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VPP 4/2022

SEGEMI: Mindestqualifizierung zur Professionalisierung für Dolmetschende im Gesundheits- und Gemeinwesen entwickelt

10. November 2022
 

Im Folgenden veröffentlichen wir eine aktuelle Pressemitteilung von SEGEMI vom 26.09.2022:

Knapp 10% aller Menschen in Deutschland verfügen über keine oder schlechte deutsche Sprachkompetenzen. Dadurch sind wichtige Gespräche bei Behörden, in der medizinischen Versorgung oder der Sozialberatung für viele Menschen kaum möglich. Unabhängige Dolmetscher:innen sind in solchen Gesprächen für eine zielführende Kommunikation unerlässlich. Die Mindestqualifizierung „Dolmetschen im Gemeinwesen“ wurde entwickelt, um Dolmetscher:innen für die herausfordernde berufliche Tätigkeit angemessen vorzubereiten.

Im Rahmen der bundesweiten Fachtagung „Dolmetschen im Gesundheits- und Gemeinwesen: Perspektiven, Qualifizierung & zukünftige Entwicklungen“, die am 23. und 24. September 2022 in Hamburg stattfand, kamen über 100 Expert:innen, Dolmetscher:innen und Akteure zusammen und diskutierten zwei Tage über aktuelle Herausforderungen und notwendigen Veränderungen des professionellen Dolmetschens in Deutschland.

„Eine hohe Verantwortung, starke Konzentration beim Dolmetschen, belastende Gesprächsinhalte, mangelnde Wertschätzung der Fachpersonen und wenig Erfahrungen der Fachkräfte in der Arbeit zu Dritt sind nur einige der zahlreichen Gründe für die Belastungen der Dolmetschenden“, so Gunhild Thomsen, Koordinatorin des SEGEMI Sprachmittlerpools.

Qualifiziertes Dolmetschen als ein zentraler Baustein mehrsprachiger Kommunikation im Gesundheits- und Gemeinwesen existiert bereits in vielen Regionen in Deutschland, referierte Frau Birsen Serinkoz, Dolmetschforscherin an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Doch ist die Frage der Qualifizierung in Deutschland bislang nicht geregelt: „Hier herrscht ein regelrechter Flickenteppich“, so Serinkoz.

Wie groß der Bedarf an Qualifizierungsmaßnahmen ist, verdeutlichen die Ergebnisse

der kürzlich abgeschlossenen bundesweiten Umfrage „Wer dolmetscht in Deutschland?“. Die Studie erfolgte durch das Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf in Kooperation mit der Bundesarbeitsgemeinschaft der freien Wohlfahrtsverbände (BAGFW) und der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK). Von den knapp 900 Dolmetscher:innen, die sich an der Studie beteiligt haben, gaben 30% an, noch nie an irgendeiner Schulung teilgenommen zu haben. „Darüber hinaus konnten wir feststellen, dass 27% der Befragten von substantiellen psychosozialen Belastungen berichteten, ausgelöst durch das Dolmetschen“, so Saskia Hanft-Robert, UKE Studienleiterin.

Um diesen Belastungen entgegenzuwirken und Menschen, die in diesem Bereich tätig sind, professionell zu stärken, wurde die Mindestqualifizierung „Dolmetschen im Gemeinwesen“ entwickelt. Die Dolmetscher:innen haben in der insgesamt 500 Stunden umfassenden Qualifizierung wichtige Grundlagen des Berufs vermittelt bekommen. Unterrichtet wurden u.a. Dolmetschtechniken, Berufsethik, rechtliche, psychosoziale und ökonomische Rahmenbedingungen sowie relevante Aspekte der unterschiedlichen Einsatzbereiche Gesundheit, Soziales, Behörden und Bildung. Abgeschlossen wurde die Qualifizierung mit einer externen praktischen Fachprüfung.

„Mit dieser in Deutschland einmaligen Mindestqualifizierung ermöglichen wir eine solide Basisqualifizierung für das Dolmetschen im Gesundheits- und Gemeinwesen und tragen so zur Professionalisierung des Berufsstandes bei“, sagt Prof. Dr. Mike Mösko, Leiter der Arbeitsgruppe Psychosoziale Migrationsforschung am Institut und der Poliklinik für Medizinische Psychologie des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE).

„Ich arbeite schon seit vielen Jahren als Dolmetscherin. Durch die Qualifizierung habe ich gelernt wie wichtig es ist, als Dolmetscherin neutral und transparent zu sein und sich abgrenzen zu können. Ich bin jetzt viel weniger gestresst, fühle mich gestärkt und arbeite jetzt irgendwie besser“, sagt Frau Nilufar Daghaghele, Absolventin des dritten Kursdurchganges.

Ein Kernergebnis der Fachtagung ist aus Sicht von Dr. Fang Yu, Mitglied des Integrationsbeirates der Freien und Hansestadt Hamburg: „Mehrsprachige Kommunikation darf nicht weiter stiefmütterlich als Randthema behandelt werden. Vielmehr bedarf es einer zeitgemäßen institutionellen Antwort, um ein qualitätsgesichertes Dolmetschwesen in den Gesundheitseinrichtungen, Behörden und Sozial- und Bildungsbetrieben fest zu verankern“

Das Qualifizierungsprojekt wurde ermöglicht durch Unterstützung des Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds der Europäischen Union (AMIF), der Hamburger Sozialbehörde sowie Eigenmittel der Projektpartner. Das UKE führte gemeinsam mit SEGEMI e.V., der Hamburger Volkshochschule und der UKE Akademie für Bildung und Karriere insgesamt drei Kurse durch.

Neben der Qualifizierung „Dolmetschen im Gemeinwesen“ sind unter dem Dach ZwischenSprachen (www.ZwischenSprachen.de) verschiedene Maßnahmen frei zugänglich, die dazu dienen, Fachkräfte, Sprachmittler:innen, Dolmetscher:innen sowie Akteur:innen und Interessierte rund um das Thema Dolmetschen mit relevanten Inhalten zu versorgen. Die Projekte und Ergebnisse basieren auf wissenschaftlichen Methoden und sind mit einer Vielzahl von Expert:innen und Partner:innen entwickelt worden.

Details zur Qualifizierung Dolmetschen im Gemeinwesen

www.zwischensprachen.de

Llúcia Vivero

Geschäftsführerin

SEGEMI - Seelische Gesundheit Migration und Flucht e.V.

Ferdinandstrasse 36

20095 Hamburg

Tel:   040 – 702 99 691

l.vivero@segemi.org

www.segemi.org

 

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