psychosoziale Beratungs- und Therapieangebote sowie Programme zur Stärkung der (Klima-)Resilienz und des sozialen Zusammenhalts.

Unsere beiden Vereine engagieren sich aktiv in der Sensibilisierung für die psychosozialen Aspekte der Klimakrise mit einem klaren Fokus auf die Rolle der sozialen Ungleichheit und arbeiten mit anderen Organisationen mit dem expliziten Auftrag für mehr Klimaschutz und Nachhaltigkeit zusammen, um gemeinsame Lösungsansätze zu entwickeln und unsere Fachkompetenz im psychosozialen und psychotherapeutischen Bereich einzubringen. Auf Seiten unserer Mitglieder besteht ein großes Interesse, sich mit diesem Thema auseinanderzusetzen, bestehendes Wissen zu vertiefen und die eigene Expertise auszuweiten, um diese bei der Verfolgung der gemeinsamen Ziele einzusetzen.

Wir sind überzeugt, dass eine ganzheitliche Herangehensweise notwendig ist, um sowohl die ökologischen als auch die sozialen Herausforderungen unserer Zeit zu bewältigen.

 

Frick, Vivian & Gossen, Maike & Holzhauer, Brigitte. (2022). Junge Menschen in der Klimakrise. Eine Untersuchung zu emotionaler Belastung, Bewältigungsstrategien und Unterstützungsangeboten im Kontext von Klimawandel und Umweltproblemen in der Studie "Zukunft? Jugend fragen! 2021". Umweltbundesamt.

Kurwan, Jenny (2023). Klimagerechtigkeit. in: bpb.de (Bundeszentrale für politische Bildung), 17.03.23, https://www.bpb.de/themen/klimawandel/dossier-klimawandel/515255/klimagerechtigkeit/, letzter Zugriff: 01.02.24.

Ritchie, Hannah and Roser, Max (2020). “CO₂ emissions”. In: OurWorldInData.org, https://ourworldindata.org/co2-emissions, letzter Zugriff: 01.02.24.